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Krebsforschung im Verbund
Mit dem NCT WERA bündelt ein neuer Verbund die patientenorientierte Krebsforschung in Bayern. Die Onkologie der Würzburger Universitätsmedizin ist darüber hinaus in weitere überregionale Zentrumsstrukturen eingebunden.
Bayern erhält erstmals einen eigenen Standort für das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) des Deutschen Krebsforschungszentrums (siehe Kasten). Anfang Februar dieses Jahres verkündete das Bundesforschungsministerium den Verbund der vier Uniklinika-Standorte Würzburg, Erlangen, Regensburg und Augsburg, kurz WERA, als offiziellen NCT-Standort.
Koordiniert wird das NCT WERA von der Würzburger Universitätsmedizin. Als Sprecher des Zentrums fungiert Prof. Hermann Einsele. Der Direktor der Medizinischen Klinik II des UKW erläutert: „Das Ziel des NCT ist es, die Krebsforschung patientenzentriert weiter auszubauen und so zukünftig mehr Krebskranken in Deutschland den Zugang zu innovativen Methoden in Diagnostik und Therapie zu ermöglichen. Auch die schnelle Entwicklung neuer Krebsmedikamente und die Personalisierte Medizin sollen weiter gestärkt werden.“
Ausgewählt wurden die vier WERA-Partner nach seinen Worten hauptsächlich aufgrund ihrer internationalen Sichtbarkeit. Zum einem im Bereich der Immuntherapien – hier vor allem bei den T-Zell-basierten Therapien. So wurden in Würzburg die ersten Therapien in Deutschland mit CAR-T- und bispezifischen Antikörpern (Prof. Michael Hudecek, Prof. Hermann Einsele, Prof. Ralf Bargou, Dr. Maria-Elisabeth Goebeler, Prof. Max Topp) durchgeführt. Zum anderen besteht im WERA-Verbund eine besondere Expertise bei neuen zielgerichteten Behandlungsansätzen, die das natürliche Protein-Abbausystem der Zellen für ihre Funktion nutzen – Stichwort „PROTACs“ (Prof. Martin Eilers, Prof. Elmar Wolf).
„Das Ziel des NCT ist es, die Krebsforschung patientenzentriert weiter auszubauen und so zukünftig mehr Krebskranken in Deutschland den Zugang zu innovativen Methoden in Diagnostik und Therapie zu ermöglichen.“
Prof. Hermann Einsele
„Mit dem Start des NCT WERA sind neu einzurichtende Professuren, neue Nachwuchsforschungsgruppen sowie eine deutliche Erweiterung und Verbesserung der Studieninfrastruktur verbunden“, freut sich der Krebsexperte Einsele und fährt fort: „So werden wir sehr viel mehr frühe klinische Studien initiieren und für sehr viele Krebserkrankungen neue Behandlungsoptionen anbieten können. Letztendlich können wir Innovationen zukünftig viel schneller voranbringen und in die Patientenversorgung vor Ort integrieren.“
Über das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen
Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) ist eine langfristig angelegte Kooperation zwischen dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), exzellenten Partnern in der Universitätsmedizin und weiteren herausragenden Forschungseinrichtungen an verschiedenen Standorten in Deutschland. Heidelberg bildet seit dem Jahr 2004 den ersten Standort des NCT, Dresden kam im Jahr 2015 als zweiter Standort dazu. Als Teil der Nationalen Dekade gegen Krebs, die Anfang 2019 durch das Bundesforschungsministerium ausgerufen wurde, wurde das NCT jetzt bundesweit um vier neue Standorte erweitert. Einer dieser neuen Standorte ist das NCT WERA, das von einem mehrköpfigen geschäftsführenden Direktorium (Sprecher: Prof. Hermann Einsele) geleitet wird. Das Konzept des Nationalen Zentrums für Tumorerkrankungen ist es, die besten Zentren im Bereich der onkologischen Forschung und Behandlung in Deutschland zusammenzufassen, um so ein weltweit anerkanntes Spitzenzentrum für die Diagnostik und Therapie von Krebspatienten zu schaffen. Schwerpunkt ist vor allem die Studienaktivität, das heißt das rasche Übertragen von Erkenntnissen der Grundlagenwissenschaft in neue Behandlungsangebote. Die obenstehende Grafik gibt einen Überblick über alle aktuell existierenden NCT-Standorte.
