Die Titan-Klammern mit einer Führungsstruktur für das geflochtene Stahlseil werden mit zwei Schrauben fest am Knochen fixiert. Da sie auch im Implantat sitzen und nicht nur im Knochen, können sie nicht ausbrechen.
Neuartiges Implantat am UKW erforscht
Statt wie bisher auf Stahlplatte und Schrauben zu setzen, verwenden Unfallchirurgen für den Prototypen Titan-Klammern und Stahlseil. Für die Weiterentwicklung werden Industrie-Partner gesucht.
Dr. Martin Jordan
Oberarzt Chirurgie
Der Unfall
Im höheren Alter aktiv sein, Sport treiben, mit dem E-Bike auf Tour gehen – das tut gut und hält fit. Kommt es dabei jedoch zu einem Unfall und die vordere „Beckennaht“, die sogenannte Symphyse, reißt, tun sich Unfallchirurgen bei älteren Menschen bislang schwer, diese seltene Knorpelsprengung dauerhaft stabil zu versorgen.
Das Problem
Bis heute wird der Knorpelschaden mit einer Stahlplatte und Schrauben fixiert. Da es in diesem flexiblen Teil des Beckens keine knöcherne Heilung gibt, sondern nur eine Vernarbung, sind kontinuierliche Mikrobewegungen nicht zu vermeiden. Eine unbedenkliche Lockerung der Symphysenplatte ist bei nahezu allen Patientinnen und Patienten zu beobachten. Aber: Mit steigendem Alter werden Knochen poröser, die Schrauben lockern sich unter Umständen noch schneller. Es kommt zum sogenannten unerwünschten Implantatversagen.
Die Idee
Benötigt wird eine feste Verankerung eng am Knochen, eine breite Auflagefläche, eine stabile Führung des Kabels und dennoch wenig Implantatmaterial, um umliegende anatomische Strukturen, wie etwa die Blase, nicht zu irritieren: „Die Titan-Klammern halten mit einem geflochtenen Stahlseil den Symphysenspalt zusammen. Fixiert mit zwei Schrauben, die nicht ausbrechen können, da sie nicht nur im Knochen, sondern auch im Implantat selbst Halt finden“, erklärt Privatdozent Dr. Martin Jordan, geschäftsführender Oberarzt in der Klinik und Poliklinik für Unfall-, Hand-, Plastische und Wiederherstellungschirurgie am Uniklinikum Würzburg das Prinzip. Das Implantat soll die gesprengte Symphyse so zusammenhalten, dass das Becken dauerhaft stabil bleibt.
Die Mitdenker
Regionale Industriepartner haben bei der Entwicklung des Becken-Implantats mitgearbeitet: Die Forschungsabteilung Additive Fertigungstechniken des Süddeutschen Kunststoffzentrums begleitete bei der Projektgründung. Die Firma Headmade Materials brachte sich ein bei der Fertigung des komplexen Prototypen mit Hilfe eines innovativen metallbasierten 3D-Druck-Verfahrens namens ColdMetalFusion. Bei der Testung und Erprobung des Prototyps unterstützten die UKW-Kollegen aus den Abteilungen Biomechanik, Radiologie und Anatomie.
Die Vision
Das Kabel-Klammer-Implantat soll zunächst als Alternative zur Symphysenplatte dienen. Insbesondere in Fällen, in denen die Platte nicht dauerhaft stabil bleibt, kann das neue Implantat hilfreich sein.
Die nächsten Schritte
Verschiedene Prototypen wurden bereits mit Unterstützung des Servicezentrums Forschung und Technologietransfer sowie der Bayerischen Patentallianz patentiert. Die Kooperation soll um einen Industriepartner zur gemeinsamen Entwicklungsarbeit erweitert werden. Patientinnen und Patienten können frühestens in einigen Jahren mit einer Anwendung rechnen, da erst noch klinische Studien notwendig sind.