Das Patientenblut wird mit einem bestimmten Verfahren in seine einzelnen Bestandteile aufgetrennt. Die so isolierten Monozyten dienen als Ausgangsstoff für die Herstellung der dendritischen Zellen (= Abwehrzellen des Immunsystems).
Wie Immunzellen gegen Krebs mobil gemacht werden
Seit Jahren helfen Immunzellen schon bei Blut- und Lymphdrüsenkrebs. Das UKW will sie auch gegen andere Krebsarten einsetzen und hat ein Zentrum für Zelluläre Immuntherapie gegründet.
Wie Immunzellen gegen Krebs mobil gemacht werden
Seit Jahren helfen Immunzellen schon bei Blut- und Lymphdrüsenkrebs. Das UKW will sie auch gegen andere Krebsarten einsetzen und hat ein Zentrum für Zelluläre Immuntherapie gegründet.
Das Patientenblut wird mit einem bestimmten Verfahren in seine einzelnen Bestandteile aufgetrennt. Die so isolierten Monozyten dienen als Ausgangsstoff für die Herstellung der dendritischen Zellen (= Abwehrzellen des Immunsystems).
Fünf leere Beutel hängen an einer Maschine im Untergeschoss der Kinderklinik. Hier im Zelltherapielabor sind alle startklar und warten nur noch auf eines: einen sechsten Beutel. Der ist gefüllt mit einem Zellkonzentrat, welches einer kleinen Patientin zwei Stockwerke höher mit Hilfe einer anderen Maschine aus ihrer Vene entnommen wurde. Was die Ärzte aus diesem Beutel benötigen, ist eine bestimmte Sorte weißer Blutkörperchen: Als Monozyten zirkulieren sie im Blut, als dendritische Zellen lassen sie sich im Gewebe nieder, wo sie fremdes Eiweiß erkennen, danach in Lymphknoten andere Immunzellen alarmieren und so die Initialzündung für eine Immunantwort geben können.
Für die Patientin könnten diese Zellen eine Hoffnung sein. Denn das neunjährige Mädchen leidet an dem aggressiven Hirntumor Glioblastom. Auch nach Operation, Bestrahlung und Chemotherapie beträgt die durchschnittliche Überlebenszeit bei dieser Krebserkrankung nur einige Monate. Nun hofft man, die Chancen des Kindes durch eine ergänzende Immuntherapie zu verbessern. Das Prinzip, das dahintersteckt, wird schon seit Jahren angewandt, allerdings bisher nur im Rahmen individueller Heilversuche. Mittlerweile ist es den Ärzten der Kinderklinik gelungen, diese neue Behandlungsform in eine Therapieoptimierungsstudie einzubringen, in der ein ganzes, umfassendes Behandlungskonzept kontrolliert und wissenschaftlich begleitet den Patienten angeboten werden kann. „Tumorimpfung“ brachte noch keinen Durchbruch Die Behandlung mit dendritischen Zellen wird auch als „Tumorimpfung“ bezeichnet. Mit einer Zentrifuge trennt man die Monozyten von den restlichen Blutbestandteilen und lässt sie in einer Kultur zu dendritischen Zellen heranreifen. An Tag 7 gibt man den Zellen außerdem patienteneigenes Tumorgewebe zum „Verdauen“: Ein kleines Stückchen vom operativ entfernten Hirntumor der Patientin wurde bereits so bearbeitet, dass nur noch Eiweißstücke übrig sind. Die dendritischen Zellen werden mit diesen Tumorproteinen „beladen“ und der Patientin wie ein Impfstoff in die Haut gespritzt. So wird eine Immunantwort gegen das Tumorgewebe angestoßen, von der man hofft, dass sie restliche Krebszellen, die OP, Bestrahlung und Chemo überlebt haben, erkennt und ausmerzt.
Das Patientenblut wird mit einem bestimmten Verfahren in seine einzelnen Bestandteile aufgetrennt. Die so isolierten Monozyten dienen als Ausgangsstoff für die Herstellung der dendritischen Zellen (= Abwehrzellen des Immunsystems).
