Mehr Schein als Sein
Nahrungsergänzungsmittel sind beliebt. Wirklich nötig sind sie aber nur in wenigen Fällen. Nebenwirkungen werden meist zu spät entdeckt, zum Beispiel schwere Leberschäden. Oberärztin Dr. Monika Rau mit den Fakten.
Mehr Schein als Sein
Nahrungsergänzungsmittel sind beliebt. Wirklich nötig sind sie aber nur in wenigen Fällen. Nebenwirkungen werden meist zu spät entdeckt, zum Beispiel schwere Leberschäden. Oberärztin Dr. Monika Rau mit den Fakten.
Privatdozentin Dr. Monika Rau
In deutschen Apotheken werden pro Jahr 2,7 Milliarden Euro mit Nahrungsergänzungsmitteln umgesetzt, Drogerien und Reformhäuser noch nicht mitgerechnet. Laut einer von den Verbraucherzentralen in Auftrag gegebenen, repräsentativen Bevölkerungsumfrage, hatte die Hälfte der 1001 Befragten angegeben, in den vergangenen sechs Monaten Nahrungsergänzungsmittel (NEM) gekauft zu haben. Das Problem Die Zahl der durch NEM verursachten Leberschäden macht aktuell ca. 20 Prozent der medikamentös-toxischen Leberschäden aus. Tendenz immer noch steigend. In den USA hat die Zahl der Patienten, die aufgrund von NEM eine Leber-Transplantation brauchen, seit 1995 um das Achtfache zugenommen. Vor allem pflanzliche Produkte wie Kräutermischungen und Muskelaufbaupräparate werden dafür verantwortlich gemacht. „Das ist ein weltweiter Trend“, so die Hepatologin (Leberspezialistin). Fakt 1: Kein Arzneimittel NEM sind keine Arzneimittel, obwohl sie oft so aufgemacht sind, sondern Lebensmittel. Als Lebensmittel unterliegen sie keiner Zulassungspflicht wie Arzneimittel. Sie werden also nicht von staatlicher Seite auf Sicherheit und Wirksamkeit geprüft. Die Privatdozentin: „Zulässige Inhaltsstoffe sind nur für Vitamine und Mineralstoffe rechtlich geregelt. Für Stoffe aus Pflanzen, Algen, Pilzen oder Flechten fehlen Festlegungen.“ Fakt 2: Keine Regelung und Erfassung Für Vitamine und Mineralstoffe gibt es keine Höchstmengenregelung. Neben- und Wechselwirkungen werden, im Unterschied zu Arzneimitteln, nicht systematisch erfasst. Fakt 3: Keine Vorbeugung Wenn keine relevanten Vorerkrankungen vorliegen und keine speziellen Diäten eingehalten werden müssen, lässt sich der normale Nährstoffbedarf in der Regel über eine ausgewogene Ernährung decken. Auch gibt es keine wissenschaftlich belegten Empfehlungen, um auf diese Weise Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs oder Demenz vorzubeugen. Fakt 4: Die drei Indikationen
- in der Schwangerschaft (Folsäure, Jod sowie gegebenenfalls Docosahexaensäure (DHA)
- Vitamin D bei über 65-jährigen Menschen, die mobilitätseingeschränkt, chronisch krank und pflegebedürftig sind
- Vitamin B12 sowie gegebenenfalls weitere kritische Nährstoffe bei sich vegan ernährenden Menschen
Was sind Nahrungsergänzungsmittel? Nahrungsergänzungsmittel (NEM) sind Konzentrate in oft hoher Dosierung aus Nährstoffen wie z. B. Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen oder Ballaststoffen, die auch in normalen Lebensmitteln vorkommen. Sie werden zum Beispiel als Tabletten, Kapseln, Pulver, Brausetabs oder Flüssigkeiten angeboten. Seriöse Informationen gibt es bei unabhängigen Informationsquellen wie dem Portal „Klartext Nahrungsergänzung“ der Verbraucherzentralen und dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR).
Text: Anke Faust, Fotos: Getty Images, Uniklinikum