Die Gefahr im Schlaf
Schnarchen und häufige Tagesschläfrigkeit können ein Hinweis auf Atemaussetzer in der Nacht sein. Der Schlafende selbst merkt davon nichts. Wie man schwerwiegende Folgen verhindert.
Meist kommt der Hinweis von der Bettpartnerin oder dem Bettpartner: „Du hast wieder so laut geschnarcht, ich konnte kaum schlafen!“ Ein möglicherweise daraus resultierender, zwischenmenschlicher Konflikt ist noch die harmlosere Begleiterscheinung, denn oft kann sich hinter dem Schnarchen ein weitaus gefährlicheres Problem verbergen, wie bei Matthias Rauh: Atemaussetzer, in der Fachsprache obstruktive Schlafapnoe genannt. Übergewicht, höherer Alkoholkonsum, neurologische Erkrankungen, Schlaf in Rückenlage, aber auch erbliche Veranlagung können dazu beitragen. „Im Schlaf kann oft das erschlaffte Gaumensegel oder die zurückfallende Zunge die Atemwege verlegen und somit den Luftstrom blockieren. Dadurch wird das Gehirn nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt und sendet ein Signal zum Aufwachen und Einatmen“, erklärt Prof. Dr. Rudolf Hagen, Direktor der HNO-Klinik am Uniklinikum Würzburg (UKW). Und Oberarzt Dr. Philipp Schendzielorz ergänzt: „Aber: Das bekommt der Schlafende nicht bewusst mit. Ältere und Männer sind am häufigsten davon betroffen, insgesamt rund 14 Millionen Deutsche.“
Dr. Philipp Schendzielorz
Wann zum Arzt? Gesellen sich dazu noch andere Beobachtungen, ist der Gang zum Haus- oder Hals-Nasen-Ohrenarzt unausweichlich: „Neben dem nächtlichen Schnarchen ist mir aufgefallen, dass ich tagsüber regelmäßig sehr müde wurde und manchmal einfach eingeschlafen bin“, sagt Matthias Rauh, der mit diesem Problem seinen Hausarzt aufgesucht hat und dann im Schlaflabor des Interdisziplinären Zentrums für gesunden Schlaf (IZGS) des UKW behandelt wurde. Doch die Tagesmüdigkeit ist das kleinere Problem. Weitaus gefährlicher sind die Folgen, die sich aus dem häufigen, kurzzeitigen Sauerstoffmangel ergeben: „In der Folge kann nicht nur der Blutdruck deutlich steigen, auch die Gefahr eines Schlaganfalls und eines Herzinfarkts ist erhöht“, wie Dr. Schendzielorz erklärt und einen möglichen Zusammenhang mit dem Herzinfarkt von Matthias Rauh einige Jahre zuvor herstellt. Was kann man dagegen tun? Als Standard hat sich bisher die Maskentherapie erwiesen. Dabei trägt der Patient nachts eine Maske, die einen Überdruck erzeugt und damit die verschlossenen Atemwege wieder eröffnet. Aber 30 bis 50 Prozent der Patienten vertragen das nicht, wie zum Beispiel Matthias Rauh: „Diese Maske war für mich absolut untauglich: Immer, wenn ich eingeatmet habe, hat das Gerät zusätzlichen Druck erzeugt und das habe ich stets mitbekommen. Ein erholsamer Schlaf war damit nicht möglich.“ Zwar gibt es noch alternative Therapiemöglichkeiten wie das Tragen einer Zahnschiene, eine operative Gaumenstraffung mit Mandelentfernung, doch waren diese Therapieformen in diesem Fall nicht möglich und am UKW haben sich die Ärzte für eine weitere wirksame Methode entschieden: den Zungenschrittmacher. Bis März dieses Jahres wurde ein solcher bei mittlerweile 20 Patienten erfolgreich implantiert, so auch bei Matthias Rauh.
Aufbau und Funktionsweise des Zungenschrittmachers
Wie funktioniert ein Zungenschrittmacher? Im Rahmen eines kurzen, stationären Klinikaufenthalts wird über einen kleinen Schnitt minimalinvasiv unterhalb des Schlüsselbeins der Schrittmacher und ein Atemsensor eingesetzt. Von da aus führt im Körper ein Kabel zum Zungennerv unterhalb des Kinns. Unter dem Operationsmikroskop wird eine kleine Stimulationsmanschette um bestimmte Nervenäste des Zungennnerven gelegt. „Durch eine sanfte Stimulation dieses Zungennervs werden, abgestimmt auf die Einatmung, wichtige Atemmuskeln aktiviert und so der Atemweg offengehalten“, erklärt Dr. Schendzielorz. Über eine Fernbedienung kann der Patient nun den Beginn des Impulses für den Schrittmacher einstellen. „Ich kann aus eigener Erfahrung empfehlen, den Beginn dieses Impulses per Fernbedienung mit einer Verzögerung zu starten, also etwa eine halbe bis eine Stunde nach dem Einschlafen, weil die Stimulation der Zunge deutlich zu spüren ist und das Einschlafen verhindern kann“, berichtet Matthias Rauh.
Arzt und Patient schauen sich den Schrittmacher an.
Professor Rudolf Hagen
Wer kommt in Frage? Diese recht teure Therapie wird nur in bestimmten Fällen vollständig von den Kassen übernommen, weshalb vor der Operation eine aufwendige Diagnostik mit einer Schlafendoskopie und im Schlaflabor erforderlich ist. „In Frage kommen Patienten mit einer mittel- bis schwergradigen obstruktiven Schlafapnoe mit 15 bis 65 Atemaussetzern pro Minute. Es sollte sich gezeigt haben, dass die Maskentherapie nicht erfolgversprechend ist. Und außerdem darf kein starkes Übergewicht bestehen − der Body-Mass-Index muss unter 35 liegen“, nennt Prof. Hagen die Voraussetzungen für diese Therapie. Weltweit wurde bis jetzt über 20.000 Menschen ein Zungenschrittmacher implantiert. „Unsere Patientinnen und Patienten sind mit dieser Therapie sehr zufrieden. Für viele ist der Schlaf mit dem Zungenschrittmacher wieder ruhiger und erholsam geworden“, bilanziert Dr. Schendzielorz. Das kann auch Matthias Rauh bestätigen: „Endlich habe ich tagsüber keine Durchhänger mehr, starte gut erholt in den Tag und bin beruflich wieder voll leistungsfähig. Zudem ist das Schnarchen erheblich reduziert, was vor allem meine Frau sehr zu schätzen weiß.“ www.ukw.de/schlafmedizin
Text: Dr. Bernhard Rauh, Fotos: Inspire Medical Systems, Uniklinikum
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