So wappnen Sie sich!
Veränderungen, Krisen und Widerstände sind Teil des menschlichen Lebens. Um gut durch diese Zeiten zu kommen, braucht es Resilienz – eine starke psychische Widerstandskraft. Und die kann man trainieren.
So wappnen Sie sich!
Veränderungen, Krisen und Widerstände sind Teil des menschlichen Lebens. Um gut durch diese Zeiten zu kommen, braucht es Resilienz – eine starke psychische Widerstandskraft. Und die kann man trainieren.
Professor Stefan Unterecker
Dr. Roxane Sell
Insbesondere in der aktuellen weltpolitischen Situation sind viele Menschen besorgt und blicken verunsichert in die Zukunft. Laut WHO ist die Zahl von Angsterkrankungen und Depressionen im vergangenen Jahr um 25 Prozent angestiegen. Bei Angsterkrankungen liegt sie nun bei ca. 20 Prozent; die Zahl der Depressionen liegt bei etwa 10 Prozent. Professor Dr. Stefan Unterecker, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Diplom-Psychologe an der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am UKW, hat die Beobachtung gemacht, dass psychisch kranke Menschen besonders sensibel auf die äußeren Geschehnisse reagieren. Doch Klimawandel, Pandemie und der Krieg in Europa haben auch bei psychisch gesunden Menschen ihre Spuren hinterlassen. „Natürlich beeinflussen die äußeren Faktoren unsere psychische Gesundheit“, erklärt er. In der Folge kann es bei anhaltendender Belastung und Stress zu einem Burnout-Syndrom kommen. Resilienz ist psychische Widerstandskraft Es stellt sich die Frage, wie sich der einzelne gegen diese äußeren Einflüsse schützen kann. Das Zauberwort heißt: Resilienz. Der Buchhandel führt zahlreiche Titel, die zur Stärkung der eigenen Resilienz beitragen, Seminare bieten Unterstützung, um diese Fähigkeit zu trainieren.
Doch was ist Resilienz? Stefan Unterecker beschreibt Resilienz als „Anpassungsfähigkeit an Situationen“. Menschen reagieren auf Probleme und Veränderungen in ihrem Leben, indem sie sich daran anpassen. Resilienz ist somit die psychische Widerstandskraft und ein Schutz des einzelnen, mit Krisen und Hindernissen im Leben umzugehen. Resilienz kann als eine Art Immunsystem der menschlichen Psyche beschrieben werden.
Ob ein Mensch eine hohe oder eine geringe Widerstandskraft aufweist, hängt entscheidend von den Erfahrungen in der eigenen Biografie ab. „Menschen, die unter guten Bedingungen aufgewachsen sind, haben häufig einen höheren Grad an Resilienz als Menschen, die schon in der Kindheit oder in der Jugend Verletzungen oder Traumata erlebt haben“, verdeutlicht die psychologische Psychotherapeutin Dr. Roxane Sell. Die eigene Verletzlichkeit spielt eine entscheidende Rolle, ergänzt die Psychologin, die ebenfalls am Zentrum für Psychische Gesundheit am UKW tätig ist.
6 Tipps für mehr Resilienz
- Pausen machen
- gesund ernähren
- regelmäßig bewegen und/oder Sport treiben
- Opferrolle verlassen
- Medienkonsum reduzieren
- Freundschaften pflegen
Resilienz ist trainierbar Doch die eigene Biografie entscheidet nicht endgültig darüber, ob wir resilient sind oder nicht. Vielmehr – und das ist die gute und beruhigende Botschaft der Psychologie – Resilienz ist trainierbar. Sie gleicht einem Muskel, der trainiert und aufgebaut werden kann. Denn Widerstandskraft steckt in jedem und sie kann auch unter ungünstigen Lebensbedingungen entwickelt werden. Präventive Methoden unterstützen den Aufbau und die Stärkung der eigenen seelischen Widerstandskraft. „Pausen machen, gesunde Ernährung, Sport, ein soziales Netzwerk aufbauen“ zählen für Stefan Unterecker zu den Faktoren, welche die eigene Resilienz stärken können. Zudem ist es wichtig, „die Opferrolle zu verlassen“, verdeutlicht Roxane Sell. „Fühle ich mich als Opfer, macht sich Hilflosigkeit breit“, erklärt die Psychologin, und Hilflosigkeit schwächt das psychische Immunsystem. Um die Opferrolle zu verlassen und damit aus der Hilflosigkeit auszubrechen, ist es hilfreich, die Situation als solche zu akzeptieren und in den Bereichen aktiv zu werden, die selbst beeinflusst und gestaltet werden können. Achtsamkeit sich selbst gegenüber Bezogen auf die aktuelle Lage empfehlen die Psychologin und der Arzt, achtsam mit sich selbst umzugehen. „Wir können vieles, was im Äußeren geschieht, nur bedingt beeinflussen, aber wir können uns um uns selbst kümmern.“
Achtsamkeit gegenüber dem eigenen Körper, den Gedanken und Gefühlen ist eine Voraussetzung, um Stress wahrnehmen zu können und die richtigen Strategien zur Bewältigung einsetzen zu können. Ob eine Situation Stress auslöst, hängt von der subjektiven Bewertung ab. Werden die Anforderungen der äußeren Situation so eingeschätzt, dass sie die eigenen Bewältigungsmöglichkeiten übersteigen, entsteht Stress. Einfluss auf die Bewertung haben dabei im Besonderen das Selbstvertrauen, das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und das Selbstwertgefühl. Bestehen ungünstige Überlebensregeln, wie „Du musst perfekt sein“ oder „Du darfst keine Schwäche zeigen“, wird schneller Stress empfunden, erklärt Roxane Sell. „Es gibt Menschen, die sich nach außen cool und unberührt geben und sich den Stress, den sie unbewusst empfinden, nicht eingestehen“, führt Unter-zucker aus. Doch objektive Stressfaktoren, wie hoher Blutdruck oder hoher Cortisolspiegel zeigen an, dass der Körper Stress empfindet. Unruhiger Schlaf und andere subjektive Stressfaktoren signalisieren ein stressbehaftetes Erleben. „Wir dürfen uns eingestehen, dass wir Stress haben“, gibt der Leitende Oberarzt zu bedenken. Entscheidend ist, zu erkennen, ob und was der Einzelne an der jeweiligen Situation ändern kann. Manche Dinge kann man einfach nur aushalten. Hier ist die entscheidende Fähigkeit die Akzeptanz.
Eine weitere Empfehlung lautet: Maß halten beim Medienkonsum. Ein übermäßiger Nachrichten- und Informationskonsum schwächt das psychische Immunsystem. Statt ununterbrochen Nachrichten zu konsumieren, empfiehlt Unterecker, sich eine Auszeit zu gönnen, beispielsweise mit einem Spaziergang in der Natur. Ferner hilft ein stabiles soziales Netzwerk, die eigene Resilienz zu stärken, um so gegen Krisen gewappnet zu sein. www.ukw.de/psychiatrie
Text: Barbara Pittner, Fotos: Getty Images, Daniel Peter, Uniklinikum