In der Krisenzeit

gut beraten

Um seine Beschäftigten unter den Belastungen der Corona-Pandemie emotional und psychisch möglichst umfassend zu unterstützen, spannte das Klinikum ein weites Netz an Beratungsleistungen auf.

Alle haben die Bilder dieses Frühjahrs aus Ländern wie Italien noch im Kopf: Überfüllte Krankenhäuser mit überfordertem Personal, das an seine Belastungsgrenze ging. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund dieses warnenden Beispiels waren sich der Vorstand und die Klinikumseinsatzleitung des Uniklinikums Würzburg (UKW) nur allzu bewusst: Während der Corona-Krise benötigen auch die Beschäftigten Stärkung – und im Falle einer extremen Zuspitzung der Situation auch ein Kriseninterventionsteam (KIT). Prof. Dr. Jürgen Deckert, der Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des UKW, stellte in kürzester Zeit ein solches Team zusammen. Diesem gehörten ärztliche, psychologische und pflegerische Mitarbeiter/innen aus dem Zentrum für Psychische Gesundheit (ZEP), der Psychoonkologie und Neuropsychologie sowie der Beratungsstelle für Beschäftigte des UKW an. Hotline mit 24-Stunden-Erreichbarkeit Zunächst wurde unter der Leitung des ZEP eine Hotline mit 24-Stunden-­Erreichbarkeit eingerichtet. Das Zentrum stellte das hierfür benötigte Per­sonal zur Verfügung. Die Kriseninterventionshotline sorgte dafür, dass Klinikumsbeschäftigte, die möglicherweise höchst belastenden Ereignissen ausgesetzt waren, rund um die Uhr einen Ansprechpartner hatten, falls das Erlebte nicht mehr bewältigbar zu sein schien. Darüber hinaus erarbeitete die Projektgruppe vielfältiges Infomaterial und diverse Trainingsprogramme. Themenschwerpunkte waren zunächst die Stärkung der Resilienz und der Selbstfür­sorge, später auch Stressmanagement im Homeoffice, Lernen und Selbstorganisation, Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Heimarbeit, Kinder in der Krise, Trauer unter besonderen Bedingungen, Leben in der sozialen Isolation und vieles mehr. Diese Inhalte wurden den Interessierten nicht nur schriftlich angeboten, sondern nach Wunsch und Möglichkeiten auch vor Ort in Vorträgen präsentiert. Spezialsprechstunden mit Themenvielfalt Um zu diesen Themen auch den persönlichen Kontakt zu ermöglichen, wurden verschiedene Spezialsprechstunden ins Leben gerufen:

  • Persönliche Kriseninterventions­gespräche (ZEP, Psychoonkologie, Medizinische Psychologie),
  • Kinder in der Krise: Emotionale Krisen bei Kindern/Jugendlichen von Mitarbeiter/innen (Kinder- und Jugendpsychiatrie),
  • Sprechstunde für die Beschäftigten der UKW Service GmbH (Beratungsstelle für Beschäftigte des UKW),
  • Berufstätige Eltern: Videobesprechung, Kindergeschrei, Lagerkoller – Wie kann ich das miteinander vereinbaren? (Staatliches Berufliches Schulzentrum für Gesundheitsberufe),
  • Schüler, Auszubildende und Studierende: Selbstorganisiertes Lernen – Wie kann ich mich motivieren? (Staatliches Berufliches Schulzentrum für Gesundheitsberufe).

Um den Hygieneanforderungen gerecht zu werden, wurden in allen Beratungsangeboten auch digitale Formate etabliert. Unterstützung von Partnereinrichtungen Über das UKW hinaus wurden diese Angebote unter Federführung von Privat­dozent Dr. Stefan Unterecker, leitender Oberarzt am Zentrum für Psychische Gesundheit, Dr. Bodo Warrings, Oberarzt der Psychosomatischen Tagesklinik, und Dr. Elisabeth Jentschke, Leiterin des Psychoonkologischen und Neuropsychologischen Dienstes, auch Partner­einrichtungen des UKW in der Region zur Verfügung gestellt, wie Kranken­häusern der Erstversorgung und den zum Teil schwer betroffenen Seniorenheimen.

