Modernste Technik im Operationssaal.
Revolution in der Schlaganfalltherapie
Ein Patient wird mit Schlaganfallsymptomen in das Universitätsklinikum eingeliefert. Er muss schnellstmöglich behandelt werden, um sein Leben zu retten, Pflegebedürftigkeit abzuwenden und schwere Behinderungen, durch Beeinträchtigung der Sprache oder Lähmungen, zu vermeiden. Prof. Dr. Mirko Pham, Leiter des Instituts für Neuroradiologie, schildert wichtige Entwicklungen in der Schlaganfalltherapie.
Revolution in der Schlaganfalltherapie
Ein Patient wird mit Schlaganfallsymptomen in das Universitätsklinikum eingeliefert. Er muss schnellstmöglich behandelt werden, um sein Leben zu retten, Pflegebedürftigkeit abzuwenden und schwere Behinderungen, durch Beeinträchtigung der Sprache oder Lähmungen, zu vermeiden. Prof. Dr. Mirko Pham, Leiter des Instituts für Neuroradiologie, schildert wichtige Entwicklungen in der Schlaganfalltherapie.
Modernste Technik im Operationssaal.
Was macht den Schlaganfall so gefährlich? Ein Schlaganfall ist eine lebensbedrohliche Notfallsituation mit extremer Zeitnot. Der plötzliche Auslöser dafür ist meist der Verschluss einer Hirnarterie durch ein vom Herzen zum Gehirn ausgeschwemmtes Blutgerinnsel. In der Forschung können wir immer deutlicher erkennen, dass rasch auftretende Entzündungsreaktionen im Gehirn die unterversorgten Nervenzellen in der Frühphase eines Schlaganfalls schädigen. Schätzungen zufolge sterben in jeder Minute, in der das Blutgefäß verschlossen bleibt, rund zwei Millionen Nervenzellen, 14 Milliarden Nervenzellverknüpfungen und 12 Kilometer Nervenfaserbahnen im Gehirn. Durch radiologische Verfahren können wir messen, wie viel des Gehirns bereits abgestorben ist und welche Gehirnareale bedroht aber durch Gefäßwiedereröffnung noch gerettet werden können. Dadurch können wir präzise entscheiden, für welche Patienten das verschlossene Hirngefäß durch Katheterbehandlung oder Medikamentengabe wieder eröffnet werden kann.
Prof. Dr. Mirko Pham
Welche Entwicklungen gibt es bei der Behandlung von Schlaganfällen? Mikrokatheter – winzige Gummischläuche die bis in die Hirnarterien vorgeschoben werden können –, Stent-Körbchen zum Bergen der Blutgerinnsel sowie radiologische Diagnostik haben die Schlaganfallmedizin revolutioniert. Der Durchbruch dieser Techniken gelang in den Jahren 2015–2018 durch mehrere klinische Studien von hoher Qualität. Dank dieser neuen Behandlungstechniken können wir heute deutlich mehr und stärker betroffene Patienten hocheffektiv behandeln. Oft ist selbst in schweren Fällen eine Gefäßwiedereröffnung sogar noch sechs bis acht, manchmal auch bis zu 24 Stunden nach Symptombeginn möglich. Profitiert hat von den neuen Verfahren nicht nur die Schlaganfalltherapie. Auch Behandlungen anderer Erkrankungen der Gehirngefäße sind möglich. Dazu zählen Gefäßverengungen, sogenannte Stenosen, Gefäßwandschwachstellen und Aneurysmen, das sind Aussackungen der Gefäßwände. Die hochspezialisierten Behandlungsverfahren werden am UKW durch die Neuroradiologie in enger Zusammenarbeit mit der Neurologie, Neurochirurgie und Anästhesiologie durchgeführt.
Wie werden diese Methoden am Uniklinikum Würzburg eingesetzt? Kleinste Mikrokatheter, Mikrostent-Körbchen und Mikrodrähte, die feinsten davon kaum dicker als ein Haar, führen wir durch Hautschnitte in der Leiste in große Blutgefäße ein. Über Stabilisierungskatheter im Gefäßinneren werden sie in die Gehirngefäße geleitet. Mit ihnen können wir das Blutgerinnsel in wenigen Minuten oft vollständig beseitigen. Hochmoderne Röntgensysteme stellen währenddessen Positionen und Bewegungen der Instrumente mit einer Genauigkeit von bis zu 100 Mikrometern in Echtzeit, dreidimensional und aus allen Blickwinkeln dar. Sie erlauben uns eine exakte Steuerung der feinen Geräte. Was sind die Herausforderungen bei der Therapie? Die Devise beim Schlaganfall lautet »Zeit ist Gehirn«! Wir kämpfen um jede Minute, wobei wir nicht überall Einfluss nehmen können – zum Beispiel auf die Zeit, in der Patienten zu uns transportiert werden müssen.
Die Devise beim Schlaganfall lautet »Zeit ist Gehirn«!
Hier am Uniklinikum ist alles auf Zeitersparnis ausgerichtet. In zwei modernsten Gefäßkatheter-OP-Räumen können wir Eingriffe gleichzeitig durchführen. Einer dieser Räume liegt sehr nah beim Computertomograph, wo Schlaganfallpatienten unmittelbar vor der Katheterbehandlung untersucht werden müssen. Die für die Behandlung optimierten kürzesten Wege sparen uns und den Kollegen aus der Neurologie und der Anästhesie wertvolle Minuten. Aber am liebsten würden wir die Zeit ganz anhalten, bis das Gefäß wiedereröffnet werden kann. Denn vor allem die bei einem Schlaganfall sofort nach dem Gefäßverschluss einsetzenden Entzündungsreaktionen stellen wahrscheinlich eine große Gefahr für das Gehirn dar. Das wird weltweit zunehmend in der Schlaganfallforschung erkennbar. Kürzlich gelang es unserer interdisziplinären Würzburger Arbeitsgruppe aus Wissenschaftlern der Neuroradiologie (Dr. Kollikowski, Prof. Dr. Pham), der Neurologie (PD Dr. Schuhmann, Prof. Dr. Müllges, Prof. Dr. Stoll) sowie Herrn Professor Dr. Nieswandt vom Rudolf-Virchow-Zentrum für Experimentelle Biomedizin durch Mikrokatheterverfahren, diese Entzündungsreaktion des Gehirns erstmals im Menschen direkt während des Schlaganfalls nachzuweisen.
Untersuchung im MRT.
Lassen sich diese Entzündungen aufhalten? Dank dieser Forschungen wurde ein früher aber sehr wichtiger Meilenstein erreicht, um den sehr aufwendigen Prozess der Medikamentenentwicklung zu lenken. Das Ziel ist es, dass eines Tages ein geeignetes Medikament bereits vom Notarzt verabreicht wird, um die Entzündung zu bremsen und das Absterben von Nervenzellen zu verlangsamen. Dadurch würde wertvolle Zeit gewonnen, bis der normale Blutfluss durch den Kathetereingriff in der Klinik wiederhergestellt werden kann. Wir dürfen sehr zuversichtlich sein, dass wir diese nächste Revolution der Schlaganfalltherapie effektiv vorbereiten und zum Wohle der Patienten innerhalb der nächsten zehn Jahre erleben können.
Text: Dr. Bernhard Rauh, Fotos: Daniel Peter, Uniklinik