Gemeinsam ist besser

Waren Sie auch schon mal versucht, ADHS als Mode-Diagnose abzustempeln? Prof. Dr. Marcel Romanos, Klinikdirektor der Würzburger Kinder- und Jugendpsychiatrie: Beim ADHS-Kongress wurden einmal mehr Vorurteile und Mythen widerlegt.

Professor Marcel Romanos

Unter dem Motto „Gemeinsam ist besser“ hat die Selbsthilfeorganisation ADHS Deutschland e. V. in Kooperation mit der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des UKW ihr erstes Deutschland-Symposium in Präsenz seit der Corona-Pandemie angeboten. Rund 500 Interessierte trafen sich in den Mainfrankensälen in Veitshöchheim. Prof. Dr. Marcel Romanos zu den Vorurteilen: Vorurteil 1: ADHS ist doch nur eine erfundene Diagnose Fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen zeigen eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung: Sie tun sich schwer, ihre Aufmerksamkeit zu steuern, reagieren impulsiv und sind oft unruhig. Rund die Hälfte davon ist auch im Erwachsenenalter noch in unterschiedlichem Ausmaß betroffen. ADHS ist bereits seit dem 18. Jahrhundert wissenschaftlich dokumentiert. Uns ist es wichtig, die Hilfe an den Einschränkungen und Problemen der Kinder zu orientieren, damit ihnen wirksam geholfen werden kann. Vorwürfe an Eltern oder Gesellschaft sind nicht gerechtfertigt und helfen niemandem – im Gegenteil. Verhaltenstherapie wirkt gut zur Steigerung der sozialen Kompetenzen, Verbesserung des Familienklimas, bei psychischen Begleitproblemen. Bei den eigentlichen Kernsymptomen von ADHS, also Konzentrationsstörung, Hyperaktivität und verminderte Impulskontrolle helfen nach derzeitigem Wissensstand nur Medikamente. Vorurteil 2: Erziehung, Ernährung und Computerspiele sind schuld Erziehung, Medienkonsum oder Ernährung verursachen kein ADHS. Sie beeinflussen aber, wie gut die Folgen der Problematik kompensiert werden können. Dank neuester Forschung wissen wir, dass die Ursachen für ADHS, nämlich vorrangig die genetischen Faktoren, sehr komplex sind. Vorurteil 3: Schulen kümmern sich nicht Gerade die Kooperation mit Kitas und vor allem Schulen bekommt eine zunehmende Bedeutung. Da viele Eltern in Vollzeit arbeiten (müssen) und Ganztagsbeschulung notwendig ist, sind regelmäßige Therapie-Termine nicht mehr so einfach möglich. Hier sind Strategien erforderlich, um Diagnostik und Therapie mit dem Schulsystem abzustimmen. Dies kann beispielsweise dadurch gelingen, dass Verhaltenspläne gemeinsam von Eltern und Lehrkräften vereinbart werden und Lehrkräfte Feedback an die Eltern geben. Viele Lehrkräfte machen bei solchen Initiativen sehr engagiert mit, um gemeinsam dem Kind zu helfen. Auf der anderen Seite brauchen auch die Lehrkräfte Unterstützung: im pädagogischen Umgang mit betroffenen Kindern sowie in der Kommunikation mit den Eltern. www.ukw.de/kinder-und-jugendpsychiatrie

Text: Anke Faust, Fotos: Getty Images, Daniel Peter