Ein Tutor (der Arbeitsgemeinschaft Notfallmedizin) demonstriert die korrekte Anlage eines Tubus.
Kompetenzen und Kommunikation
In der Lehrklinik lernen angehende Ärzte praktische und kommunikative Fertigkeiten. Denn Wissensvermittlung allein reicht nicht aus, um ein guter Arzt zu werden.
Kompetenzen und Kommunikation
In der Lehrklinik lernen angehende Ärzte praktische und kommunikative Fertigkeiten. Denn Wissensvermittlung allein reicht nicht aus, um ein guter Arzt zu werden.
Ein Tutor (der Arbeitsgemeinschaft Notfallmedizin) demonstriert die korrekte Anlage eines Tubus.
Wenn früher angehende Mediziner das erste Mal in Kontakt mit Patienten kamen, wurde es spannend. Theoretisches Wissen aus dem Studium ist das eine, Praxis das andere. Nur muss irgendwann die erste Wunde genäht, der erste Ultraschall gemacht und das erste Blut abgenommen werden. Damit Medizinstudenten all dies gut einüben können und sich Sicherheit holen, gibt es seit 15 Jahren die Lehrklinik am Uniklinikum Würzburg.
Eine der größten Lehrkliniken in Deutschland Die „Klinik ohne Patienten“ gehört mit 1700 Quadratmetern zu den größten in Deutschland. Die Aufgaben der künftigen Ärzte werden hier möglichst realitätsnah simuliert – mit Geräten, OP-Kleidung und Kunstblut. Und mit der seit Jahren bestehenden Schauspielgruppe, die sich in die Rolle von Patienten begibt. Schließlich sollen Mediziner nicht nur das technische Handwerkszeug lernen, sondern auch die so wichtige Kommunikation und die Empathie, das Einfühlungsvermögen gegenüber den Kranken.
Dr. Eva-Maria Schwienhorst-Stich, eine der beiden Leiterinnen der Lehrklinik, spricht von drei Ebenen der Medizinerausbildung: Wissen, Fertigkeiten und die individuelle Haltung, zum Beispiel gegenüber älteren Menschen.
Dr. Eva-Maria Schwienhorst-Stich und Dr. Janina Zirkel, Leiterinnen der Lehrklinik
Lehrklinik: Am Silikonarm Blut abnehmen
Dr. Eva-Maria Schwienhorst-Stich, Leiterin der Lehrklinik: „Man weiß heute viel mehr über die Erwachsenenbildung. Die neuen Methoden fließen zunehmend in die Ärzteausbildung ein. Denn gerade in der Medizin geht es nicht nur um reine Wissensvermittlung, sondern um den Erwerb von Kompetenzen. Und dabei spielt die Lehrklinik eine sehr wichtige Rolle.“ Dr. Janina Zirkel, Leiterin der Lehrklinik: „Die ärztlichen Aufgaben sind hochkomplex und erfordern die Verzahnung von Wissen mit kommunikativen Fähigkeiten und manuellen Fertigkeiten. Auch die Patientensicherheit hat einen hohen Stellenwert. Wir bereiten die Studierenden in zahlreichen Kursen auf den Patientenkontakt vor und prüfen sie auch darin, z. B. am Silikonarm, bevor sie selbst Blut am Patienten abnehmen dürfen. All das kann eine Vorlesung nicht leisten.“ Jonas Rößle, Tutor: „Ich habe mich als Tutor beworben, weil mir die Kurse in der Lehrklinik bereits als Teilnehmer sehr viel Spaß gemacht haben. Als Tutor habe ich die Möglichkeit, jedes Semester meine eigenen klinischen Fertigkeiten weiter zu trainieren und anderen zu vermitteln. Mich begeistert außerdem die Zusammenarbeit mit Studierenden unterschiedlicher Semester. Ich lerne in jedem Kurs etwas Neues: von Dozenten, anderen Tutoren und Teilnehmern.“ Laura S., Studentin: „Die Veranstaltungen der Lehrklinik sind eine wunderbare Möglichkeit, Untersuchungstechniken erst mal angeleitet durch Tutoren an anderen Studierenden zu üben. So ist man viel sicherer, wenn es irgendwann an echte Patienten geht. Außerdem herrscht in den Kursen eine Atmosphäre, in der man sich auch mal traut, eine blöde Frage zu stellen.“
Verpflichtende Kurse ab dem dritten Jahr im Medizinstudium „Früher war man viel zu stark auf die Wissensvermittlung konzentriert“, ist die Medizindidaktikerin überzeugt. Aber ein guter Arzt braucht mehr. Schwienhorst-Stich und ihre Leitungskollegin Dr. Janina Zirkel entwickeln aus der Lehrklinik heraus den Medizinlehrplan weiter, ergänzen ihn um neue Kurse, die teils freiwillig, teils ab dem fünften Semester verpflichtend sind. Es geht um Fertigkeiten wie Blutentnahme, Wundnaht, Reanimation oder verschiedenste Untersuchungstechniken.
