Zeit ist Haut!
Die meisten Verletzungen durch Verbrühen oder Verbrennen erleiden Kinder bis zum Vorschulalter. Der Leiter der Kinderchirurgie Prof. Dr. Thomas Meyer erklärt im Interview, wie diese Kinder im Uniklinikum behandelt werden.
Zeit ist Haut!
Die meisten Verletzungen durch Verbrühen oder Verbrennen erleiden Kinder bis zum Vorschulalter. Der Leiter der Kinderchirurgie Prof. Dr. Thomas Meyer erklärt im Interview, wie diese Kinder im Uniklinikum behandelt werden.
Professor Thomas Meyer
Verbrüht oder verbrannt: Wie leiste ich Erste Hilfe? Entscheidend ist, das Feuer zu löschen bzw. die Hitzequelle auszuschalten. Danach sollten die entsprechenden Hautstellen mit handwarmem Wasser, am besten innerhalb der ersten halben Stunde und nicht länger als zehn Minuten, gekühlt werden. Eingebrannte Kleidung nicht entfernen. Ganz wichtig, bitte tragen Sie nichts auf die Verletzungen auf – keine Salben, keine Pflaster. Finger weg von Hausmitteln wie Öl, Mehl oder Zahnpasta. Für einen Transport lediglich locker eine sterile Kompresse auflegen. Wann sollte ich mein Kind in die Klinik bringen? Bei Verbrühungen oder Verbrennungen von Gesicht, Händen und Genitalen ist eine Vorstellung absolut notwendig. Sollte eine Blasenbildung auftreten (Verbrennung/Verbrühung Grad 2 a/b / 3 – siehe Kasten) ebenfalls. Wie therapieren Sie verbrühte oder verbrannte Kinder im Uniklinikum? Wir versuchen die Kinder möglichst kindgerecht zu versorgen. Das heißt, als erstes kümmern wir uns um eine ausreichende Schmerzmedikation. Danach machen wir uns ein Bild von der Schwere und dem Ausmaß. Anschließend reinigen wir die Wunde und tragen Blasen ab. Ist der Grad der Verbrühung oder Verbrennung nicht zu stark, sind weitere spezifische Therapien nicht notwendig.
Geht die Verletzung tiefer, legen wir einen Spezialverband an, der nicht direkt auf der Wunde klebt und somit ohne Schmerzen für das Kind regelmäßig gewechselt werden kann. Bei diesen Verletzungen kann auch eine Spalthauttransplantation notwendig werden. Dabei transplantieren wir in der Regel die benötigte Haut vom Kopf, weil dieser bei Kindern proportional größer ist und somit mehr Haut entnommen werden kann. Außerdem wachsen die Haare wieder nach und man sieht später die Entnahmestelle am Kopf nicht mehr. Um überschießendes Narbenwachstum möglichst zu vermeiden, behandeln wir die Kinder anschließend mit der Kompressionstherapie. Dazu setzen wir elastische, festsitzende Bandagen bzw. maßgefertigte Kompressionskleidung ein.
Brandnarben können die Beweglichkeit einschränken und optisch auffallen. Wie leisten Sie hier chirurgische Hilfe? Brandnarben können insbesondere im Bereich der Gelenke die Beweglichkeit einschränken. Vor allem aber fallen sie optisch auf. Daher die Kompressionstherapie. Uns werden aber auch immer wieder Kinder nach Brandverletzungen mit ausgeprägten Narben vorgestellt. Hier besteht die Möglichkeit der Narbenkorrektur, der Exzision, also des Herausschneidens, des überschüssigen Narbengewebes und einer Spalthautdeckung, also einer Hauttransplantation, mit nachfolgender Kompressionstherapie. Warum muss man bei Brüh- und Brandverletzungen schnell handeln? Weil sie im Kindesalter ein nicht zu unterschätzendes Trauma für den Körper darstellen. Da die Haut der Kinder deutlich dünner ist als die der Erwachsenen, kommt es leider häufig zu tiefen 2- und 3-gradigen Verbrühungen und Verbrennungen, die immer einer weiteren Therapie bedürfen. Ab wann spricht man von akuter Lebensgefahr? Bereits ab einer Ausdehnung von etwa 10 Prozent besteht bei Kleinkindern Lebensgefahr. Außerdem bei Verbrennungen durch Strom. In der Behandlung haben wir in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte gemacht. War bis vor einigen Jahren eine Verbrennung großen Ausmaßes der Haut ein Todesurteil für Kleinkinder, überleben diese Patienten heute in der Regel.
Text: Mario Landauer, Fotos: Getty Images, Uniklinikum