Revolution in der Onkologie „Immuntherapien haben die Onkologie revolutioniert und in den letzten Jahren Erfolge erzielt, die bislang undenkbar waren“, sagt Prof. Matthias Eyrich, Kinderonkologe und Leiter des Zelllabors. Einige setzen auf Antikörper, andere auf Zellen. Doch während etwa CAR-T-Zellen bei bestimmten Krebsarten spektakuläre Behandlungserfolge brachten und bereits zugelassen sind, gab es bei den Tumorimpfungen bis jetzt noch keinen Durchbruch. Bei Mäusen konnte man bereits komplette Heilungen erzielen. Aus bisherigen Erfahrungen weiß man, dass das Prinzip auch beim Menschen generell funktioniert, die Effekte sind jedoch relativ schwach. Beim Glioblastom etwa zeigt sich ein Überlebensvorteil bislang hauptsächlich im ersten Jahr. „Der Tumor hat gezielte Mechanismen, um den Angriffen der Immunzellen zu entgehen, deshalb wird die Immunantwort, die wir mit den dendritischen Zellen auslösen, häufig stark gedämpft“, erläutert Eyrich. Im Rahmen der klinischen Studie am UKW will man nun etwas Neues versuchen: Die Impfung mit den dendritischen Zellen wird mit sogenannten Checkpoint-Inhibitoren kombiniert. Diese Wirkstoffe sollen bildlich gesprochen die Bremse des Immunsystems bei Krebs lösen. Allein für sich genommen waren Tumorimpfungen und Checkpoint-Inhibitoren beim Glioblastom bisher wenig effektiv. Eine Kombination könnte zu einer gegenseitigen Verstärkung der beiden Mechanismen führen und somit bessere Ergebnisse bringen, so die Hoffnung.
Mitarbeiter des Zelltherapielabors im Reinraum bei der Präparation des Tumorimpfstoffes.
Neues Zentrum soll zelluläre Immuntherapien voranbringen Dendritische Zellen sind nur eines von 16 verschiedenen Produkten, die das hochspezialisierte Zelltherapielabor der Kinderklinik herstellt. Hauptsächlich werden Stammzellen für Transplantationen bei Kindern und Erwachsenen aufbereitet und gelagert. Stammzellspenden, die nicht optimal zum Empfänger passen, können so bearbeitet werden, dass sie trotzdem verträglich sind.
„Unser Hauptinteresse besteht darin, neben der Routineversorgung neue Therapien zu entwickeln“, sagt Eyrich. Deshalb hat er gemeinsam mit dem CAR-T-Zell-Spezialisten Prof. Michael Hudecek von der Medizinischen Klinik II (Med. II) ein neues Zentrum für zelluläre Immuntherapie (ZenITh) ins Leben gerufen. Sowohl an der Kinderklinik als auch an der Med. II werden schon seit über 15 Jahren Immuntherapien angewendet. Die meisten Erfahrungen und Erfolge gibt es bisher mit Blut- und Lymphknotenkrebs, immer mehr rücken aber auch andere Krebserkrankungen wie etwa Hirntumoren oder Hautkrebs in den Fokus der Mediziner. „Es zeigt sich, dass es ungleich schwieriger ist, solide Tumoren mit Immuntherapien zu behandeln, aber auch dies wird gelingen“, glaubt Eyrich.
Die Erwartungen an das neue Zentrum: „Wir wollen sowohl die Behandlungskapazitäten steigern als auch die Anwendungsgebiete ausweiten“, sagt Hudecek – also die zellulären Immuntherapien für noch mehr Krebspatienten und bei noch mehr unterschiedlichen Tumorarten anbieten. Letztlich hilft eine Zentrumsstruktur auch bei der Umsetzung von Forschungsvorhaben und beim Anwerben von Fördergeldern. Zelllabor soll weiter wachsen Da zelluläre Immuntherapien für jeden einzelnen Patienten individuell hergestellt werden müssen, spielt das Speziallabor eine wesentliche Rolle. Zellprodukte werden rechtlich als Arzneimittel angesehen, unterliegen daher den strengen Anforderungen der Good Manufacturing Practice (GMP) und müssen unter anderem unter Reinraumbedingungen hergestellt werden, was einen enormen Aufwand bedeutet. Die Produktbreite des Labors ist bayernweit bereits einzigartig, soll aber noch erweitert werden.
Text: Martina Häring, Fotos: Daniel Peter