Neue Chancen bei

Bauch­speichel­drüsenkrebs

Durch ein neues Behandlungskonzept kann auch Patienten mit lokal fortgeschrittenem Pankreaskarzinom eine Heilungschance eröffnet werden.

Beim Pankreaskarzinom gilt die komplette chirurgische Entfernung des Tumors als einzige Therapieoption mit Heilungsaussichten. Da die Krankheit in frühen Stadien kaum Symptome verursacht, ist das Karzinom bei der Erstdiagnose dafür ­allerdings häufig schon zu weit fortgeschritten. „Es kann daher sinnvoll sein, zunächst eine möglichst effektive medikamentöse Vorbehandlung in Form einer Chemotherapie anzuwenden, die den Tumor verkleinert, um ihn dann zu einem späteren Zeitpunkt doch noch chirurgisch entfernen zu können“, berichtet Prof. Dr. Volker Kunzmann. Der Leiter des Schwerpunkts Medizinische Onkologie an der Medizinischen Klinik II des UKW fährt fort: „Bislang war aber noch nicht klar, welche der zur Verfügung stehenden Chemotherapeutika – beziehungsweise welche Kombination aus diesen – die besten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Operation schafft.“

Um hier weiteres Wissen zu gewinnen, initiierte Prof. Kunzmann die NEOLAP-Studie. An dieser Phase II-Studie der Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie, die von November 2014 bis ­April 2018 dauerte, waren insgesamt 28 Krebszentren in Deutschland beteiligt. Die Ergebnisse wurden im Dezember 2020 in der Fachzeitschrift „The Lancet Gastroenterology & Hepatology“ veröffentlicht. Zwei Chemotherapie-Schemata im Vergleich Im Rahmen der von Prof. Kunzmann geleiteten Studie erhielten 165 Patienten mit unbehandeltem, nicht-operablem Pan­kreaskarzinom zunächst zwei Monate eine Chemotherapie-Kombination bestehend aus Gemcitabin und nab-Paclitaxel. Blieben Progress oder Unverträglichkeit aus, spaltete sich die weitere Behandlung randomisiert in zwei unterschiedliche Arme auf: Eine Patientengruppe erhielt zwei weitere Monate lang Gemcitabin und nab-Paclitaxel, die andere zwei Monate Folfirinox.

Anschließend wurden alle Patienten einer explorativen Laparatomie zugeführt – also einem chirurgischen Eröffnen der Bauchhöhle – mit dem Ziel, den Tumor komplett zu entfernen. „Die Operation von Pankreaskarzinomen gehört aufgrund der Lage des Organs und seiner Beziehung zu lebensnotwendigen Ge­fäßen zu den schwierigsten chirurgischen Eingriffen“, beschreibt Prof. Dr. Christoph Germer, Direktor der Chirurgischen Klinik I des UKW und Co-Autor der Studie.

Ob ein solcher Tumor entfernbar ist oder nicht, entschieden die Chirurgen bislang anhand von bildgebenden Verfahren. Die NEOLAP-Studie verfolgte ein hiervon abweichendes, neues Konzept: Es wurden erstmals systematisch auch Patienten operiert, die unter Umständen nur minimal auf die Chemotherapie angesprochen hatten und bei denen die Bildbefunde nach wie vor nicht für eine chirurgische Entfernung des Tumors sprachen. „Während der Operation zeigte sich, dass bei vielen dieser vorbehandelten Patienten der jeweilige Tumor soweit geschrumpft oder in Narbengewebe umgewandelt war, dass er sicher von den lebensnotwendigen Gefäßen gelöst und komplett entfernt werden konnte“, berichtet Prof. Germer. Kurativer Behandlungsansatz für rund ein Drittel der Patienten Im Arm der mit Gemcitabin und nab-Paclitaxel vorbehandelten Patienten war bei 36 Prozent der Patienten eine solche vollständige Resektion des Tumors möglich, im sequentiellen Folfirinox-Arm bei 44 Prozent. Bei den anderen Patienten wurde der Eingriff als inoperabel frühzeitig beendet. „Zusammenfassend bedeutet das, dass wir rund einem Drittel der Patienten mit lokal fortgeschrittenem Pankreaskarzinom eine kurative Behandlungsoption anbieten konnten, die ansonsten nur noch palliativ therapiert worden wären – ein bedeutender Fortschritt“, unterstreicht der Studien-Erstautor Kunzmann.