Auch Prüfungen werden dazu absolviert – manche gezielt im Team, denn auch die Zusammenarbeit von Kollegen unterschiedlicher Profession soll in der Lehrklinik geschult werden. Bei einem Tag der Offenen Tür anlässlich des 15-jährigen Bestehens zeigten Tutoren den Besuchern, wie mit Latex-Puppen die Wiederbelebung trainiert und wie aus Silikon-Armen Blut abgenommen wird. Und wie es sich anfühlt als 90-jähriger Senior, der schlecht gehen, sehen und hören kann.
Studierende beim Sonographie Training im Rahmen des verpflichtenden Kurses Sono-Basics.
Den Zustand alter Menschen nachempfinden Spezielle Brillen, Kopfhörer und Gewichtswesten versetzen dabei jüngere Menschen in die Lage eines Betagten. „Instant Aging“ nennen sie das, das Alter nachempfinden. „Es ist für die Behandlung und den Umgang wichtig zu verstehen, wie sich ein älterer Patient fühlt“, sagt Klinikleiterin Zirkel.
Personell sind 49 Tutoren die Seele der Lehrklinik: allesamt ältere Medizinsemester, die nach speziellen Pädagogikkursen ihren jüngeren Kommilitonen das Handwerkszeug beibringen – zusammen mit Ärzten aus den jeweiligen Fachgebieten der Uniklinik. Ohne den Einsatz der Tutoren wäre das praktische Lernen in Kleingruppen von drei bis vier Studierenden kaum möglich. Und für die Tutoren selbst ist ihre Tätigkeit ein großer Gewinn, denn „durch das Unterrichten lernen sie selbst am besten“, sagt Professorin Sarah König, Leiterin des Instituts für Medizinische Lehre und Ausbildungsforschung an der Uniklinik. Entsprechend groß ist die Nachfrage, es gibt mehr Bewerber als Tutorenplätze. Für die Sicherheit: Übungen vor dem ersten Patientenkontakt Ihren Ursprung nahm die Lehrklinik im Jahr 2004 mit acht Kursen auf gerade einmal 120 Quadratmetern in der alten Urologie. Seitdem ist sie kontinuierlich gewachsen, vor allem durch den Umzug in die alte Nuklearmedizin, auf mittlerweile 1700 Quadratmeter und 42 Kurse. Doch mit dem Ausbau des Angebots wird es in dem Altbau schon wieder eng.
Die Kurse an der Lehrklinik sind bei den Medizinstudierenden sehr gefragt und beliebt. Was die Leiterinnen nicht nur mit Blick auf den Medizinernachwuchs freut. Schwienhorst-Stich: „Es geht hier um Patientensicherheit.“
Text: MainKonzept, Fotos: Johannes Kiefer