Corona: Wie das Virus
mit Zellen interagiert
Wissenschaftler*innen aus Würzburg und den USA haben den ersten vollständigen Atlas der direkten Interaktionen zwischen dem Coronavirus und den von ihm befallenen Zellen erstellt. Dies eröffnet neue Wege der Behandlung.
18 Proteine der befallenen Zellen spielen während einer SARS-CoV-2-Infektion eine wichtige Rolle – zwei von ihnen sind besonders interessant. Über sie lässt sich die Vermehrung des Virus möglicherweise gezielt hemmen.
Zu den dringlichsten Aufgaben in der Corona-Foschung gehört es, ein detailliertes Verständnis der molekularen Interaktionen zwischen dem SARS-CoV-2-Virus und den von ihm befallenen Zellen zu erlangen. Geklärt werden muss auch die Frage, ob diese Interaktionen die Vermehrung des Virus begünstigen oder – im Gegenteil – Abwehrmechanismen aktivieren. Um sich zu vermehren, nutzt SARS-CoV-2 Proteine der Wirtszelle. Bislang gab es jedoch keine genauen Informationen, welcher Teil des menschlichen Proteoms – sprich: der Gesamtheit aller in menschlichen Zellen vorkommenden Proteine – im direkten Kontakt mit der viralen RNA steht. Publikation in Nature Microbiology Diese Wissenslücke konnte nun geschlossen werden. Wissenschaftler*innen des Helmholtz-Instituts für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) Würzburg, der Uni Würzburg und des Broad Institutes (Cambridge/USA) gelang es, den ersten globalen Atlas der direkten Interaktionen zwischen der SARS-CoV-2-RNA und dem Proteom des menschlichen Wirts zu erstellen. Darüber hinaus identifizieren die Autoren wichtige Regulatoren der viralen Replikation. Verantwortlich für die Studie waren Dr. Mathias Munschauer vom HIRI und Prof. Dr. Jochen Bodem vom Institut für Virologie und Immunbiologie der Uni Würzburg. Im Dezember 2020 stellten sie ihre Erkenntnisse in der Fachzeitschrift Nature Microbiology vor. Proteine, Schlüsselfaktoren und potenzielle Inhibitoren „Der Atlas bietet einzigartige Einsichten in SARS-CoV-2-Infektionen. Er ermöglicht die systematische Aufschlüsselung von zentralen Faktoren und Abwehrstrategien – eine entscheidende Voraussetzung für die Entwicklung neuer therapeutischer Strategien“, schildert Prof. Bodem. Insgesamt identifizierten die Wissenschaftler*innen 18 Wirtsproteine, die während einer SARS-CoV-2-Infektion eine wichtige Rolle spielen. Besonders interessant sind nach ihren Worten die beiden Faktoren CNBP und LARP1. Mit Hilfe genetischer Methoden identifizierten die Autoren die genauen Bindungsstellen dieser beiden Wirtsproteine im viralen Genom und zeigen, dass sie die Vermehrung des Virus gezielt hemmen können. Laut Dr. Munschauer ist die Charakterisierung von LARP1 als antiviralem Faktor eine entscheidende Erkenntnis: „Die Art und Weise, wie LARP1 an die virale RNA bindet, ist sehr interessant, denn sie ähnelt der Art, wie LARP1 bestimmte zelluläre Boten-RNAs reguliert, die wir bereits kennen. Das wiederum gibt Einblicke in mögliche Wirkmechanismen.“
Die Studie ermöglichte zudem die Identifikation von 20 niedermolekularen Inhibitoren von Wirtsproteinen, die SARS-CoV-2-RNA binden. Drei von vier getesteten Inhibitoren hemmen tatsächlich die virale Vermehrung in verschiedenen menschlichen Zelltypen. Dieses Ergebnis könnte neue Wege zur Behandlung von Infektionen mit SARS-CoV-2 und anderen RNA-Viren eröffnen.
Bild: Scigraphix / S. Westermann