Zutiefst sinn­stiftend

Eine älter werdende Gesellschaft und der Wunsch nach einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind unter anderem Gründe, warum mehr Hausärzte gebraucht werden. Das Institut für Allgemeinmedizin bringt Studierende und regionale Lehrpraxen zusammen. Das Konzept hat Erfolg.

Hausärzte sind für die Bevölkerung die ersten Ansprechpartner bei Gesundheitsstörungen aller Art. Und der Bedarf an Haus-ärztinnen und Hausärzten steigt: Menschen, die höhere Lebensalter erreichen, brauchen in der Regel häufiger ärztliche Begleitung. Hausarzt Dr. Wolfgang Offenberger: „Ärztinnen und Ärzte arbeiten zudem heute lieber in Teampraxen. Das garantiert geregelte Freizeit- und somit Erholungsphasen sowie eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch Teilzeitarbeit von Müttern und Vätern.“ Institut hofft auf neue Studienregelung Vor vier Jahren war der Lehrstuhl für Allgemeinmedizin in Würzburg unter anderem mit dem Ziel eingerichtet worden, dieses Fach im Studium aufzuwerten und zu stärken. Er widmet sich gleichermaßen der Lehre, Forschung, Weiter- und Fortbildung. Die beiden Professorinnen Anne Simmenroth und Ildikó Gágyor teilen sich die Leitung des Instituts und arbeiten nebenher noch als angestellte Hausärztinnen in zwei Würzburger Praxen. Um noch mehr Studierende für die Allgemeinmedizin begeistern zu können, hofft Prof. Dr. Anne Simmenroth nun auf die neue Approbationsordnung für Ärzte. Sie regelt u. a. die Ausbildungsinhalte des Medizinstudiums und sieht in einer geplanten Neufassung ab 2025 deutlich mehr und frühere Praktikumszeiten in hausärztlichen Lehrpraxen vor. Das Institut arbeitet eng mit diesen zusammen und bietet Austausch sowie Fort- und Weiterbildungen an. Anne Simmenroth ist froh, dass sich die Zahl seit ihrem gemeinsamen Amtsantritt fast verdoppelt hat: „Heute kooperieren wir mit 120 Praxen in Würzburg und Umgebung. Das reicht noch nicht. In den nächsten drei Jahren brauchen wir mindestens weitere 50 Praxen, die den Studierenden Einblick in ihren Alltag geben.“ Win-Win-Situation in der Lehrpraxis Das Hausarztzentrum Versbach ist als Lehr- und Forschungspraxis seit drei Jahren dabei. Als Forschungspraxis liefert es z. B. anonymisierte Daten zum Antibiotikumeinsatz bei unkomplizierten Harnwegsinfekten. Praxisinhaber Dr. Wolfgang Offenberger sieht die Kooperation als langfristige Win-Win-Situation: „Auf der einen Seite nehme ich mir zusätzlich Zeit für Erklärungen und die Fragen der Studierenden. Auf der anderen Seite entlasten diese das Team, indem sie Patientengespräche und Untersuchungen durchführen.“ So werde auch das Verständnis für sinnvolle Diagnostik erhöht und das Erkennen des Patientenproblems geschult. „Die Studierenden arbeiten hier praxisnah vor Ort und erleben den ganz realen Alltag.

Im Rahmen seines Praktischen Jahres ist Marius Hurm (li.) vier Monate lang bei Dr. Offenberger.

Selbst wenn sie sich nicht für die Allgemeinarztpraxis, sondern für einen Job in der Klinik entscheiden, war es nicht umsonst, denn sie wissen, wie die andere Seite arbeitet“, so der 42-Jährige. Wolfgang Offenberger selbst empfindet seinen Beruf als „zutiefst sinnstiftend und befriedigend“: „Wir kümmern uns nicht selten ein Leben lang um ganze Familien mit verschiedensten Beratungsanlässen. Den ganzen Lebenskontext zu kennen, hilft mir, wenn ich zum Beispiel eine Depression oder eine Krebs-erkrankung erkennen und einordnen muss.“ Studierende tanken Selbstvertrauen Zurzeit absolviert Marius Hurm ein knapp viermonatiges Praktikum im Rahmen seines Praktischen Jahres (PJ) bei Dr. Wolfgang Offenberger. Der Medizinstudent im letzten Studienjahr interessiert sich ebenfalls für langjährige Beziehungen: „Als Allgemeinmediziner in einer Hausarztpraxis kann ich Patienten über Jahre begleiten und selbst erleben, wie mein ärztliches Handeln wirkt.“ Das tägliche Arbeiten in der Praxis bereite ihm viel Freude: „Mir gefällt der kollegiale Umgang in der Lehrpraxis. Mein Lehrarzt traut mir etwas zu, lässt mich machen, lässt mich aber nicht allein.“ Auch die Offenheit der Patientinnen und Patienten weiß er zu schätzen: „Ich spüre das Vertrauen mir gegenüber, obwohl ich noch Student bin. Das bestärkt mich, in der Fachrichtung weiterzumachen.“ Der 23-Jährige will sich nicht nur auf ein einzelnes Organ spezialisieren, sondern den Menschen als Ganzes sehen, als Wechselspiel von Körper und Seele. Hausarzt sei so viel mehr als „Rücken“ oder Blutabnehmen: „Mich reizt die Herausforderung, bei meinen Patienten alle Sinne einzusetzen und zunächst einmal ohne große Technik gute Medizin zu machen.“ Mithilfe der Kooperation ist er auf dem besten Wege dazu. www.allgemeinmedizin.uni-wuerzburg.de

Text: Anke Faust, Fotos: Daniel Peter