Große Freude in der Universitätsmedizin Würzburg über die offizielle Ernennung zum NCT WERA (von links): Dr. Maria-Elisabeth Goebeler (Leiterin der Early Clinical Trial Unit am CCC Mainfranken), Prof. Ralf Bargou (Direktor des CCC Mainfranken), Prof. Hermann Einsele (Sprecher des NCT WERA), Prof. Jens Maschmann (Ärztlicher Direktor des UKW), Prof. Matthias Frosch (Dekan der Medizinischen Fakultät der Uni Würzburg), PD Dr. Sophia Danhof (Nachwuchsstudienärztin) und Prof. Matthias Goebeler (Direktor der Hautklinik).
Der Versorgungsbereich der vier WERA-Partner umfasst rund acht Millionen Menschen in einem überwiegend ländlich geprägten Raum – auch dies eine Besonderheit des neuen NCT. Das Bundesforschungsministerium wird das Zentrum jährlich mit 14,5 Millionen Euro fördern, wobei ein Teil der Förderung direkt durch den Freistaat Bayern erfolgt.
Die CCC Allianz WERA Zudem besteht eine thematisch noch weitergreifende Kooperation in der Krebsmedizin. So schlossen sich im Jahr 2020 die Comprehensive Cancer Center in Würzburg (CCC Mainfranken, siehe Kasten), Erlangen, Regensburg und Augsburg zur CCC Allianz WERA zusammen. Neben der translationalen Forschung und der Durchführung klinischer Studien verfolgen sie gemeinsam folgende Schwerpunkte: ▶ Personalisierte Onkologie ▶ multidisziplinäre Patientenversorgung inklusive Psychoonkologie und Palliativonkologie ▶ Patientenbeteiligung und Community-Service ▶ Vernetzung der Partner in der Region ▶ Versorgungsforschung ▶ IT und Tumordokumentation ▶ Fort- und Weiterbildung
Im Sommer 2022 zeichnete die Deutsche Krebshilfe die Allianz als „Onkologisches Spitzenzentrum“ aus. Damit verbunden ist eine Förderung von 6,2 Millionen Euro über vier Jahre bis zum Jahr 2026. Für die Auszeichnung als Onkologisches Spitzenzentrum müssen verschiedene Anforderungen erfüllt werden. Dazu zählen beispielsweise multidisziplinäre Strukturen in der Patientenversorgung und die Personalisierte Onkologie. Unter Letzerem versteht man eine molekulare Tumordiagnostik und darauf basierende individuelle Therapien.
Wesentlich ist auch die Anzahl von Krebskranken in klinischen Studien. Unter dem Dach der Allianz CCC WERA werden aktuell pro Jahr rund 10.000 Patientinnen und Paienten mit allen Arten von Tumorerkrankungen neu in klinische Studien eingebunden.
Ferner ist die Förderung mit der Auflage verbunden, Patientenvertreterinnen und -vertreter an den Gremien und Prozessen der CCCs und ihrer Allianz zu beteiligen. Ihre Aufgabe ist es, bei der Konzeption der Versorgung und Forschung mitzuarbeiten und diese kritisch zu begleiten. Dies wurde durch entsprechende Patientenbeiräte realisiert. Das geschäftsführende Direktorium der Allianz setzt sich aus den CCC-Direktoren der vier Standorte zusammen. Der aktuelle Sprecher ist Prof. Ralf Bargou vom CCC Mainfranken.
Das Bayerische Zentrum für Krebsforschung Neben dem NCT WERA und der CCC Allianz WERA sind die Universitätsstandorte Augsburg, Erlangen Regenburg und Würzburg jeder für sich auch Teil des Bayerischen Zentrums für Krebsforschung (BZKF). Der im November 2019 gemeinsam mit den beiden Münchner Universitäten gegründete Zusammenschluss bündelt die Kräfte aller Partner, um noch schneller und effizienter Forschungsergebnisse zu erzielen sowie die onkologische Prävention, Diagnose und Therapie weiter zu optimieren. Das vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst geförderte Zentrum bringt unter anderem folgende Vorteile und Verbesserungen mit sich:
▶ Die jeweils vorhandene Expertise kann über das Netzwerk von allen Standorten genutzt werden. So werden Mehrfachentwicklungen vermieden.
