Dr. Leo Rasche (links) und Dr. rer. nat. Niels Weinhold haben gemeinsam an der University of Arkansas for Medical Sciences in Little Rock (USA) geforscht. Bild: privat

Wie verändern sich

Myelomzellen

durch die Therapie?

Internationales Autorenteam unter Führung von Wissenschaftlern aus Würzburg und Heidelberg hat zentrale Evolutions­mechanismen beim Multiplen Myelom entschlüsselt.

Welche Tumorzellen überleben eine Chemotherapie? Woher kommt das Rezidiv? Denn einen Rückfall müssen leider alle Betroffenen, die an einem Multiplen Myelom erkrankt sind, fürchten. Geheilt werden kann die Krebserkrankung des Knochenmarks, die jedes Jahr sechs bis acht von 100.000 Einwohnern betrifft, noch nicht. Mit einem besseren Verständnis der Evolution dieser entarteten Knochenmarkzellen könnten aber die Diagnose und Behandlung optimiert werden. Einen wertvollen Beitrag dazu haben nun Leo Rasche vom UKW und Niels Weinhold vom Universitätsklinikum Heidelberg mit ihren Arbeitsgruppen in ihrer neuesten Publikation im Fachjournal Nature Communications geleistet.

Fokale Läsionen sind die Hotspots der Tumor-Evolution Ihre Arbeit basiert auf Proben aus dem weltweit größten Myelom-Zentrum an der University of Arkansas for Medical Sciences in Little Rock (USA), wo beide Wissenschaftler mehrere Jahre lang gemeinsam geforscht haben. Die Forscher und ihre Teams haben 140 Proben analysiert, die in einem Zeitraum von bis zu 13 Jahren aus verschiedenen Skelettlokalisationen von 24 Myelom-Patientinnen und -Patienten gewonnen wurden. Dazu wurden zum Teil bildgebende Verfahren wie Magnetresonanztomografie (MRT) und Positronen-Emissions-Tomografie (PET) genutzt, um die Tumorherde, die so genannten fokalen Läsionen abzubilden.

Durch die Nutzung der bildgebenden Verfahren kamen die Wissenschaftler zur ersten wichtigsten Erkenntnis: Dass die entscheidenden Schritte der Tumor-Evolution oft in den Tumorherden ablaufen. Die Eigenschaften der Tumorzellen können sich jedoch nach jeder Therapie-Linie unterscheiden, sogar dann, wenn sich die Tumormasse während der Therapie nicht verändert hat.

Drei Muster nach Chemo Insgesamt haben die Forscher drei Muster der Tumor-Evolution entdeckt: Es gibt diejenigen, die in der klinischen Bildgebung zum Zeitpunkt der Erstdiagnose eine gleichmäßige Verteilung der Erkrankung im Knochenmark gezeigt und gut auf die Chemotherapie angesprochen haben. Status MRD-negativ: Minimale Resterkrankung (MRD) nicht vorhanden. Keine Tumorzelle auffindbar. Doch nach zehnjähriger Remission erfolgt ein Rückfall. Gefunden wurde nur ein einzelner Tumorklon. Das heißt, eine einzige resistente Zelle war jahrelang in einem Schlafzustand, wacht auf und führt zum Rezidiv. Auch wenn beim Rezidiv nicht dieselben Tumorzellen (Klone) gefunden wurden wie bei der Erstdiagnose der fokalen Läsion, der Verwandtschaftsgrad ist sehr eng.

Dann gibt es die Gruppe, die nicht so gut auf die Therapie angesprochen hat. Bei ihnen haben entweder mehrere Tumorzellen getrennt voneinander an verschiedenen Orten überlebt, oder verschiedene Klone haben an einer Stelle überlebt und miteinander gerungen. Leo Rasche sieht Parallelen zu den Corona-Viren Delta und Omikron: „Die fittere Variante setzt sich durch. Die evolutionsbiologischen Beobachtungen beim Myelom könnten auch für andere Forschungsbereiche von Bedeutung sein.“

Generell sei bei allen Behandlungen, auch nach vermeintlich erfolgreicher Therapie eine regelmäßige Untersuchung vonnöten. „Wir bitten unsere Patientinnen und Patienten auch in der Remission alle drei Monate zu uns, um eine Kontrolle im Blut durchzuführen und gegebenenfalls mittels MRT oder PET zu prüfen, ob es fokale Läsionen gibt“, schildert Leo Rasche. Unbehandelt versterben die Betroffenen in der Regel innerhalb eines Jahres. Die große Hoffnung liegt in den modernen Immuntherapien, dass man mit ihnen auch die letzte schlafende Zelle erwischt. Unterstützt wurden die Forschungsarbeiten von der Deutschen Krebshilfe über das Mildred-Scheel-Nachwuchszentrum, der Dietmar Hopp Stiftung sowie dem National Institute of General Medical Sciences of the National Institutes of Health.

Zusätzlich zu den üblichen Knochenmarkproben aus dem Becken wurden für die Analyse der Myelomzellen bildgebende Verfahren wie hier die Positronen-Emissions-Tomografie (PET) genutzt, um gezielt Proben aus den Tumorherden zu nehmen.