Keine schweren Krisen am Arbeitsplatz Glücklicherweise konnte das UKW bislang alle durch die Covid-19-Pandemie gestellten Anforderungen professionell bewältigen. Schwere akute Krisen einzelner Beschäftigten am Arbeitsplatz blieben aus. Da die Beratungskapazitäten des Kriseninterventionsteams nicht ausgeschöpft werden mussten, konnten im Verlauf psychologische Mitarbeiter/innen wieder in die Patientenversorgung im ZEP zurückkehren. Dennoch gab es von vielen Beschäftigten positive Rückmeldungen über die Angebote und das zur Verfügung gestellte Material. Dieses Feedback war sehr motivierend und ­bestärkte die Beteiligten in ihrem Vor­gehen. Sehr stark genutzt wurden die bereits bestehenden Beratungsstrukturen. Die Sprechstunde für Schüler, Auszubildende und Studierende im Rahmen der Schulsozialpädagogik erlebte einen leichten Anstieg des Beratungsbedarfs. Schwerpunktthemen waren Prüfungsangst, Selbstorganisation, Zeitmanagement, Streit mit Bezugspersonen, Motivationsproblematik, behördliche Angelegenheiten, psychische Gesundheit und problematische Konsummuster. In der Beratungsstelle für Beschäftigte stiegen die Anfragen vor allem im März und April deutlich an. Insgesamt gab es hier mehrere hundert Beratungskontakte. Themen, die die Menschen beschäftigten, waren die Schnelllebigkeit der nötigen Maßnahmen und deren Umsetzung am Arbeitsplatz. Die von der Klinikumsleitung gepflegte Transparenz war hier sehr hilfreich. Nichtsdestotrotz stellten die oft grundlegenden Veränderungen der Arbeitsweisen hohe Anforderungen an die Zusammenarbeit im Team und die Führungsqualitäten der Leitungen. Anstrengend für die Beschäftigten waren auch einzelne Covid-19-Infektionen von Kolleginnen und Kollegen, die zu Quarantäne und Testungen führten und somit Auswirkung auf die Personalbesetzung hatten. Es dauerte eine Zeit, bis sich hier im Vorgehen eine Routine einstellte, was Geduld und Durchhaltevermögen erforderte. Schwierigkeiten auch im privaten Umfeld Leider waren auch einige Beschäftigten aufgrund ihrer Arbeit in einem Krankenhaus schwierigen sozialen Momenten im privaten Umfeld ausgesetzt. So berichteten manche Mitarbeiter/innen beispielsweise davon, wie sie von Familien­mitgliedern oder Bekannten, die über die Ansteckungsmechanismen nicht ausreichend aufgeklärt waren, als potenzielle Virenverbreiter gemieden oder sogar angegangen und stigmatisiert wurden. Ferner gab es auch Sorgen um die Fortführung von (Forschungs-)Projekten oder Arbeitsbereichen. Je nach individueller Absicherung standen hier tatsächlich immer wieder persönliche Existenzen auf dem Spiel, sollte ein ­Arbeitsvertrag nicht verlängert werden können. Die Zeit des Erarbeitens von Lösungen durch den Arbeitgeber oder den Ratsuchenden selbst war häufig von großen Ängsten geprägt. Ein weiteres Thema war die Vereinbarkeit der Arbeit im Krankenhaus mit der Situation zuhause. Die Kinderbetreuung sicherzustellen und für die Liebsten da zu sein, sich aber gleich­zeitig mit vollem Einsatz am UKW ein­zubringen, verlangte vielen einiges ab. Häufig gab es Sorgen, wenn der Arbeitsplatz des Partners auf dem Spiel stand oder die Kinder zu alt für Notbetreuung, aber zu jung waren, um viele Stunden zuhause alleine zu sein. Ein anderer großer Bereich betraf Beschäftigte, die bereits vor der Pandemie wegen persönlicher Themen außerhalb des Arbeitsplatzes therapiert wurden. Aufgrund des Lockdowns fielen diese Strukturen vielfach kurzfristig weg. Gerade bei Erschöpfungszuständen, Depressions- und Angsterkrankungen sowie Abhängigkeitsproblematiken war eine Stärkung der persönlichen Ressourcen gefragt. Die Beratungsstelle überbrückte diese Zeit so gut wie möglich, um die betroffenen Kolleginnen und Kollegen zu unterstützen. Gerade in diesen Fällen war die Zusammenarbeit mit den ärztlichen und psychotherapeutischen Kollegen im Kriseninterventionsteam besonders effizient. Generell war während der Corona-Krise die Vernetzung und Zusammenarbeit der einzelnen Akteure zum Wohle der hilfesuchenden Klinikumsmitarbeiter/innen mustergültig. Inzwischen bewegt sich die Anzahl der Beratungsanfragen wieder im gewohnten Rahmen. Das Kriseninterventions­team und die Beratungsstelle für Beschäftigte des UKW bedanken sich herzlich für das von den MitarbeiterInnen in der Corona-Krisenzeit entgegengebrachte Vertrauen.

Autoren: Dr. Susanne Buld, Leiterin der Stabsstelle Betriebliche Sozial- und Konfliktberatung des UKW und PD Dr. Stefan Unterecker, leitender Oberarzt am Zentrum für Psychische Gesundheit des UKW

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