▶ Über einheitliche Grundstrukturen – insbesondere im IT-Bereich – können sich Forschungsgruppen vernetzen und standortübergreifend sowie interdisziplinär arbeiten. ▶ Im Juli 2020 ging ein Bürgertelefon an den Start, das Patientinnen und Patienten, deren Angehörige und alle interessierten Bürgerinnen und Bürger kostenfrei und wissenschaftlich fundiert informiert. Individuelle Fragen und Probleme werden direkt an die einzelnen, spezialisierten Zentrumsstandorte vermittelt.
Über das Comprehensive Cancer Center Mainfranken
Das CCC Mainfranken (MF) ist eine gemeinsame Einrichtung des Uniklinikums und der Universität Würzburg. Das seit dem Jahr 2008 bestehende Zentrumsnetzwerk umfasst aktuell 36 regionale Partner: Krankenhäuser, niedergelassene Fachärztinnen und -ärzte, Reha-Einrichtungen und Medizinische Versorgungszentren. Zusammen sorgen sie in der in weiten Teilen ländlich geprägten Region Mainfranken für eine flächendeckende Versorgungs- und Studieninfrastruktur. Dadurch erhalten Krebspatientinnen und -patienten Zugang zu moderner Diagnostik und innovativen Therapien.
Unterstrichen wird die Leistungsfähigkeit des von einem mehrköpfigen Vorstand (Direktor: Prof. Ralf Bargou) geleiteten Zentrums unter anderem dadurch, dass es von der Deutschen Krebshilfe schon seit dem Jahr 2011 kontinuierlich als Onkologisches Spitzenzentrum eingestuft und gefördert wird.
Als eine der ersten Einrichtungen in Deutschland betreibt das CCC MF seit dem Jahr 2007 eine Early Clinical Trial Unit (ECTU). Die interdisziplinäre klinische Einheit konzentriert sich ausschließlich auf die Durchführung neuer und experimenteller Therapieansätze bei onkologischen Patientinnen und Patienten.
An der Schwelle zwischen Forschung und Behandlung arbeitet das Zentrum für Personalisierte Onkologie. Dort kooperieren Expertinnen und Experten für molekulare Diagnostik, Bioinformatik, Genetik und klinische Studien mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten, um individuell zugeschnittene Therapieoptionen zu identifizieren.
In der Forschung erreicht das CCC MF in vielen Feldern nationales und internationales Spitzenniveau. Besonders hoch ist die Sichtbarkeit derzeit bei der Immunonkologie.
Koordiniert wird das BZKF durch eine Geschäftsstelle am Uniklinikum Erlangen. Zu den Strukturen des Zentrums zählen themenspezifische Arbeitsgruppen und standortübergreifende Netzwerke. So leitet beispielsweise Prof. Bargou vom CCC Mainfranken das BZKF-weite Netzwerk der „Interdisziplinären Einheiten für frühe klinische Studien“ (ECTUs). Weitere Strukturen – ebenfalls vielfach mit maßgeblicher Beteiligung der Würzburger Universitätsmedizin – sind die als Leuchttürme bezeichneten Schwerpunktentwicklungen, wie zum Beispiel Theranostics (Prof. Andreas Buck) und Immuntherapie (Prof. Michael Hudecek, Prof. Hermann Einsele). Hinzukommen Studiengruppen, die von Würzburger Forschern mitentwickelt werden: Gastrointestinale Tumore (Prof. Armin Wiegering, Prof. Volker Kunzmann, Prof. Christoph-Thomas Germer), Kopf-Hals-Tumore (Prof. Urs Müller-Richter, Prof. Alexander Kübler, Prof. Rudolf Hagen), Dermatologische Tumore (Prof. Matthias Goebeler, Prof. Bastian Schilling), Gynäkologische Tumore (Prof. Achim Wöckel) und Urologische Tumore (Prof. Hubert Kübler).
Im Februar dieses Jahres erhielt der 100. Patient am UKW eine CAR-T-Zell-Therapie. Das Bild zeigt ferner Pfleger Dominik Medler (Mitte) und Prof. Dr. Max Topp, den Leiter des CAR-T-Zell-Programms am UKW.
