Auf alte Menschen eingestellt
Altersgerechtes Krankenhaus: Wie sich das Uniklinikum den Bedürfnissen seiner Patienten anpasst
Der demografische Wandel stellt auch Akutkliniken vor Herausforderungen: Schon heute sind knapp 30 Prozent aller Patienten über 70 Jahre alt. Das UKW hat sich vorgenommen, dem besonderen Bedarf dieser Patienten noch besser gerecht zu werden. Seit gut einem Jahr läuft das Projekt „Altersgerechtes Krankenhaus“. Vieles hat sich dadurch bereits zum Positiven gewandelt.
„Der demografisches Wandel bewirkt, dass wir etwas verändern müssen“, sagt die leitende Psycho-onkologin des Comprehensive Cancer Centers und Gerontologin, Dr. Elisabeth Jentschke, die das Projekt angestoßen hat. Denn mit zunehmendem Alter steigt das Risiko einer Demenz oder einer leichten kognitiven Einschränkung – also einer Beeinträchtigung von Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Denkvermögen. Auch wenn diese im Alltag noch nicht einschränkt, kann sie bei einer stationären Krankenhausbehandlung problematisch werden: Unter anderem erhöht sie das Risiko für einen akuten Verwirrtheitszustand, der von Ärzten auch Delir genannt wird. Auch steigt die Gefahr, dass die Behandlung länger dauert, nicht das gewünschte Ergebnis bringt, weitere Krankenhauseinweisungen oder einen Verlust an Selbstständigkeit nach sich zieht.
Dr. Elisabeth Jentschke
Birgit Roelfsema
Delir oft zu spät erkannt
Besonders nach bestimmten Operationen, aber auch auf Intensivstationen tritt ein Delir relativ häufig auf. „Das ist eine schwere Erkrankung, die Studien zufolge, oft zu spät erkannt wird“, sagt Birgit Roelfsema, die als stellvertretende Pflegedirektorin federführend das Projekt begleitet. Das UKW sensibilisiert deshalb Ärzte und Pflegekräfte im Rahmen von Pflichtfortbildungen für die Themen Demenz und Delir. Zudem wurden Handlungsleitfäden entwickelt, die eine optimale Behandlung garantieren sollen.
Auch das sogenannte herausfordernde Verhalten von demenzkranken Patienten führt häufig zu Problemen im Krankenhausalltag. „Herausforderndes Verhalten ist zwar ein gängiger Begriff, trifft die Realität aber nicht ganz“, so Jentschke. Vielmehr sind Unruhe oder Nichtbefolgen von Anweisungen erklärbare Reaktionen auf die Umstände, die eine stationäre Aufnahme für diese Patienten mit sich bringt. „Ein Krankenhausaufenthalt verlangt viel Anpassungsfähigkeit“, erklärt die Psychologin. „Für alte Menschen ist das sehr schwierig, und oft geht es schief.“ Betreuungspersonen müssten daher ihre Einstellung verändern: „Entscheidend ist nicht nur der Betreuungsschlüssel. Allein das Wissen über die Erkrankung verbessert die Haltung zu und die Kommunikation mit kognitiv eingeschränkten Menschen“, so Jentschke, die die Schulungskonzepte zusammen mit anderen Experten speziell für das UKW erarbeitet hat.
Orientierung erleichtern
Welcher Tag ist heute? Welche Jahreszeit, welches Jahr? Wo bin ich? Solche Informationen können Betreuende ins Gespräch einfließen lassen, ohne dass die betreffende Person sich bloßgestellt fühlt. Aber auch Piktogramme, Kalender, Uhren und Bilder können die Orientierung auf den Stationen erleichtern, technische Hilfsmittel die Pflegekräfte entlasten. Und bei neuen Bauprojekten wird zum Beispiel darauf geachtet, dass Pflegestützpunkte leicht erreichbar sind und einen optimalen Überblick über die Station ermöglichen.
Wichtig war den Projektverantwortlichen auch, dass die Maßnahmen nicht nur, wie in anderen Kliniken häufig üblich, in speziellen geriatrischen Bereichen umgesetzt werden. Schließlich betrifft das Problem – abgesehen von der Kinderklinik – alle Einrichtungen gleichermaßen. Von der Aufnahme bis zu Entlassung gilt es, den gesamten Weg des Patienten im Blick zu haben. Deshalb werden nicht nur 900 Pflegekräfte, sondern auch Ärzte und andere Mitarbeiter geschult, die mit Patienten zu tun haben – zum Beispiel auch die Reinigungskräfte. Eine Demenzbeauftragte steht für alle Klinikbereiche beratend zur Verfügung, zur 1:1-Betreuung von Patienten können geschulte Medizinstudenten eingesetzt werden.
Mit Projekt offene Türen eingerannt
Gibt es in der Nähe keine Angehörigen, die sich kümmern könnten, ist das Entlassmanagement gefragt, um in Absprache mit den Hausärzten für eine Weiterbetreuung zu sorgen. „Wir haben zwar schon viel erreicht, aber wir können immer noch mehr machen“, so Birgit Roelfsema. Zum Beispiel soll es künftig für die Innere Medizin ein Café mit gemütlicher Atmosphäre und Betreuungsangeboten durch eine Altenpflegefachkraft geben. „Erstaunlich war, dass wir praktisch überall offene Türen eingerannt haben“, resümiert Roelfsema. „Die Maßnahmen helfen nicht nur den Patienten, sondern auch den Pflegekräften“, ist Jentschke überzeugt.
Bewusst spricht das UKW übrigens von einem altersgerechten und nicht von einem demenzsensiblen Krankenhaus. Jentschke: „Kognitive Beeinträchtigungen sind nicht das einzige Problem alter Menschen in Krankenhäusern. Auch Altersdepressionen sind zum Beispiel ein wichtiges aber leider oft tabuisiertes Thema. Hier können wir als Akutkrankenhaus eingreifen, wenn wir entsprechend sensibilisiert sind und die Warnzeichen erkennen.“
Text: Martina Häring, Fotos: Uniklinik