STUDIE

Was hilft gegen Herz­schmerz?

In einer Übersichtsarbeit im Nature Reviews nahmen Wissenschaftler aus Würzburg, Essen und Mainz die derzeitigen medikamentösen Therapien bei Angina Pectoris unter die Lupe.

Bild: str33tcat - stock.adobe.com

Etwa fünfeinhalb Millionen Menschen leiden hierzulande an der Koronaren Herzkrankheit, kurz KHK. Durch die Verengung der Herzkranzgefäße kommt es zu Durch­blutungs­störungen, der Herzmuskel wird nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Die Folge: Brustenge und brennende Schmerzen, vor allem bei Belastung – Angina Pectoris. Nachdem die European Society of Cardiology (ESC) bei der Überarbeitung der Leitlinien im Jahr 2019 die Empfehlung aufgenommen hatte, die antianginöse medikamentöse Behandlung zu personalisieren, prüfte Prof. Dr. Christoph Maack, Sprecher des Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI) gemeinsam mit dem Mediziner Edoardo Bertero, dem Pathophysiologen Gerd Heusch vom Uniklinikum Essen und dem Kardiologen Thomas Münzel von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz die Studien­lage und entwickelte einen Kompass für die Behandlung von Patienten*innen mit chronischem Koronarsyndrom mit und ohne Herzinsuffizienz. Mit dem Kompass haben nun alle Ärzt*innen eine schnelle Entscheidungshilfe an der Hand.

Personalisierte Medizin bei Angina Pectoris Klassische Medikamente gegen den Brustschmerz sind Betablocker, Kalzium­antagonisten und Nitrate. Sie verringern den Sauerstoffverbrauch des Herzens, erweitern die Gefäße und verbessern so die Durchblutung des Herzmuskels. Zur neuen Medikamenten­generation gehören Wirkstoffe wie Ranolazin, Trimetazidin und Ivabradin. Während Ivabradin die Herz­frequenz verlangsamt, greifen Ranolazin und Trimetazidin in den Stoffwechsel des Herzens ein. Doch es gibt bislang für kein Medikament den Nachweis, dass es die Prognose verbessert. Für die klassischen Medikamente fehlen die großen Studien, für die neuen Wirkstoffe erbrachten die Studien Sicherheit, aber keine Evidenz für eine Lebensverlängerung. Kein Medikament ist deutlich besser als das andere. „Es sei denn, man nimmt die Auslöser der Erkrankung und die Pathophysiologie bei jeder einzelnen Patientin und jedem einzelnen Patienten als Entscheidungs­grundlage für die Behandlung“, bemerkt Christoph Maack, Leiter der Translationalen Forschung am DZHI. Wichtige Parameter des Kompasses sind Blutdruck und Herzfrequenz. Hier sind nicht nur die hohen Werte relevant, sondern auch die normalen und niedrigen. Die Kombination sei entscheidend, so Maack. Ist der Blutdruck höher als 140 zu 80 mmHg, und liegt die Herzfrequenz über 70 Schlägen pro Minute, werden zum Beispiel Beta­blocker und Nitrate empfohlen, bei reduzierter Herzleistung kann neben Beta­blockern auch Ivabradin gegeben werden, bei erhaltenem Auswurf sind Kalzium­antagonisten ratsam. Bei niedrigem Puls und Blutdruck bietet sich die Einnahme von Ranolazin und Trimetazidin an.

CCB Kalziumantagonisten; CCB-DHP Kalziumkanalblocker vom Dihydropyridin-Typ; LAN langwirksame Nitrate; RNLZ Ranolazin; TMZD Trimetazidin; rEF Herzinsuffizienz mit reduzierter systolischer Funktion; pEF erhaltene linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF > 40 %).

Die Palette der pharmazeutischen Behandlungsmöglichkeiten bei Angina Pectoris wächst. Doch kein Medikament verlängert das Leben, und keines ist dem anderen wirklich überlegen. Wer jedoch Medikamente personalisiert verschreibt, der kann zumindest die Lebensqualität seiner Patient*innen deutlich verbessern. Das DZHI entwickelte gemeinsam mit dem Uniklinikum Essen und der Universität Mainz einen antianginalen Kompass.

© adaptiert von Bertero et al., Nat Rev Cardiol 2021

Gesunder Lebensstil, Statine und Ranolazin bei Diabetes Das Herz verstoffwechselt 70 bis 80 Prozent Fettsäuren und 10 bis 20 Prozent Zucker. Bei der Metabolisierung der Glukose benötigen die Mitochondrien, die Kraftwerke unserer Zellen, allerdings weniger Sauerstoff für die Energie­gewinnung als bei der Verarbeitung von Fettsäuren. Die Wirkstoffe Ranolazin und Trimetazidin blockieren die Fettsäure­verstoff­wechselung. Das Herz ist flexibel und schaltet automatisch auf Glukose um. Ranolazin reduziert darüber hinaus den Natrium­einstrom in den Zellen, was wiederum günstig in den ­Kalziumhaushalt eingreift. Durch die Reduzierung des ­Kalziums entspannen sich die Herz­muskel­zellen, die Durchblutung bessert sich.

Bei Diabetes ist die Gabe von Ranolazin besonders wirksam, da durch die verbesserte Aufnahme von Zucker in die Zellen die Blutzuckerspiegel abnehmen. Ferner, und das ist gut belegt, hilft ein gesunder Lebensstil. Dazu gehören Nikotin­verzicht, gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung und das Erlangen sowie Halten des Normal­gewichts. Auch Statine sind Teil des Behandlungsplans bei Diabetikern, da sie ein höheres Risiko für Ereignisse wie zum Beispiel Infarkte haben. Die Statine senken das Cholesterin, stabilisieren die Gefäßinnenschicht und schützen so vor ­einem Infarkt, der oft durch akutes Auf­reißen der Gefäß­innenschicht ver­ursacht wird. Positiver Stress fürs Herz – Schutz durch Präkonditio­nierung Ob das Aufdehnen eines verengten Herzkranzgefäßes mittels Katheter und die Implantation eines Stents ratsam sind, sollte den Autoren zufolge ebenfalls individuell entschieden werden. „Bei der KHK in stabiler Situation bringt die Katheterbehandlung zwar meist eine Verbesserung der Symptome, verlängert aber auch nicht das Überleben“, so Maack. Somit könnte ein personalisierter Medikamentenplan oft eine sinnvolle Alternative zum Katheter sein. Medika­mente könnten dem Muskel helfen, mit der Eng­stelle umzugehen. „Ein bisschen Stress kann dem Herzen auch guttun“, schildert Maack die so genannte Präkonditionierung. „Das Herz aktiviert molekulare Selbst­schutz­mechanismen und optimiert seinen Stoffwechsel, sodass es resistenter gegen Sauer­stoff­mangel wird.“

Details zu den Mechanismen können Interessierte in der Fachzeitschrift Nature Reviews Cardiology nachlesen: Edoardo Bertero, Gerd Heusch, Thomas Münzel, Christoph Maack. A pathophysiological compass to personalize ­antianginal drug treatment. Nat Rev Cardiol (2021). https://doi.org/10.1038/s41569-021-00573-w

Autorin: Kirstin Linkamp