Die Chemotherapie-Schemata der beiden Arme zeigten bei der Wirksamkeit für die Vorbereitung der Operation keine signifikanten Unterschiede.

Welche Bedeutung die Studie für das Management von Pankreaskarzinom-Patienten in Deutschland und darüber hinaus hat, kann man unter anderem daran ablesen, dass das dahinterstehende Behandlungskonzept bereits in die neuen Leitlinien zur Behandlung dieser Erkrankung aufgenommen wurde.

Bilder: ingridat/Shotshop.com | Jonas Busch, TH Aschaffenburg

Bauchspeicheldrüse

im Eigenbau

Die Technische Hochschule Aschaffenburg untersuchte die ungewöhnliche Do-it-yourself-Szene unter Diabetiker*innen beim Bau und Einsatz von künstlichen Bauchspeicheldrüsen. Die Ergebnisse wurden in Kooperation mit dem UKW publiziert.

Steuereinheit des an der TH Aschaffenburg selbstgebauten Closed-Loop-Systems.

Bei Diabetes Mellitus, der Zuckerkrankheit, versiegt in der Bauchspeicheldrüse die Produktion von Insulin. Mit einer Reihe von medizintechnischen Hilfs­mitteln kann die Funktion des Organs weitgehend nachgebildet werden. Für eine kontinuierliche Glukosemessung wird dabei ein Klebesensor mit einer feinen Nadel ins Unterhautfett­gewebe eingestochen. Bei einer manuellen Lösung liest der Patient die dort gewonnenen Messdaten zum Blut­zuckerspiegel aus – häufig über eine Smartphone-App. Entsprechend stellt er eine kleine Pumpe ein, die bedarfsgerecht Insulin ins Unter­hautfettgewebe injiziert.

Als Weiterentwicklung dieser Methode gilt ein sogenanntes Closed-Loop-System, das den Insulinwert permanent misst und ohne Zutun des Patienten die Insulinzufuhr eigenständig steuert. Das erste kommerzielle Closed-Loop-System ist seit dem Jahr 2019 in Deutschland erhältlich. Technikaffine Community treibt die Industrie vor sich her Allerdings ist der Bau einer solchen künstlichen Bauchspeicheldrüse technisch schon deutlich länger möglich: Eine junge, technikaffine Gemeinde an Diabetiker*innen entwickelt und nutzt seit 2014 eine Software, die eine Kommunikation zwischen Pumpe und Sensor über einen zwischengeschalteten Computer­chip ermöglicht. „Es ist faszinierend, dass hier seit Jahren eine blühende Do-it-yourself-Community die Industrie quasi vor sich hertreibt“, sagt Prof. Dr. Holger K. von Jouanne-Diedrich, der an der Technischen Hochschule Aschaffenburg im Bereich Künstliche Intelligenz lehrt und forscht. Unter seiner Leitung wurde in einem Masterprojekt ein solches Do-it-yourself-System gebaut. Außerdem wurden über tausend Patient*innen befragt, um herauszufinden, welche Diabeteshilfsmittel sie einsetzen, welche Funktionen nötig ­wären, wer bereits eine künstliche Bauchspeicheldrüse verwendet und ob selbst­gebaute Systeme Vorteile haben. Von Seite des UKW unterstützten Dr. Anna Laura Herzog und Prof. Dr. Christoph Wanner das Vorhaben. Die Um­frage wurden im Dezember 2020 gemeinsam in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Plos One veröffentlicht. Mindestens 100 Eigenbau-Systeme im Einsatz Demnach würde die Hälfte der Um­frageteilnehmer*innen einem automatischen System am ehesten vertrauen. Mehr als 85 % wären bereit, ein kommerzielles System zu nutzen – der Zeitpunkt der Umfrage war kurz vor der ­Zulassung des ersten kommerziellen Systems. Über 100 Teilnehmer*innen setzen bereits ein selbstgebautes Closed-Loop-System ein. „Da diese Systeme wegen der fehlenden behördlichen Überwachung nicht von den Diabetes-Fachgesellschaften empfohlen werden, gab es bisher wenig medizinische Veröffentlichungen über die Verbreitung und Anwenderzufriedenheit in Deutschland. Durch die erfreulich hohe Umfrage­beteiligung war es uns erstmals möglich, einen guten Überblick über die aktuelle Nutzung in Deutschland zu erlangen“, resümiert Prof. von Jouanne-Diedrich.