Schonende Reparatur mit dem Herzkatheter
Funktionieren die Herzklappen nicht mehr richtig, kann das schwere Folgen haben. Moderne Kathetereingriffe sind besonders für Patienten mit hohem Risiko eine Alternative zur Operation.
Dr. Peter Nordbeck
Das Herz ist eine Pumpe mit erstaunlicher Schlagkraft. Wesentlich für ihre Funktion sind auch die „Ventile“: vier Herzklappen, die sicherstellen, dass das Blut in die richtige Richtung fließt und Organe und Gewebe mit Sauerstoff versorgt werden. Mit jedem Herzschlag – etwa 100 000 Mal am Tag – öffnen und schließen sich die Klappen. Führt man sich vor Augen, dass unsere „Pumpe“ permanent läuft, ist es ganz schön erstaunlich, dass sie oft 80 Jahre und mehr wartungs- und reparaturfrei funktioniert. Kein menschengemachtes technisches Pendant wäre im Stande, das zu leisten.
Und doch kommt es vor, dass Herzklappen Probleme bereiten – sei es in Form von angeborenen Herzklappenfehlern oder als Verschleißerscheinung, die im Laufe des Lebens entsteht. Eine Zeit lang kann das Herz einen solchen Klappenfehler meist kompensieren. Doch irgendwann kommt es zu einer Pumpschwäche – also einer Herzinsuffizienz. Mit gravierenden Folgen. Zwei Klappen sind besonders anfällig Am häufigsten ist beim Menschen die Aortenklappe zwischen linker Herzkammer und Hauptschlagader betroffen. Durch Verkalkung und Entzündungsprozesse kommt es zu einer Verengung, einer sogenannten Aortenklappen-Stenose, die meist ältere Menschen betrifft. Am zweithäufigsten macht die Mitralklappe Probleme, die zwischen linkem Vorhof und linker Herzkammer sitzt. Wird sie undicht, spricht man von einer Mitralklappen-Insuffizienz.
Oft bleiben Herzklappenerkrankungen lange unbemerkt. Zeigen sich Symptome, sind diese unspezifisch und werden gerne auf das Alter geschoben. „Warnzeichen wie Luftnot bei Belastung, Leistungsminderung, Wassereinlagerungen oder Bewusstlosigkeit sollte man auf keinen Fall ignorieren, sondern ärztlich abklären lassen, um Komplikationen und bleibende Schäden am Herz zu vermeiden“, sagt PD Dr. med. Peter Nordbeck, leitender Oberarzt der Med. I. Denn oft sind Herzklappenfehler gut behandelbar.
Ab einem gewissen Schweregrad ist es meist unumgänglich, die defekte Herzklappe operativ zu reparieren oder auszutauschen. Andernfalls könnte sich eine lebensbedrohliche Herzinsuffizienz entwickeln. Viele Menschen fürchten sich vor einer Operation mit Eröffnung des Brustkorbs. Dabei gibt es heute sehr gute Behandlungsalternativen: Für einen großen Teil der Patienten kommt auch ein minimal-invasives Verfahren mit dem Herzkatheter infrage. TAVI: Kleiner Eingriff mit großer Wirkung Eines davon ist die TAVI (Transkatheter-Aortenklappen-Implantation): Hier wird die verengte Aortenklappe durch eine künstliche Herzklappe ersetzt, ohne dass der Brustkorb geöffnet werden muss. Stattdessen wird eine zusammengefaltete Ersatzklappe über einen nur ca. 1 cm großen Gefäßzugang in der Leiste in das Herz eingeführt. Die kranke Klappe wird nicht entfernt, sondern von der neuen Klappe in die Wand der Aorta hineingedrückt. Früher kam die TAVI nur zum Einsatz, wenn eine Operation zu riskant erschien. Heute ist der Eingriff bei Patienten mit hohem und mittlerem Operationsrisiko der Goldstandard. Grundsätzlich kommt sie für alle Patienten ab 75 Jahren infrage. Ob die TAVI auch für jüngere Patienten mit geringem Risiko die bessere Lösung gegenüber der herkömmlichen Operation sein könnte, wird derzeit erforscht: Da die Methode relativ neu ist, fehlen noch Langzeitstudien. Reparatur der Mitralklappe mit dem Mitral-Clip Ist die Mitralklappe hochgradig undicht, muss auch sie repariert oder durch eine künstliche Klappe ersetzt werden. Neben einem herzchirurgischen Eingriff gibt es auch hier herzkatheter-basierte Verfahren als Alternative. Im Unterschied zur Aortenklappe kommen meistens Reparaturverfahren zum Einsatz. Beim Mitral-Clipping schiebt man den Katheter über die Leistenvene ins Herz und setzt dort einen oder mehrere Clips zwischen die Segel der Mitralklappe, sodass diese wieder besser schließt. Dieser Eingriff ist vor allem für Patienten mit stark eingeschränkter Pumpfunktion und vergrößerter linker Herzkammer geeignet. Sie haben bei einem Mitral-Clip-Eingriff gegenüber der Operation ein vielfach geringeres Risiko, bei oftmals mindestens gleich guten Ergebnissen hinsichtlich der Funktionalität der Klappe.
