Mit Hemi­bodies

das Multiple Myelom zielgenau bekämpfen

Der Einsatz von bestimmten Antigen-­Fragment-Paaren – sogenannten Hemi­bodies – hat das Potenzial, das Multiple Myelom effektiv und hochspezifisch zu bekämpfen. Eine aktuelle Publikation des UKW erläutert die Wirkungsweise und fasst den Entwicklungsstand der zukunftsträchtigen Immuntherapie zusammen.

Die linke Abbildung zeigt zwei Hemibodies (rot und gelb), die sich an die Krebszelle binden. In der rechten Abbildung sieht man, wie sich anschließend die beiden Hemibodies zusammenfügen, eine Immunzelle (T-Zelle) festhalten und hochpräzise aktivieren. Wenn die Immunzelle direkt an der Krebszelle aktiviert wird, kann sie die bösartige Zelle zerstören.

Eine der Hürden bei der Therapie des Multiplen Myeloms ist die Unterscheidung zwischen den Tumor- und den gesunden Zellen des Körpers. Diese „Unschärfe“ kann bei der Behandlung von Patienten, die an dieser bösartigen Krebserkrankung des Knochenmarks leiden, drastische Folgen haben: Es kann zu teils schweren, unter Umständen auch lebensbe­drohlichen Nebenwirkungen kommen. Fachartikel in Communications Biology Zur Lösung dieser Misere ­arbeitet seit dem Jahr 2010 ein Team um die Würzburger Mediziner Prof. Dr. Gernot Stuhler und Dr. Thomas Bumm an einer Therapie mit Hemibodies, einer speziellen Kombination von Antigen-Fragmenten. Im Januar 2021 erschien in der Fachzeitschrift Communications Biology ein Beitrag, in dem Expert*innen der von Prof. Dr. Hermann Einsele geleiteten Medizinischen Klinik II des Uniklinikums Würzburg die Funktions­weise von Hemibodies und die mit ihnen beim Multiplen Myelom bislang erreichten Erfolge darlegen. Präzision durch Paare von Antigen-Fragmenten Im wahrsten Sinne des Wortes Ansatzpunkte des Ver­fahrens sind die Antigene SLAMF7 und CD38. Diese kommen beide häufig auf der Oberfläche von Myelom-Zellen vor. Jedes dieser „Targets“ für sich alleine genommen ist allerdings nicht sonderlich spezifisch, sie finden sich auch auf der Oberfläche anderer Zellen des Körpers. In Kombination sind sie jedoch hochspezifisch für die Tumorzellen. Bei der Hemibody-Technologie wird für jedes dieser Zielmoleküle ein gentechnisch maßgeschneidertes Antikörper-Fragment injiziert. Sie binden jeweils am passenden Ziel-Antigen und finden sich anschließend zu einem Paar mit dann immunstimulierenden Eigenschaften zusammen. Das bedeutet, dass sie zusammen in der Lage sind, T-Zellen auf der Oberfläche der Tumor­zellen festzuhalten und zu aktivieren. Die Immunzellen können daraufhin die Krebszellen – und zwar nur diese – zerstören. Nebenwirkungen werden zuverlässig vermieden „Neben dem Beleg der Effizienz beim Kampf gegen die Myelom-Zellen konnten wir bislang im Reagenzglas und im Tiermodell beweisen, dass bei diesem Verfahren ungewollte Effekte, wie eine massive Zytokinfreisetzung und T-Zell-Brudermord-Reaktionen, zuverlässig vermieden werden können“, sagt Maria Geis, die Erstautorin der Publikation. Und Dr. Bumm ergänzt: „Unter dem Strich ist damit der Weg frei, Hemibodies zu einer effektiven und hochspezifischen Immuntherapie des Multiplen Myeloms weiterzuentwickeln.“

Lizenzpartner für Hemibody-Therapie gefunden

Der MorphoSys-Stammsitz in Planegg bei München. Bild: Morphosys

Um die Hemibodies auf den Markt und damit zu möglichst vielen Patient*innen zu bringen, gründeten Prof. Gernot Stuhler und Dr. Thomas Bumm im Jahr 2019 die Cherry Biolabs GmbH. Im November 2020 gaben das ­Unternehmen und die MorphoSys AG den Abschluss einer Lizenzvereinbarung bekannt. Die Vereinbarung räumt MorphoSys die Rechte ein, die Hemibody-Technologie für sechs exklusive Zielmoleküle zu nutzen. „Mit MorphoSys haben wir einen sehr starken und kompetenten Lizenzpartner gefunden, der das Potenzial dieses neuen Behandlungsansatzes nutzen will. Wir sind zuversichtlich, dass MorphoSys dieses innovative Konzept in die Klinik bringen und einen spürbaren Unterschied für Patientinnen und Patienten bewirken wird“, freute sich Prof. Stuhler bei der Bekanntgabe.

Die Entwicklung der Hemibody-Technologie wurde gefördert durch die GO-Bio-Gründungsoffensive, den Bayerischen m4-Award, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Medizinische Klinik II des UKW sowie den Würzburger Verein „Hilfe im Kampf gegen Krebs“.

Videostatements anlässlich des Weltkrebstages

Die Comprehensive Cancer Center (CCC) Allianz WERA veröffentlichte anlässlich des Weltkrebstages am 4. Februar 2021 Videoclips, in denen acht Experten des Centrums sowie ein Patientenvertreter ihre persönliche Sicht auf die „Per­spektiven der Krebsmedizin“ aufzeigen. WERA steht für die beteiligten Universitäten und Uni­linika in Würzburg, Erlangen, Regensburg und Augsburg. Die Comprehensive Cancer Center der vier Standorte arbeiten schon seit längerem in der Allianz CCC WERA zusammen. Diese wurde zudem im September 2020 in das Netzwerk der Nationalen Centren für Tumor­erkrankungen (NCT) aufgenommen. Die Aufgaben der vom Bundesforschungsministerium geförderten NCT sind die Versorgung von Tumorpatienten mit neuen Diagnostik- und Therapieverfahren sowie die schnellstmögliche Umsetzung von Forschungserkenntnissen in die klinische Praxis. Die Federführung des NCT WERA hat die Würz­burger Universitätsmedizin mit dem CCC Mainfranken. Die Videoclips sind auch weiterhin abrufbar unter www.ccc-wera.de