Chancen und Herausforderungen Laut den beteiligten Expertinnen und Experten der Würzburger Universitätsmedizin sorgte die standortübergreifende Krebsforschung in den genannten Zusammenschlüssen in den letzten Monaten und Jahren für eine extrem hohe Dynamik – gerade auch zum Wohle der Patientinnen und Patienten. „Durch die verschiedenen Verbunde laufen so viele Studien, dass wir praktisch jedem passenden Patienten ein entsprechendes Therapieangebot machen können“, sagt Prof. Einsele. Zudem können sich nach seinen Worten die diversen Initiativen ergänzen und gemeinsam Synergien besser ausgeschöpft werden. Hilfreich sei ferner das durch die Verbunde breite Spektrum an Finanzierungsmöglichkeiten.
„Zu den Herausforderungen gehört es, parallele Arbeiten zu vermeiden“, erläutert Prof. Bargou und fährt fort: „Außerdem müssen wir auch IT-seitig die Vernetzung gut hinbekommen, zum Beispiel mit dem Aufbau von vollkommen kompatiblen Datenbanken oder auch ganz banal durch die personelle Besetzung der bewilligten EDV-Stellen im derzeit engen Arbeitskräftemarkt.“
Illustrationen: SMI Design-Service und mast3r, Alex/stock.adobe.com
Koordiniert wird das BZKF durch eine Geschäftsstelle am Uniklinikum Erlangen. Zu den Strukturen des Zentrums zählen themenspezifische Arbeitsgruppen und standortübergreifende Netzwerke. So leitet beispielsweise Prof. Bargou vom CCC Mainfranken das BZKF-weite Netzwerk der „Interdisziplinären Einheiten für frühe klinische Studien“ (ECTUs). Weitere Strukturen – ebenfalls vielfach mit maßgeblicher Beteiligung der Würzburger Universitätsmedizin – sind die als Leuchttürme bezeichneten Schwerpunktentwicklungen, wie zum Beispiel Theranostics (Prof. Andreas Buck) und Immuntherapie (Prof. Michael Hudecek, Prof. Hermann Einsele). Hinzukommen Studiengruppen, die von Würzburger Forschern mitentwickelt werden: Gastrointestinale Tumore (Prof. Armin Wiegering, Prof. Volker Kunzmann, Prof. Christoph-Thomas Germer), Kopf-Hals-Tumore (Prof. Urs Müller-Richter, Prof. Alexander Kübler, Prof. Rudolf Hagen), Dermatologische Tumore (Prof. Matthias Goebeler, Prof. Bastian Schilling), Gynäkologische Tumore (Prof. Achim Wöckel) und Urologische Tumore (Prof. Hubert Kübler).
Im Februar dieses Jahres erhielt der 100. Patient am UKW eine CAR-T-Zell-Therapie. Das Bild zeigt ferner Pfleger Dominik Medler (Mitte) und Prof. Dr. Max Topp, den Leiter des CAR-T-Zell-Programms am UKW.
Chancen und Herausforderungen Laut den beteiligten Expertinnen und Experten der Würzburger Universitätsmedizin sorgte die standortübergreifende Krebsforschung in den genannten Zusammenschlüssen in den letzten Monaten und Jahren für eine extrem hohe Dynamik – gerade auch zum Wohle der Patientinnen und Patienten. „Durch die verschiedenen Verbunde laufen so viele Studien, dass wir praktisch jedem passenden Patienten ein entsprechendes Therapieangebot machen können“, sagt Prof. Einsele. Zudem können sich nach seinen Worten die diversen Initiativen ergänzen und gemeinsam Synergien besser ausgeschöpft werden. Hilfreich sei ferner das durch die Verbunde breite Spektrum an Finanzierungsmöglichkeiten.
„Zu den Herausforderungen gehört es, parallele Arbeiten zu vermeiden“, erläutert Prof. Bargou und fährt fort: „Außerdem müssen wir auch IT-seitig die Vernetzung gut hinbekommen, zum Beispiel mit dem Aufbau von vollkommen kompatiblen Datenbanken oder auch ganz banal durch die personelle Besetzung der bewilligten EDV-Stellen im derzeit engen Arbeitskräftemarkt.“
Illustrationen: SMI Design-Service und mast3r, Alex/stock.adobe.com