Mehr Energie für rote
Blutkörperchen
Mitapivat zeigte erstmals eine zielgerichtete, medikamentöse Therapie bei Pyruvatkinase-Mangel
Der Kinderarzt und Privatdozent Dr. Oliver Andres erforscht in der Kinderklinik und Poliklinik am Universitätsklinikum Würzburg Blutzellkrankheiten und hat die Studie ACTIVATE geleitet.
Unsere Patientinnen und Patienten haben geradezu dafür gebrannt, an der ACTIVATE-Studie teilzunehmen“, berichtet Privatdozent Dr. Oliver Andres, Oberarzt in der Kinderklinik und Poliklinik am UKW, Leiter der Studie in Würzburg und Koordinator für Deutschland. Das Leid mit einem Pyruvat-kinase-Mangel sei so groß, da greifen die Betroffenen zu jedem Strohhalm, der ihnen Unterstützung geben könnte. Und das Medikament Mitapivat hat das Potential dazu, wie die Auswertungen der Studie zeigen, die kürzlich im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurden. Defekt verkürzt Lebensdauer der Blutkörperchen Der Pyruvatkinase-Mangel ist ein angeborener Enzymdefekt. Durch eine Mutation im PKLR-Gen kommt es zu einer Störung im Energiestoffwechsel der roten Blutkörperchen, der sogenannten Erythrozyten. „Diese schwellen an, verändern ihre Struktur und können sich nicht mehr verformen, was jedoch wichtig für den Blutfluss in den kleinsten Gefäßen und die Sauerstoffabgabe an das Gewebe ist“, erklärt Oliver Andres. „Der Defekt, der sich schon im Neugeborenenalter oder sogar vor der Geburt zeigen kann, verkürzt zudem die Lebensdauer der roten Blutkörperchen; sie werden frühzeitig in der Milz abgebaut.“ Die Folgen sind Gelbsucht und Blutarmut, in der Fachsprache als hämolytische Anämie bezeichnet. Durch die Blutarmut wird der Körper alarmiert; er lagert hierdurch und durch die vielen therapeutisch nötigen Bluttransfusionen vermehrt Eisen ein, was die Organe belastet und zu Funktionsstörungen führt. Wirkstoff Mitapivat aktiviert das Enzym Pyruvatkinase Bei den Betroffenen vergrößert sich die Milz, es drohen Gallensteine, Osteoporose, Blutgerinnsel und andere Begleiterscheinungen, sie fühlen sich chronisch müde und wenig belastbar. Die einzige Behandlung bestand bislang aus Bluttransfusionen, Entfernung der Milz und aus Medikamenten, die das Zuviel an Eisen im Körper ausschleusen. Mitapivat könnte für viele Betroffene ein Durchbruch in der Behandlung sein. In der internationalen, randomisierten, doppelt verblindeten, placebo-kontrollierten Phase-III-Studie ACTIVATE zeigten die Patientinnen und Patienten, die ein halbes Jahr lang Mitapivat eingenommen haben, eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität im Vergleich zu denen, die ein Placebo erhielten. „Einige konnten wieder Fahrrad fahren oder sogar joggen“, schildert Oliver Andres die verbesserte Leistungsfähigkeit. „Mit Mitapivat haben wir erstmals einen Wirkstoff bei hämatologischen Erkrankungen, der dort ansetzt, wo das Problem liegt. Es bindet an das Enzym Pyruvatkinase und steigert seine Aktivität, damit in den roten Blutkörperchen mehr Energiebausteine zur Verfügung gestellt werden. Die krankheitsmodifizierende Therapie könnte auch wegweisend für andere Anämien wie die Sichelzellanämie oder Thalassämie sein. Energie sei das A und O für rote Blutkörperchen. Ob Mitapivat auch bei Kindern mit Pyruvatkinase-Mangel hilft das wird in einer folgenden Studie untersucht, die voraussichtlich Ende 2022 startet — wieder mit Würzburger Beteiligung.
Im Erythrozytenlabor des Universitätsklinikums Würzburg werden die Blutproben für die Messung der Enzymaktivität in roten Blutkörperchen vorbereitet