Vorbereitung einer Herzklappe zur TAVI (Transkatheter-Aortenklappen-Implantation)
Neue Entwicklungen Ergänzend zu den schon länger verfügbaren Verfahren TAVI und Mitral-Clip konnten in jüngerer Zeit eine ganze Reihe neuer Kathetertechniken etabliert werden. So kann in bestimmten Fällen eine undichte Herzklappe auch durch Raffung des Klappenrings oder der Herzmuskulatur repariert werden. Das hat den Vorteil, dass die natürliche Herzklappe komplett erhalten bleibt. Auch Reparaturen der Pulmonal- und Trikuspidalklappe sind heute in spezialisierten Zentren wie dem UKW in vielen Fällen mittels Kathetereingriff gut und sicher möglich. Operation oder Herzkatheter? Ein Eingriff mit dem Herzkatheter ist weniger belastend und risikoreich. Oft ist keine Vollnarkose nötig. Auch im hohen Alter oder bei schweren Vorerkrankungen ist meist bereits wenige Tage nach dem Eingriff eine Entlassung nach Hause möglich. Das heißt aber nicht, dass er einer Operation generell vorzuziehen ist. Oft gibt es keine einfache Antwort auf die Frage, für wen welcher Eingriff besser geeignet ist. Sowohl die Art und Schwere des Herzklappenfehlers als auch das Alter spielen eine Rolle – aber auch weitere Aspekte wie etwa die Lebenserwartung oder weitere Erkrankungen.
In jedem Fall sollte die Therapieentscheidung im Team getroffen werden. Nordbeck: „Es ist wichtig, sich für eine solche Behandlung an ein Zentrum zu wenden, in dem versierte Kardiologen, Anästhesisten und Herzchirurgen gemeinsam ihre Expertise einbringen.“ Auch die Anwendung der verschiedenen Verfahren erfordert viel Erfahrung. Da bei Kathetertechniken auf den Einsatz der Herz-Lungenmaschine verzichtet wird, bleibt das Herz im Unterschied zur Operation ständig in Bewegung. Dies macht die Kathetereingriffe zwar zunächst noch komplexer. Gleichzeitig machen moderne Echtzeit-Bildgebungsverfahren eine exakte Visualisierung und Steuerung des Eingriffs möglich.
Die Herzbildgebung und ihr Einsatz bei Kathetereingriffen sind seit vielen Jahren einer der Forschungsschwerpunkte der Med. I. „Die enormen Fortschritte der letzten Jahre auf diesem Gebiet sind vielleicht die wichtigste Voraussetzung dafür, dass wir viele früher fatale Herzklappenerkrankungen inzwischen nicht nur exakt und rechtzeitig diagnostizieren, sondern auch gut und sicher behandeln können“, so Nordbeck. „Die langjährige breite Erfahrung des hochspezialisierten interdisziplinären Herzklappenteams am UKW erlaubt es uns, aus einer stetig wachsenden Zahl geeigneter Verfahren das für jeden Patienten individuell am besten geeignete auswählen zu können.“
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Text: Martina Häring, Fotos: Getty, Daniel Peter