Jeden Monat ausgeknockt
Rund zehn Prozent der Frauen sind von Endometriose betroffen. Sie leiden jeden Monat unter extremen Periodenschmerzen. Doch die meisten wissen gar nicht warum. Dr. Anastasia Altides von der Uni-Frauenklinik möchte das ändern.
Seit 2015 hat die Uni-Frauenklinik mit dem Endometriosezentrum eine Anlaufstelle für Frauen, die an der schwer zu diagnostizierenden Erkrankung leiden. „Über 200 Endometriose-Patientinnen kommen jedes Jahr zu uns“, sagt Dr. Anastasia Altides, die das zertifizierte Zentrum seit zwei Jahren leitet. Teilweise stellen sich 16-Jährige vor, die unter extremen Schmerzen vor oder während der Menstruation leiden: „Aber auch ältere Frauen mit jahrelanger Schmerzgeschichte wenden sich an uns.“
Dreimal im Monat werden Sprechstunden angeboten. Es kommen Frauen, bei denen erst mal nur der Verdacht besteht. Oder schwer betroffene Frauen. Sie alle leiden charakteristischerweise vor der Menstruation unter sehr starken Schmerzen. Auch die Periode wird als extrem schmerzhaft erlebt. Was die Lebensqualität erheblich beeinträchtigt. „Trotz Schmerzmittel ist es oft nicht möglich, zur Arbeit zu gehen, Sport zu treiben oder überhaupt, den Alltag zu bewältigen“, schildert Altides. Den Frauen bliebe Monat für Monat nichts anderes übrig, als sich, völlig k. o., mit der Wärmflasche auf die Couch zu legen. Und zu warten, dass die Schmerzen vergehen.
Den Frauen bleibt Monat für Monat nichts anderes übrig, als sich, völlig k. o., mit der Wärmflasche auf die Couch zu legen und zu warten, dass die Schmerzen vergehen.
Ursachensuche schwierig Die medizinische Ursachenforschung gestaltet sich als sehr schwierig. „Bis heute ist keine eindeutige Ursache dafür bekannt, warum sich gebärmutterschleimhautähnliches Gewebe außerhalb der Gebärmutter ansiedelt“, sagt Altides. Es gebe eine ganze Reihe von Theorien. Und an jeder könne etwas dran sein. So könnte die Endometriose auf pluripotente Stammzellen zurückgehen. Diese Zellen haben die Fähigkeit, sich in andere Zelltypen umzuwandeln: „Warum auch immer, wollen sie plötzlich keine Schleimhautzelle vom Bauchfell mehr sein, sondern eine Zelle der Gebärmutterschleimhaut.“ Diese Zellen bauten sich auch außerhalb der Schleimhaut zyklisch auf und bluten zyklisch ab, so die Oberärztin. Eben dieses Blut an Körperstellen, wo es nicht hingehört, führt zu Entzündungen und damit zu Schmerzen.
Mancher Fall ist sehr verwickelt und nur für Experten aufzudröseln. Denn Endometriose, so Altides, ist nicht gleich Endometriose. Eine spezielle Form ist zum Beispiel die Endometriose der Gebärmuttermuskelwand. Zysten und Entzündungen können sich auch an Eierstöcken, am Darm oder Bauchfell ansiedeln. Auch kommen Herde zwischen Gebärmutter und Enddarm vor. „Das Verrückte ist, dass ausgeprägte Formen fast schmerzlos sein können, während schwach betroffene Frauen unter starken Schmerzen leiden“, berichtet die Ärztin. Weil Endometriose so vielgestaltig aufritt, wird sie als „Chamäleon“ unter den gynäkologischen Krankheiten bezeichnet. Kinderwunsch nicht aufgeben Eine Endometriose zu diagnostizieren, ist daher in vielen Fällen ganz und gar nicht banal. Oft gelingt dies nur durch eine Bauchspiegelung. Bei der Laparoskopie, also einer Bauchspiegelung, können auch schon Endometrioseherde entfernt werden. Die beiden wichtigsten Therapien bei Endometriose sind, Anastasia Altides zufolge, der chirurgische Eingriff sowie die hormonelle Behandlung. „Außerdem versuchen wir nächstes Jahr auch komplementäre Therapien wie Akupunktur in unser Zentrum zu integrieren.“
Um den Frauen umfassend zu helfen, kooperiert das Endometriosezentrum mit der Chirurgie, der Urologie, dem Schmerzzentrum der Uniklinik, der psychotherapeutischen Hochschulambulanz und dem Kinderwunschzentrum. Kinder zu bekommen, ist ein großer Wunsch der meisten Frauen, die sich an das Endometriosezentrum wenden. „Wir sehen immer mehr junge Frauen, die große Angst haben, dass sie deshalb nicht schwanger werden könnten“, beobachtet die Frauenheilkundlerin. Grundsätzlich sei trotz Erkrankung aber eine spontane Schwangerschaft möglich.
Über 200 Endometriose-Patientinnen kommen jedes Jahr zu Dr. Anastasia Altides, die das zertifizierte Zentrum seit zwei Jahren leitet.
Frauenärzte sensibilisieren Es ist eben die Tatsache, dass es so viele verschiedene Symptome gibt, warum die Krankheit bei Routine-Untersuchungen in der Praxis des Frauenarztes oft nicht entdeckt wird.
Hilfe von Experten ist von unschätzbarem Wert bei einer derart komplizierten Erkrankung, die sehr weit verbreitet ist. „Etwa jede zehnte Frau ist von einer Endometriose betroffen“, sagt Altides. Der Leidensdruck sei oft enorm hoch. Groß ist vor allem die Gefahr, dass die Patientinnen aufgrund jahrelanger Schmerzen psychische Probleme bekommen. Um den Frauen zu helfen, hat sich die Würzburger Ärztin der Sensibilisierungsarbeit verschrieben: Immer wieder macht sie in Vorträgen auf das Krankheitsbild aufmerksam.
Breiteres Wissen wäre eine elementare Voraussetzung dafür, dass es schneller zur Diagnose und damit zur Therapie kommt: „Im Moment dauert es im Durchschnitt noch sieben Jahre von den ersten Symptomen bis zur Feststellung der Krankheit.“ Diese lange Zeit müsse endlich verkürzt werden. Altides hofft, dass sich künftig noch mehr niedergelassene Frauenärzte intensiver mit Endometriose beschäftigen.
Die gelbe Schleife gilt als Symbol u. a. für die chronische Erkrankung Endometriose: Sie soll Verbundenheit mit Betroffenen ausdrücken und aufmerksam machen.
Text: Pat Christ, Fotos: Getty, Uniklinik