STUDIENERGEBNISSE
Wie Körper und Gehirn bei Angst zusammenspielen
Das Defense Circuits Lab am Uniklinikum Würzburg hat ein Rahmenkonzept erstellt, um die Gehirnaktivität bei Angst besser zu verstehen.
Flight, fight or freeze. Wegrennen, sich wehren oder vor Angst erstarren. Jeder reagiert anders auf eine Bedrohung. Das Verhalten hängt ganz davon ab, welche neuronalen Schaltkreise in unserem Gehirn aktiviert werden, um uns vor möglichen Schäden zu schützen. Das Defense Circuits Lab am UKW beschäftigt sich vor allem mit dem Angstzustand. Wie verhalten wir uns? Wie reagiert unser Körper? Und wie hängen Emotion und physiologische Reaktion zusammen?
In der Tat hat Prof. Tovotes Team bei Mäusen mit identischem Angstverhalten grundsätzlich verschiedene Herzraten beobachtet – mal waren sie erhöht, mal erniedrigt, mal unverändert. Diese kardialen Reaktionen haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem Rahmenkonzept zusammengefasst, welches die Einflüsse übergeordneter Zustände, Macrostates. beschreibt und damit die unterschiedlichen Herzaktivitäten erklärbar macht. Pathologische Angstzustände genauer erkennen und gezielter behandeln „Mit unserer Analyse ist es uns jetzt möglich, feine Abstufungen von verschiedenen Verhaltensänderungen, die zunächst gleich aussehen, aufgrund ihrer unterschiedlichen begleitenden Herzantworten zu erkennen“, freut sich Jérémy Signoret-Genest. Der Biologe ist gemeinsam mit Nina Schukraft Erstautor der Studie, die im Fachmagazin Nature Neuroscience (https://doi.org/ 10.1038/s41593-022-01252-w) publiziert wurde. „Wir konnten bestimmte Nervenzellen im Mittelhirn identifizieren, die für die Generierung einer typischen Angstreaktion in Mäusen verantwortlich sind“, erläutert Nina Schukraft die Entdeckung. Letztendlich könne diese präzise Charakterisierung von verschiedenen Ausprägungen von Angstzuständen dazu beitragen, Gehirnnetzwerke, die für die Entstehung von Angstzuständen wichtig sind, besser zu verstehen.
In Zukunft sollen weitere Parameter wie zum Beispiel Atemfrequenz und Temperatur in die Analyse aufgenommen werden. Die komplexen Daten sollen mittels „unbiased clustering“-Ansätzen in Cluster mit ähnlichen Eigenschaften zusammengeführt werden. Und schließlich soll das Konzept auf krankheitsrelevante Zustände, so genannte „Pathostates“ übertragen werden. Damit würde ein besseres Verständnis der mit Angststörungen verbundenen Erkrankungen und ihrer zeitlichen Dynamik einhergehen, welches neue und verbesserte Therapieansätze zulasse.
„Um Angst und die damit verbundenen oft übermäßig stark ausgeprägten körperlichen Reaktionen zu behandeln, ist es wichtig, das genaue Zusammenspiel von Körper und Gehirn besser zu verstehen. Angststörungen gehören zu den häufigsten psychiatrischen Erkrankungen und treten oftmals im Zusammenhang mit kardiovaskulären und neurodegenerativen Erkrankungen wie etwa Parkinson oder Herzinsuffizienz auf.“
Philip Tovote, Leiter des Defense Circuits Lab und Kodirektor des Instituts für Klinische Neurobiologie
v.l.n.r. Nina Schukraft, Jérémy Signoret-Genest, Philip Tovote, Dennis Segebarth, Sara Reis.
Bild: Daniel Peter