Tracer lassen Krebszellen leuchten
Mit dem PET/CT-Zentrum ist die Würzburger Nuklearmedizin in die Champions League der Diagnostik aufgestiegen. Außerdem stellt sie Radiopharmaka her, mit denen Menschen aus der ganzen Welt behandelt werden. Dafür starten Mitarbeitende im Labor auch schon mal um 4 Uhr morgens in den Tag.
Dipl.-Ing. Denis Lamparter schleust ein unter sterilen Bedingungen hergestelltes und in einem Bleigefäß verpacktes Radiopharmakon zur PET/CT-Untersuchung aus. Aus Strahlenschutz- und arzneirechtlichen Gründen findet die Produktion von Radiopharmaka völlig automatisch und berührungslos hinter dicken Bleiwänden einer sog. Heißzelle im Reinraum statt.
„Mit eigentlich gefährlichen Strahlen zu heilen – diese Vorstellung hat mich von Anfang an fasziniert!“ Die Begeisterung über sein Arbeitsgebiet, Herstellung und Erforschung von Radiopharmaka, also radioaktiv angereicherten Stoffen für die Nuklearmedizin, ist Professor Samuel Samnick deutlich anzumerken. Vereinte Bilder aus zwei medizinischen Fächern Die Stoffe, die der gelernte Ingenieur und Radiochemiker mit seinem Team am Universitätsklinikum Würzburg entwickelt und herstellt, finden bei der „Positronen-Emissions-Tomografie“ (PET) in der Krebsdiagnostik Anwendung. Sie stellt Lage und Größe von Tumoren im Körper präzise dar. Patientinnen und Patienten erhalten einen sehr schwach radioaktiven Stoff, der z. B. an Traubenzucker gekoppelt ist. Dieser sogenannte „Tracer“ verteilt sich im Körper und wird von den Tumorzellen aufgenommen. Anschließend werden im PET-Gerät Aufnahmen gemacht, die zeigen, wo und wie sich der markierte Traubenzucker im Körper anreichert. Da Krebszellen meist aktive Stoffwechsel besitzen, findet sich darin viel vom verabreichten zuckerhaltigen Tracer. In der modernen Diagnostik am UKW wird das nuklearmedizinische PET-Verfahren mit dem Computertomographie-Bildgebungsverfahren (CT) aus dem Fachbereich Radiologie kombiniert: Zusammen mit den PET-Aufnahmen werden auch CT-Abbildungen gemacht, die die anatomische Lage der leuchtenden Krebszellen per Röntgenaufnahme darstellen. Die Methodenkombination verbessert die diagnostische Aussagekraft bei Tumortherapien.
Prof. Dr. Samuel Samnick vor dem geöffneten Zyklotron zur Erzeugung von Radionukliden im Interdisziplinären PET-Zentrum.
Die Königsklasse der Nuklearmedizin Professor Samnick, der das PET/CT-Zentrum in der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin am UKW leitet, erinnert sich gerne an die erfolgreiche Entstehungsgeschichte zurück. „2009 begannen wir mit dem Aufbau des PET-Zentrums. Man konnte sich kaum vorstellen, dass aus den Baugruben und über die Hürden der Bau-, Arbeits- und Strahlenschutzgesetze hinweg ein medizinisches Zentrum wachsen würde, das heute seinesgleichen in Deutschland sucht.“ Dabei liegen Teile der Einrichtung, wie das gewaltige Zyklotron, das radioaktive Bestandteile für Radiopharmaka produziert, unsichtbar unter der Erde. Heute wachsen große Bäume darüber. „Auch wenn man von den Geräten und Laboren von außen wenig sieht, steht die Nuklearmedizin im Mittelpunkt vieler Therapien“, erläutert Professor Samnick den Stellenwert des Fachs. „So ist sie, beginnend bei der Diagnose bis hin zur Kontrolle des Therapieerfolgs, bei onkologischen Behandlungen unverzichtbar.“ Die Universitätsklinik Würzburg war bereits in der nuklearmedizinischen Behandlung von Schilddrüsenerkrankungen erfolgreich. „Mit der Errichtung des PET/CT-Zentrums sind wir dann in die Champions League der nuklearmedizinischen Untersuchungsmöglichkeiten aufgestiegen“, freut sich Professor Samnick, mit dessen Medikamenten am UKW Menschen behandelt werden, die dafür aus der ganzen Welt anreisen. Ihre Zahl hat sich in den letzten zehn Jahren verachtfacht und liegt bei rund 5000 pro Jahr. Die Handhabung der Radiopharmaka ist allerdings nicht trivial: „Die radioaktiven Wirkstoffe haben mitunter kurze Halbwertszeiten – von knapp zwei Stunden bis hin von nur wenigen Minuten“, so der Experte. „Das heißt: Die Strahlung halbiert sich nach dieser Zeit – und die Medikamente werden nutzlos.“ Daher folgen Medikamenten-Herstellung und Behandlung einem streng getakteten Zeitplan: „Wir stellen die Medikamente in der Regel kurz vor der Anwendung am Patienten in unseren Labors her. Da kommt es vor, dass wir schon um vier Uhr früh mit der Produktion beginnen. Das geht nur dank unseres erfahrenen, hochmotivierten und gut eingespielten Teams.“
Nachweis eines neuroendokrinen Tumors mittels PET/CT
Große Zukunft für strahlende Teilchen Große Erwartungen setzt Professor Samnick auch in die Zukunft seiner Radiopharmaka. Im Mittelpunkt steht dabei die „Theranostik“ – gebildet aus Therapie und Diagnose: Radioaktive Medikamente geben im Körper zielgerichtet Strahlung an Krebszellen ab und zerstören sie – ganz individuell auf Patienten zugeschnitten. „Anders als die Strahlentherapie, bei der Strahlung von außen in den Körper gelangt, wirkt die Strahlung bei der Theranostik von innen“, erläutert er. „Die Wirkung ist zielgerichtet und schont gesundes Gewebe.“ Dass manchen die radioaktive Strahlung suspekt ist, gerade wenn sie in den menschlichen Körper eingebracht wird, kann Samuel Samnick nachvollziehen – und beruhigt: „Gängige nuklearmedizinische Behandlungen belasten den Körper kaum.“ Denn Radiopharmaka strahlen wenig, haben kurze Halbwertszeiten und werden rasch ausgeschieden. www.ukw.de/nuklearmedizin
Text: Jörg Fuchs, Fotos: Christoph Weiß
Im Vergleich: Nuklearmedizin und Radiologie
Auch wenn sie oft gleichgesetzt werden, unterscheiden sich Nuklearmedizin und Radiologie in Anwendung und Methoden: Die Nuklearmedizin arbeitet mit radioaktiven Stoffen, wie Tracern, um bestimmte Zellfunktionen sichtbar zu machen – man kann den Zellen bei der Arbeit zusehen. Die Radiologie stellt mit Röntgenstrahlung, z. B. im Röntgengerät oder Computertomograph, Gewebe dar. Damit lassen sich zum Beispiel Knochenbrüche diagnostizieren oder Schnittbilder des Körpers erstellen. Das PET-CT-Verfahren vereint Methoden aus diesen beiden medizinischen Fächern: Die Tracer zeigen Stoffwechselvorgänge im Körper, das CT erstellt hochauflösende Bilder davon.