Klinik: Stresstest für Familien
Seit Mai 2020 leitet Christoph Härtel die Kinderklinik. Ihm liegt eine ganzheitliche Betrachtung der Kinder, ihrer Familien und der Kinderheilkunde insgesamt am Herzen.
Inmitten der Corona-Wirren anzufangen sei nicht gerade leicht gewesen. „Ich hätte es mir anders gewünscht“, so Prof. Dr. Christoph Härtel, der zuletzt als Oberarzt und außerplanmäßiger Professor an der Universitäts-Kinderklinik in Lübeck tätig war. Das tolle und engagierte Team der Kinderklinik und das Umfeld am UKW haben aber vieles aufgefangen und ihn gut aufgenommen: „Der kollegiale Umgang hat mich beeindruckt“, so der gebürtige Rostocker.
Die Nachfolge von Prof. Dr. Christian Speer, der nach 21 Jahren in der Position des Klinikdirektors in den Ruhestand verabschiedet worden war, nahm der 46-Jährige sehr gerne an. Die Kinderklinik sei nicht nur gut strukturiert und technisch wie personell hervorragend ausgestattet, sondern sie habe auch ein breit gefächertes Portfolio. Härtel ist Spezialist für Neugeborenen- und Kinderintensivmedizin sowie Infektiologie und Kinderonkologie. Trotzdem liegt es ihm am Herzen, die vielfältigen Belange der Pädiatrie zu sehen: „Das Fach beginnt eigentlich schon vor der Geburt mit der Beratung werdender Eltern und erstreckt sich bis ins junge Erwachsenenalter. Damit haben wir ein sehr großes Spektrum in unserem Fachgebiet.“ Das gilt umso mehr aufgrund der Besonderheit des vom Kinderarzt Prof. Hebestreit geleiteten ZESE, das Patienten mit Seltenen Erkrankungen oft weit über das Kindes- und Jugendalter hinaus betreut. Kind als Teil seiner Familie sehen Warum Pädiatrie? „Unter anderem wegen der Ehrlichkeit der Kinder. Sie können einem nichts vorgaukeln“, so der dreifache Vater augenzwinkernd. „Wir Kinderärzte sehen das Kind ganzheitlich als Teil seiner Familie, seiner Umwelt.“ Wenn Kinder ins Krankenhaus müssen, ist das ein Stresstest für die familiären Ressourcen. Welche Rolle die Eltern bei der Genesung ihrer Kinder spielen, will Härtel noch mehr zum Gegenstand der Forschung machen.
Prof. Dr. Christoph Härtel
Psychisch belastete Kinder besser versorgen „Chronisch kranke Kinder werden später chronisch kranke Erwachsene. Wir tun also gut daran, in die beste Behandlung dieser Kinder zu investieren. Doch zum Teil fehlen die Behandlungsangebote, um den psychischen Belastungen gerecht zu werden, die chronische Erkrankungen mit sich bringen“, so Härtel, der aus diesem Grund die Neuro- und Sozialpädiatrie ausbauen und noch intensiver mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie und vielen weiteren Fachrichtungen am UKW zusammenarbeiten will. Zudem liegt Härtel die Vernetzung mit anderen Kinderkliniken wie der Missioklinik, den niedergelassenen Kinderärzten, den medizinischen Behandlungszentren für Menschen mit komplexer Beeinträchtigung und den öffentlichen Institutionen in Stadt und Landkreisen sehr am Herzen. Immunsystem als Anker Härtel hat sich in seiner Laufbahn klinisch und wissenschaftlich viel mit dem kindlichen Immunsystem beschäftigt: „Das Thema hat mich nie losgelassen.“ Als er in den 90er Jahren in den USA Immunologie und Biochemie studierte, habe man noch ein sehr rohes Verständnis von den einzelnen Zusammenhängen gehabt. Was man damals erstmals im Labor beschrieben hat, ist heute in etablierte Therapien gegen Krebs eingegangen. Wie das Immunsystem reguliert wird, wie man bei Immundefekten und überschießenden Immunantworten die Balance wiederherstellen kann, versteht man heute deutlich besser als noch vor zehn Jahren. In anderen Bereichen gibt es noch viel zu erforschen: Welche Rolle spielt das Immunsystem bei Frühgeborenen oder bei der Entstehung chronischer Krankheiten? Wo kann man therapeutisch oder präventiv ansetzen? „Die Immunologie ist hier ein möglicher Anker. Und die Expertise, um es noch besser zu ergründen, ist nicht nur hier an der Kinderklinik, sondern am gesamten Campus sehr gut.“
Text: Martina Häring, Foto: Daniel Peter