Ein Vlies, das
Chemotherapeutika direkt im Hirn freisetzt
Ein Team der Neurochirurgie am Uniklinikum Würzburg entwickelt gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Silicatforschung (ISC) ein neuartiges innovatives Verfahren zur lokalen Chemotherapie von Glioblastomen. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 1,6 Millionen Euro gefördert.
Das Team der Neurochirurgie am Uniklinikum Würzburg valididert das Drug Delivery System GlioGel an in vitro und ex vivo-Modellen auf Effektivität.
Ein Glioblastom ist der häufigste und zugleich aggressivste Hirntumor im Erwachsenenalter. Etwa 3.000 Menschen in Deutschland erkranken jedes Jahr daran. Ihnen verbleiben im Schnitt 14 bis 15 Monate Lebenszeit. Das Tückische an diesem Tumor ist, dass er unkontrolliert in das gesunde Gewebe infiltriert. „An den Rändern des ehemaligen Resektionsbereiches entstehen regelhaft Tumorrezidive, die von der Infiltrationszone des Tumors ausgehen. Das heißt, wenn wir den Tumor nach derzeitigem Therapiestandard behandeln, also operativ entfernen, den Bereich anschließend bestrahlen und über mehrere Wochen eine systemische Chemotherapie verabreichen, schaffen wir es aktuell nicht, alle Tumorzellen abzutöten“, erklärt Prof. Dr. Mario Löhr, leitender Oberarzt der neurochirurgischen Klinik am Uniklinikum Würzburg. Kieselgel-basierendes Faservlies zersetzt sich und gibt Therapeutika ab Aufgrund der schlechten Prognose und zudem starken Nebenwirkungen der systemischen Chemotherapie hat die Experimentelle Neurochirurgie unter der Leitung von Prof. Dr. Carsten Hagemann gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut für Silicatforschung (ISC) in Würzburg ein Konzept für ein neuartiges innovatives Behandlungsverfahren entwickelt.
„Da viele Therapeutika die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden und daher ineffektiv sind, haben wir überlegt, wie wir die Wirkstoffe lokal applizieren können, um so die Therapieeffizienz zu steigern“, schildert Carsten Hagemann. Die Idee eines auf Kieselgel basierenden Mikro- und Nanofaservlies entstand. Dieses Vlies wird mit Chemotherapeutika modifiziert und dann in die Resektionshöhle eingesetzt, also an den Ort, wo vorher der Tumor war. Die resorbierbaren Kieselgel-Fasern zersetzen sich im Laufe der Zeit und geben so konstant die Wirkstoffe direkt an die Ränder des Resektionsbereiches ab. Somit könne die Konzentration von Chemotherapeutika direkt ihre maximale Wirksamkeit entfalten und ein erneutes Tumorwachstum hemmen, so Hagemann.
Die Idee hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung überzeugt. Es fördert seit November 2022 das Projekt mit insgesamt 1,6 Millionen Euro.
„Die resorbierbaren Kieselgel-Fasern lassen sich einfach an den Resektionsbereich anpassen, zersetzen sich im Laufe der Zeit und geben so konstant die Wirkstoffe lokal ab.“
Dr. Carsten Hagemann