Lassen Sie uns über Hämorrhoiden sprechen!
Hämorrhoidalleiden sind eine Volkskrankheit: Es ist die dritthäufigste Diagnose von Erkrankungen im Magen-Darm-Trakt, wie der Facharzt für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Dr. Sven Flemming, von der Chirurgie I des Uniklinikums Würzburg erklärt.
Wenn die Sprache auf das Thema Hämorrhoiden kommt, ist das für viele Menschen auch heute noch sehr unangenehm. Alles was damit zu tun hat, spielt sich in einem Bereich des Körpers ab, über den noch immer oft schamhaft geschwiegen wird. Dabei sind Hämorrhoiden, also knotenförmige Verdickungen des Venengeflechts im unteren Mastdarm und am After, völlig normal. Doch wenn sie sich vergrößern und Schmerzen im Analbereich dazukommen, sollte man sich an seinen Hausarzt wenden, der einen an einen Proktologen überweist, einen Facharzt für den Bereich des Mastdarms und Analkanals. „Die Analregion gehört zu den sensibelsten, schmerzempfindlichsten Bereichen, was auch dafür wichtig ist, um zwischen Stuhl- und Luftentleerung zu unterscheiden.“ Und wegen dieser großen Empfindlichkeit machen sich hier auch schon verhältnismäßig kleine Veränderungen oft deutlich bemerkbar. Wie erkennt man Hämorrhoiden? Brennen, Jucken und Nässen, oft auch eine Störung der Feinkontinenz sind Symptome, die ein Hämorrhoidalleiden vermuten lassen. Ebenso hellrotes Blut auf dem Toilettenpapier kann ein Kennzeichen sein. Doch in der Mehrzahl der Fälle sind es nicht die Hämorrhoiden, die die Beschwerden verursachen. Eine nordamerikanische Studie hat Überraschendes ergeben: Von vier Millionen Patienten, die wegen eines vermuteten Hämorrhoidalleidens den Arzt aufsuchten, hatten nur 20 Prozent tatsächlich krankhafte Veränderungen an den Hämorrhoiden. Und von dieser Zahl wurde auch nur jeder fünfte operiert. Eine deutsche Studie an 548 Patienten mit Analbeschwerden kam zu ähnlichen Ergebnissen. Deshalb ist es für Dr. Flemming besonders wichtig, die Krankengeschichte des Patienten akribisch zu dokumentieren und ihn sehr genau zu untersuchen. „Wenn ein Patient im Analbereich Schmerzen hat oder sich über den Abgang von Blut beschwert, sollte man nach weiteren Gründen suchen und sich nicht voreilig auf ‚Hämorrhoiden‘ festlegen. Oft verbergen sich andere Krankheiten hinter diesen Symptomen.“ Dies können aufgeplatzte Thrombosen sein, eine Entzündung, die die Schleimhaut irritiert, eine chronisch entzündliche Darmerkrankung, aber auch ein Tumor. Daher ist in diesen Fällen eine Darmspiegelung essenziell, um der Ursache auf den Grund zu gehen. Woher kommen Hämorrhoidalleiden? Vielfach resultieren vergrößerte Hämorrhoiden und Beschwerden der beschriebenen Art aus dem eigenen Verhalten: zu viel sitzen, zu wenig trinken oder Pressen beim Stuhlgang sind Gründe dafür. Hinzu kommen der normale Alterungsprozess, eine Schwäche des Beckenbodens, Stuhlentleerungsstörungen oder eine Gebärmutterentfernung.
Oberarzt Dr. Sven Flemming
Was macht der Arzt? Nach einer gründlichen Anamnese, also der Ermittlung der Krankengeschichte, und dem Ausschluss anderer Ursachen, wird der Arzt eine Therapie der Hämorrhoiden empfehlen. Infrage kommt beispielsweise die Gummibandligatur, bei der der Arzt einzelne Hämorrhoiden mit Gummibändern abschnürt, wobei in der Folge das Gewebe abstirbt.
Bei der sogenannten Infrarotkoagulation werden Hämorrhoiden ebenfalls verödet, und zwar durch Infrarotlicht.
Eine weitere Therapie ist die Sklerosierung: Durch Injizieren einer Substanz wird der Blutfluss innerhalb einer Hämorrhoide blockiert. Alle drei genannten Methoden hinterlassen Narben und haben nicht immer zufriedenstellende Ergebnisse erbracht. Zudem sind diese Techniken nur bei geringgradigen Hämorrhoidalleiden anzuwenden.
Am Uniklinikum in Würzburg werden als Therapie daher die Hämorrhoidektomie, also eine Resektion der Hämorrhoide, und die dopplergestützte Arterienligatur angeboten. Beide Verfahren sind chirurgische Eingriffe und versprechen einen sehr guten Heilungserfolg. Bei der Resektion werden die Hämorrhoiden vollständig herausgeschnitten, während bei der Arterienligatur im schmerzunempfindlichen Bereich des Mastdarms Arterien mit einer chirurgischen Naht verschlossen werden, sodass eine Hämorrhoide nicht mehr mit Blut versorgt wird und abschwillt. Was kann man selbst tun? Vorbeugen ist besser als Heilen. Das gilt auch bei Hämorrhoidalleiden. Eine gesunde Ernährung mit reichlich Trinken und viel Bewegung sind empfehlenswert und helfen nachweislich, Beschwerden vorzubeugen. Darüber hinaus gibt es auch ein paar Verhaltensänderungen, wie Dr. Flemming sagt: „Sitzen Sie beim Stuhlgang auf der Toilette nicht aufrecht im 90°-Winkel, sondern beugen Sie den Oberkörper nach vorne, so dass er einen 35°-Winkel einnimmt.“ In diesem Winkel hat der Darm eine ideale Lage und die Stuhlentleerung vollzieht sich leichter. Dr. Flemming rät außerdem zu Beckenbodentraining, nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer.
Text: Dr. Bernhard Rauh, Fotos: MP-Grafik, Getty Images, Uniklinik