Das Immunsystem als Brücke zwischen Gesundheit und Krankheit
Verschiedene Stimmen aus der Universitätsmedizin Würzburg zum Tag der Immunologie. Der von der European Federation of Immunological Societies (EFIS) ins Leben gerufene Tag soll das Bewusstsein der Öffentlichkeit für die Bedeutung der Immunologie und immunologischen Forschung als Grundlage für die individuelle Gesundheit und das Wohlbefinden stärken.
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Killerzellen, Fresszellen, Gedächtniszellen oder Helferzellen. Sie alle sind wichtige Kämpfer in unserem Immunsystem, die unseren Körper vor Krankheitserregern wie Bakterien, Viren und Pilzen sowie Giften schützen. Warum wir diesen Abwehrmechanismen nicht erst Aufmerksamkeit schenken sollten, wenn sie uns im Stich lassen, und wie die Immunologie, also die Lehre der Grundlagen dieser Abwehrmechanismen sowie der Störungen und Fehlfunktionen, unsere Gesundheit verbessern kann, verdeutlichen Fachleute aus verschiedenen Disziplinen am UKW.
„Um gesund zu bleiben oder zu werden, brauchen wir das Immunsystem, sei es im Rahmen von Entzündungsreaktionen, Heilungsprozessen, Tumorabwehr, Abwehr von Infektionserregern, im Austausch mit dem Mikrobiom oder in Entwicklung und Alterung“, sagt Prof. Martina Prelog, Expertin für Kinder- und Jugendmedizin und Immunologie. Zu Beginn unseres Lebens ist unser Immunsystem besonders formbar Schon mit der Geburt muss sich das kindliche Immunsystem an die neue Umwelt anpassen und lernen, bedrohliche Einflüsse wie Infektionen abzuwehren. „Dabei spielen die Besiedlung mit Keimen, das Mikrobiom, aber auch Infektionen selbst entscheidende Rollen, um das Immunsystem zu trainieren und eine Balance zwischen Toleranz und Abwehr einzustellen“, weiß Prof. Dorothee Viemann, Ko-Sprecherin des Sonderforschungsbereichs DECIDE – DECisions in Infectious DisEases und Leiterin der Translationalen Pädiatrie am UKW. Hier bewahrheite sich der Spruch „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr.“ Es gibt jedoch auch angeborene Erkrankungen des Immunsystems, die bereits im frühen Kindesalter zur Immunschwäche und Anfälligkeit für schwere Infektionen führen. Die Früherkennung sei extrem wichtig, um den erkrankten Kindern Leid zu ersparen und die Behandlungsprognose deutlich zu verbessern, betont Privatdozent (PD) Henner Morbach, Leiter der Pädiatrischen Entzündungsmedizin an der Kinderklinik des UKW und Sprecher des Zentrums für Primäre Immundefekte und Autoinflammatorische Erkrankungen (ZIDA). Das Immundefektzentrum bietet als eines der wenigen Zentren in Deutschland die Möglichkeit zur umfangreichen Diagnostik und Therapie an. „Durch eine Stammzelltransplantation lassen sich viele dieser Erkrankungen heilen“, so Morbach. Immunstatus kontrollieren und Impflücken schließen Was wir selbst tun können, um unser Immunsystem fit zu halten? Dr. Manuel Krone, kommissarischer Leiter Zentrale Einrichtung Krankenhaushygiene und Antimicrobial Stewardship empfiehlt: „Kontrollieren Sie Ihren Impfpass und schließen Sie Impflücken!“ Das Immunsystem sei die wichtigste Barriere unseres Körpers gegenüber Infektionserregern, durch Impfungen könne es gestärkt werden. Impfungen, zum Beispiel gegen Grippe und Pneumokokken, empfiehlt ebenfalls Prof. Oliver Kurzai, Leiter des Nationalen Referenzzentrums für Invasive Pilzinfektionen (NRZMyk) und Vorstand des Instituts für Hygiene und Mikrobiologie der Universität Würzburg. „Impfungen sind ein gezieltes Fitness-Training für unser Immunsystem. Zudem hilft unserem Immunsystem ein gesunder Lebensstil: ausgewogenes Essen, Bewegung und frische Luft.“ Lebensbedrohliche Pilzinfektionen bei Ausfall des Immunsystems Oliver Kurzai und seine Kolleginnen und Kollegen sehen jeden Tag, dass der Ausfall unseres Immunsystems dramatische Auswirkungen haben kann. „Lebensbedrohliche Pilzinfektionen treten dann auf, wenn unser Immunsystem nicht funktioniert! Besonders wichtig für den Schutz sind unsere Immunzellen.“ Gemeinsam mit Partnerinnen und Partnern am Uniklinikum Würzburg wie zum Beispiel die AG von Prof. Jürgen Löffler arbeiten sie daran, das besser zu verstehen und in Zukunft Immunzellen zur Behandlung von Pilzinfektionen einzusetzen.“ Wenn sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper Immunzellen können nicht nur ausfallen, sondern sich gegen den eigenen Körper richten. Die Folge sind rheumatische und immunologische Erkrankungen. PD Marc Schmalzing, Leiter des Schwerpunkts Rheumatologie und Klinische Immunologie am UKW. „Mit einer Blockierung bestimmter immunologischer Botenstoffe könne diese Fehlsteuerung der angeborenen und erworbenen Immunzellen gezielt beeinflusst werden.“
