Ein Leistenbruch ist meist harmlos – aber nicht immer
Für den Leistenbruch gibt es verschiedene OP-Verfahren. Chirurg Dr. Jörg Dörfer erklärt, was ein Kasten Bier damit zu tun hat.
Manche bemerken beim Duschen mit einem Blick auf den eigenen Bauch eine kleine Vorwölbung. Leistenbruch, in der Fachsprache als Leistenhernie bezeichnet, heißt es deshalb, weil so ein Durchbruch zwar überall an der Bauchwand auftreten kann, dies aber am häufigsten in der Leistengegend passiert. „Hier stülpt sich die innerste Schicht der Bauchdecke, das Bauchfell, sackartig durch die entstandene Lücke. In diesen Bruchsack können Organe oder Organteile, die im Bauchraum liegen, hineinrutschen“, erklärt Oberarzt Dr. Jörg Dörfer von der Chirurgie I der Uniklinik Würzburg. Es ist eine manchmal angeborene, oft jedoch im Laufe des Lebens entstandene Lücke in der Bauchwand. Männer sind davon wesentlich häufiger betroffen als Frauen. Wann muss operiert werden? Jeder bestätigte Leistenbruch sollte per se operiert werden, als Ausnahme gilt hier der Leistenbruch beim Mann, der keine Beschwerden bereitet. Hier kann bei statistisch geringerem Einklemmungsrisiko auch ein beobachtendes Vorgehen erfolgen. Kommt es beim Leistenbruch zu stärkeren Schmerzen, dann kann es sein, dass die Blutzufuhr des im Bruchsack befindlichen Organteils – das kann beim Mann auch ein Hoden sein – unterbrochen ist und die betreffenden Abschnitte ohne Gefäßversorgung absterben. In diesen seltenen Fällen besteht sogar Lebensgefahr, und zwar, wenn eine Darmschlinge in der Bruchlücke eingeklemmt, die Blutzufuhr unterbrochen wird und der Darm deshalb abstirbt. In diesem Fall muss sofort operiert werden. Im Normalfall, wenn kaum Schmerzen vorhanden sind, sollte man seinen Hausarzt zu Rate ziehen. Dieser stellt erst einmal fest, ob es sich bei der Vorwölbung tatsächlich um einen Leistenbruch handelt. Wenn ja und wenn Beschwerden auftreten, dann muss in der Regel operiert werden. In Deutschland werden pro Jahr knapp 300.000 Leistenbruchoperationen durchgeführt. Warum bekommt man einen Leistenbruch? Prinzipiell hat ein Leistenbruch zwei Ursachen, die auch kombiniert auftreten können: Druckerhöhung im Bauchraum und die Schwächung des Bindegewebes. Druck auf den Bauchraum entsteht bei chronischen Atemwegserkrankungen mit häufigem Husten, bei bestimmten körperlichen Belastungen wie das Heben schwerer Lasten, aber auch bei zu starkem Pressen aufgrund chronischer Verstopfung, Harnblasenproblemen oder Bauchwassersucht.
Bindegewebsschwäche als Grund kann sowohl angeboren als auch erworben sein, nimmt aber mit höherem Lebensalter zu und kann auch eine Folge von Rauchen oder chronischem Untergewicht sein. Sind im engeren Familienkreis bereits Leistenhernien aufgetreten, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, selbst daran zu erkranken. Wie wird operiert? Bei der operativen Versorgung von Leistenbrüchen werden prinzipiell zwei Gruppen unterschieden, wie Dr. Dörfer sagt: „Einerseits operieren wir über einen kleinen Schnitt über der Leistenregion (offene Methode) oder minimalinvasiv, also mit der sogenannten Schlüssellochmethode. Andererseits gibt es OP-Verfahren, bei denen wir mit oder ohne Einlegen eines Netzes arbeiten. Standardmäßig operieren wir ein- oder beidseitige Leistenhernien minimalinvasiv mit Netzimplantaten. „Dabei wird ein Kunststoffnetz im hinteren Teil der Bauchdecke eingelegt, das die Bruchpforten weit abdeckt. Zusätzlich kann der Chirurg dieses Netz mit speziellen Klebstoffen fixieren.“ Tackern, Klammern oder Nähte vermeiden wir, weil das Risiko, chronische Schmerzen zu entwickeln, dabei enorm steigt“, so Dr. Dörfer. Die Operation dauert zwischen 30 und 60 Minuten und wird in Vollnarkose durchgeführt. Bereits in den ersten Tagen nach der Operation sollte der Patient weitgehend beschwerdefrei sein. Nach der Operation: schonen oder normal belasten? „Nach einer OP mit einem Netzimplantat muss man sich nicht lange einschränken. Wenn der Wundschmerz abgeklungen ist, können die Patienten zügig wieder vollbelasten“, wie Dr. Dörfer betont.
Wurde bei der Operation kein Netz eingesetzt, dann sollte man Belastungen für eine Dauer von sechs bis zehn Wochen vermeiden: „Als Faustregel gilt, alles was schwerer ist als ein Kasten Bier, darf in dieser Zeit nicht getragen werden.“ Doch auch wer künftig darauf achtet, sich weniger zu belasten, kann erneut einen Leistenbruch erleiden – nach beiden Operationsverfahren, ob mit Netz oder ohne. Das liegt laut Studien daran, dass die höchsten Drucksteigerungen im Bauchraum nicht durch Tragen schwerer Lasten verursacht werden, sondern durch Husten, Niesen oder Pressen beim Stuhlgang. Und so lautet die Empfehlung an alle Patienten nach der Operation und einer Erholungsphase: einfach dem normalen Alltagsablauf nachgehen.
Dr. Jörg Dörfer
Text: Jörg Fuchs, Fotos: Uniklinik