Sport ist gesund – aber oft riskant
Seit der Coronakrise haben sich Art und Umfang von Sportverletzungen verändert. Besonders das E-Bike-Fahren erlebt ein Hoch, aber schwerere Verletzungen sind die Kehrseite der Medaille.
Sport ist gesund – aber oft riskant
Seit der Coronakrise haben sich Art und Umfang von Sportverletzungen verändert. Besonders das E-Bike-Fahren erlebt ein Hoch, aber schwerere Verletzungen sind die Kehrseite der Medaille.
Wer mit Mitarbeitern von Notaufnahmen spricht, der wird dort am Wochenende einen Satz immer wieder hören: „Jetzt kommen die Fußballer!“ Gemeint ist der Samstag-nachmittag, wenn viele Freizeitsportler aktiv werden und sich, zum Teil nach längerer Sportpause, überschätzen oder überfordern. Zu dieser Zeit ereignen sich deutlich mehr Sportunfälle als sonst.
Seit einiger Zeit hat sich die Situation aber verändert, denn Fußballer und andere Mannschaftssportler kommen seltener in die Notaufnahmen der Kliniken. Sie werden abgelöst durch Individualsportler, vor allem Fahrrad- und E-Bike-Fahrer sowie Inline-Skater. Besonders seit der Coronakrise ist diese Tendenz vermehrt zu beobachten. Durch Kontaktbeschränkungen motiviert, haben sich viele aktiv Sporttreibende ein Fahrrad gekauft. Eine große Anzahl davon steigt zum ersten Mal nach längerer Zeit wieder auf das Rad, weshalb sich einige beim Kauf gleich für ein mit Elektromotor unterstützt angetriebenes Rad entscheiden. Zwar ist die Entscheidung für mehr Bewegung, insbesondere für eine Ausdauersportart, aus medizinischer Sicht zu begrüßen. Doch viele Menschen übertreiben es, überschätzen sich und stürzen.
Sportwissenschaftler und Oberarzt Dr. Kai Fehske
Welche Verletzungen? Das Verletzungsmuster von Individualsportarten unterscheidet sich wesentlich von dem der Mannschaftssportarten. Während Fußballer, Handballer, Basketballer und andere vermehrt Verletzungen der unteren Extremitäten erleiden, sind bei Individualsportlern, wie Radfahrern, E-Bikern und Inline-Skatern, in der Mehrzahl die oberen Extremitäten betroffen. Die typischen Unterschenkelbrüche und Kreuzbandrisse, die sich Sportler auf dem Spielfeld zuziehen, werden in den Notaufnahmen der Krankenhäuser abgelöst von sturzbedingten Verletzungen an Handgelenken, Unterarmen, Ellenbogen und Schultern. „Viele dieser Verletzungen gehen mit Gelenkbeteiligung einher und müssen operiert werden, um spätere Fehlstellungen und Funktionseinschränkungen zu vermeiden“, wie Dr. Kai Fehske, Sportwissenschaftler und Oberarzt für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie an der Uniklinik Würzburg, ausführt. Aber der Arzt sieht für diese Entwicklung nicht nur die Sportler in der Schuld, sondern beklagt zu enge Radwege und mittlerweile zu viel Verkehr. Dazu müssten sich Inliner, E-Bikes und Räder sowie oft auch Elektroroller diesen engen Weg teilen, was zwangsläufig die Gefahr von Unfällen erhöht. Problem E-Bike Wer sich für den Kauf eines Fahrrades mit elektronischer Unterstützung entscheidet – im vorigen Jahr hatten die E-Räder bereits einen Marktanteil von mehr als 31 Prozent aller Fahrräder – tut dies aus einem anderen Grund als der Käufer eines „normalen“ Fahrrades: Man möchte gerne noch in Bewegung bleiben, aber nicht mehr mit so viel Krafteinsatz und Ausdauerleistung. Das heißt, das E-Bike-Publikum ist in der Regel älter als jenes, das Fahrrad fährt. Und damit nehmen auch die Probleme zu, wie Dr. Fehske erklärt: „E-Biker sind oft älter und vorerkrankt. Dazu kommt, dass ab einem Alter von etwa 65 Jahren häufig eine gewisse Grundkondition nicht mehr vorhanden ist und es kognitiv schwerer wird, Verkehrssituationen richtig einzuschätzen.“ Da überrascht es kaum, dass das Risiko eines Verkehrsunfalls mit Todesfolge rund dreimal höher ist als bei einem Unfall mit einem nicht motorisierten Fahrrad, so Fehske. Hinzu kommt ein Abbau von Muskelmasse und die Entkalkung von Knochen im Alter, wenn Bewegung fehlt und die Ernährung dem nicht entgegenwirkt. Denn grundsätzlich ist eine Altersgrenze für die Ausübung von Sport nicht nennbar, so der Experte. Wann soll man zum Arzt? Wer bei sportlicher Betätigung stürzt oder sich anderweitig verletzt, stellt sich die Frage, ob ein Arztbesuch angebracht ist. Dr. Fehske rät immer dann zu einem Arztbesuch, wenn Riss- oder Schnittwunden zu beklagen sind, vor allem aber, wenn eine Hautrötung zu beobachten ist, die in Richtung Herz aufsteigt. „Dies ist ein deutliches Alarmzeichen und man sollte sich in die Notaufnahme einer Klinik begeben.“ Auch wenn Schwellungen und Umfangszuwächse der Extremitäten sichtbar werden, ist ein Arztbesuch angeraten, vor allem, wenn gerinnungshemmende Medikamente eingenommen wurden. Auch Funktionseinschränkungen, besonders im Ellenbogen- und Handbereich, machen einen Gang zum Arzt erforderlich. Hier kann es unter Umständen passieren, dass bei Nichtbeachtung dauerhafte Schäden bleiben und die Beweglichkeit für immer einschränken. „Vor allem bei Kopfverletzungen sollte man sehr aufmerksam sein und sofort die Notaufnahme aufsuchen, wenn sich Gedächtnislücken, Schwindel, Doppelbilder bemerkbar machen oder wenn man erbrechen musste“, warnt Dr. Fehske.
Text: Dr. Bernhard Rauh, Fotos: Getty Images, Uniklinik
Sportverletzungen Wann sollten Sie zum Arzt?
- bei Riss- und Schnittwunden mit aufsteigender Rötung (Blutvergiftung)
- bei deutlichen Schwellungen
- bei Funktionseinschränkungen von Gelenken
- bei Kopfverletzungen
- bei Schwindel, Erbrechen, Doppelbildern, Gedächtnislücken
- bei schweren Prellungen
Sechs Tipps, um Sportverletzungen mit dem E‑Bike zu vermeiden:
- auf intakte Ausrüstung achten
- Ausrüstung richtig kennenlernen
- Helm tragen!
- Grundkondition sollte vorhanden sein
- Fahrsicherheitstraining vor E-Bike-Kauf
- umsichtig fahren – Kollisionen vermeiden