Auch entzündliche Hautkrankheiten können häufig durch immer präzisere Immunmodulatoren erfolgreich behandelt werden. Für Prof. Bastian Schilling, Leiter der AG Translationale Tumorimmunologie und Immuntherapie in der Hautklinik ist das Immunsystem Fluch und Segen zugleich. Das Immunsystem kann Entzündungen verursachen, es kann aber auch Hauttumoren spontan erkennen. „Wir können dieses Phänomen durch Antikörper-basierte Immuntherapien nutzen, um selbst sehr fortgeschrittene Tumoren zu behandeln und teilweise dauerhaft unter Kontrolle bringen“, so Schilling. Die AG von Prof. Astrid Schmieder arbeitet zum Beispiel daran, Tumor-assoziierte Makrophagen umzuprogrammieren: „Die Makrophagen, auch als Fresszellen bekannt, können unter geeigneten Umständen das Wachstum von Krebszellen fördern. Wir versuchen sie so zu verändern, dass sie gegen den Prozess der Tochtergeschwulstbildung, der Metastasierung agieren und den Tumor angreifen.“ CAR-T-Zellen zählen zu den Hoffnungsträgern in der Krebsmedizin „Unser Immunsystem ist die beste Waffe gegen Krebs!“ Davon ist auch PD Leo Rasche von der Medizinischen Klinik und Poliklinik II überzeugt. Man müsse dem Immunsystem aber manchmal auf die Sprünge helfen, sonst kann es die Tumorzellen nicht erkennen und beseitigen. „In der Hämatologie und Onkologie machen wir das mithilfe von CAR-T-Zellen, bispezifischen Antikörpern und sogenannten Checkpoint-Inhibitoren. Dabei leisten vor allem die T-Zellen eine wichtige Arbeit. Diese Zellen sind Serial Killer, eine einzige kann tausende Tumorzellen beseitigen.“ Das Uniklinikum Würzburg spielt bei der Erforschung, Anwendung und Ausweitung dieses neuen Arzneimittelprinzips eine international bedeutende Rolle. So gilt Prof. Hermann Einsele, Direktor der Medizinischen Klinik II und Sprecher des NCT-Standortes WERA, gilt als Meinungsführer in der CAR-T-Zelltherapie, er hat diese als erster in Europa klinisch eingesetzt. Prof. Michael Hudecek ist einer der weltweit führenden Wissenschaftler für die CAR-T-Zelltherapie. Thrombo-Inflammation Wichtige Funktionen im Immunsystem haben außerdem Blutplättchen, so genannte Thrombozyten. Sie sind zentral an der Steuerung von Entzündungsprozessen und der Immunantwort beteiligt sind, indem sie das Zusammenspiel von Immunzellen und der Gefäßwand koordinieren und antreiben. Mit diesen gänzlich neuen und klinisch hochrelevanten Funktionen der Thrombozyten beschäftigt sich der TRR 240 „Platelets“ unter der Leitung von Prof. Bernhard Nieswandt, Direktor des Instituts für Experimentelle Biomedizin. So wurde in Würzburg der nunmehr international etablierte Begriff der Thrombo-Inflammation geprägt. „Thrombo-Inflammation spielt bei einer stetig wachsenden Zahl von Krankheitsgeschehen, wie Schlaganfall, akutes Atemnotsyndrom, Sepsis, aber auch bei Tumorerkrankungen eine entscheidende Rolle, was weitreichende Möglichkeiten für neue Therapieansätze eröffnet“, ist Bernhard Nieswandt überzeugt.
PD Michael Schuhmann, Leiter des Klinischen Labors in der Neurologie verdeutlicht die Relevanz des Immunsystems bei Schlaganfall: „Direkt während eines Schlaganfallereignisses und somit viel früher als bisher angenommen kommt es zu einer massiven lokalen Entzündungsreaktion. Wir konnten erste wichtige Signalmoleküle dieses Zusammenspiels zwischen Blutplättchen und Immunzellen experimentell und sogar unter Zuhilfenahme lokaler Biomarker bei Schlaganfallpatienten identifizieren.“ Die Verfahren zur lokalen Biomarkergewinnung haben die Kooperationspartner der Neuroradiologie, Dr. Alexander Kollikowski und Prof. Mirko Pham, etabliert. Sie sind zuversichtlich, „dass genau in diesen winzigen Tropfen Blut direkt aus dem Gehirn während eines Schlaganfalls wichtige Informationen für neue Therapieansätze, die speziell die lokale Thrombo-Inflammation modulieren, stecken.“ Die regenerative Macht des Immunsystems auf unser Herz Darüber hinaus hat sich Würzburg weltweit einen Namen in der aufstrebenden Fachrichtung Immunkardiologie gemacht. „Unser Immunsystem verhindert zum Beispiel, dass unser Herz aus dem Takt gerät, es beeinflusst die Alterung des Herzens und ist wichtig, um zerstörtes Herzgewebe, etwa nach einem Herzinfarkt, wieder richtig heilen zu lassen“, berichtet Prof. Stefan Frantz, Direktor der Medizinischen Klinik I und Sprecher des SFB 1525 „Interaktionen zwischen Herz und Immunsystem". Auf der anderen Seite könne eine Überaktivierung des Immunsystems die Funktion des Herzens auch negativ beeinflussen. „Im SFB beschäftigen wir uns mit genau diesen Interaktionen zwischen Herz und Immunsystem. Mithilfe der gewonnenen Erkenntnisse wollen wir die Diagnostik verbessern und ein Fundament für zielgerichtete immunmodulatorische Therapien legen.“ Ein starker Partner sowohl im SFB 1525 als auch in vielen weiteren Forschungsprojekten am UKW ist die von Prof. Wolfgang Kastenmüller und Prof. Georg Gasteiger geleitete Max-Planck Forschungsgruppe Systemimmunologie. Für sie ist das Immunsystem ein unerlässlicher Bestandteil aller Organe.