Vieles wird behandelbar
Parkinson, Schlaganfall, Schmerzen: Wie durch Forschung und Fortschritt viele neurologische Krankheiten beherrschbarer werden, zeigt sich an den Schwerpunkten der Neurologischen Klinik.
Vieles wird behandelbar
Parkinson, Schlaganfall, Schmerzen: Wie durch Forschung und Fortschritt viele neurologische Krankheiten beherrschbarer werden, zeigt sich an den Schwerpunkten der Neurologischen Klinik.
Etwa 400 000 Menschen leiden in Deutschland an Morbus Parkinson, Tendenz steigend. Zittern, Muskelstarre, verlangsamte Bewegungen sind typische Symptome für die Krankheit. Ursache ist das Absterben bestimmter Nervenzellen im Gehirn. „Bisher kann man bei Parkinson nur die Symptome behandeln, nicht aber die Krankheitsursache“, erläutert Prof. Dr. Jens Volkmann. Der Direktor der Neurologischen Klinik ist ein Spezialist für Parkinson und andere sogenannte Bewegungsstörungen, die Neurologische Klinik ein internationales Referenzzentrum für schwere Formen dieser Erkrankungen.
Medikamente helfen in frühen Stadien meist gut gegen die Parkinson-Symptome. Doch irgendwann lässt die Wirkung nach. Dann können Pumpen für eine kontinuierlichere Wirkstoffkonzentration im Körper sorgen. Eine andere Option ist die Tiefe Hirnstimulation (THS): Ein sogenannter Hirnschrittmacher gibt über dünne Kabel elektrische Impulse in bestimmten Arealen des Gehirns ab. Das Verfahren, das es seit 25 Jahren gibt und das inzwischen Standard ist, hat Volkmann in Deutschland mit eingeführt: „Viele Kliniken führen die THS durch, aber nur wenige in so hoher Fallzahl wie wir.“
Klinikdirektor Prof. Dr. Jens Volkmann erklärt die Funktion eines sogenannten Hirnschrittmachers.
Dabei spielt die Erfahrung der Behandler für das Ergebnis eine sehr wichtige Rolle. Das gilt sowohl für die Neurologen als auch für die operierenden Neurochirurgen. Insbesondere die Platzierung der Sonden ist entscheidend für den Therapieerfolg, wie Volkmann erläutert: „Wir bewegen uns hier im Millimeter- und Submillimeterbereich. Leider sehen wir auch immer wieder Patienten aus anderen Kliniken, bei denen die Operation nicht gelungen ist und die dann bei uns erneut operiert werden müssen.“
Volkmann ist es deshalb ein großes Anliegen, in Zusammenarbeit mit dem Institut für Klinische Epidemiologie ein Qualitätsregister zur Überwachung der THS einzuführen. Gegenstand der Forschung ist aber auch der Wirkmechanismus der Behandlungsmethode, den man noch zu wenig versteht. „Man geht davon aus, dass die elektrische Reizung gestörte Regelkreise stimuliert und Netzwerke im Gehirn wieder ins Gleichgewicht bringt“, erklärt Volkmann. Das funktioniert auch bei Zittererkrankungen und Dystonien, also Krankheiten mit Muskelkrämpfen. Ob es auch bei Depression, Zwangserkrankungen und Demenz helfen kann, wird zurzeit in klinischen Studien erprobt.
Professorin Nurcan Üçeyler hat mit ihrer Arbeit an der Klinik einen Paradigmenwechsel eingeleitet.
Schwere Schlaganfälle nicht mehr schicksalhaft Ein weiterer Schwerpunkt der Klinik ist die Behandlung von Schlaganfällen. „Zwei Drittel unserer stationären Patienten kommen über die Notaufnahme, viele von ihnen wegen eines Schlaganfalls“, so Volkmann. Weil dabei jede Minute zählt, müssen Schlaganfallpatienten aber auch in den dünn besiedelten Landkreisen optimal behandelt werden. Um das gut zu organisieren, ist die Neurologische Klinik über das Telemedizin-Netzwerk TRANSIT-Stroke mit Kliniken in Würzburg, Schweinfurt, Bad Neustadt, Lohr, Aschaffenburg und acht weiteren Standorten vernetzt.
Im Optimalfall versucht man beim Schlaganfall das Blutgerinnsel im Gehirn mit Hilfe von Medikamenten schnellstmöglich auf einer Schlaganfallstation aufzulösen. Ist ein großes Hirngefäß hochgradig verschlossen, gibt es seit einigen Jahren noch eine weitere Behandlungsoption: Bei der Thrombektomie wird das Blutgerinnsel mit einem Katheter mechanisch herausgeholt. Volkmann: „Früher waren solche Schlaganfälle meist schicksalshaft. Die Thrombektomie kann heute bei früher Anwendung in jedem zweiten Fall schwere Folgen wie Halbseitenlähmung, Sprachverlust und im schlimmsten Fall den Tod verhindern.“
Der Eingriff wird von spezialisierten Neuroradiologen durchgeführt. „Entscheidend ist jedoch, dass die Patienten sehr früh von einem Neurologen gesehen und die richtigen Weichen für die Behandlung gestellt werden“, sagt Volkmann. TRANSIT-Stroke ermöglicht das durch eine Rund-um-die-Uhr-Bereitschaft spezialisierter Fachärzte, die sich per Video und elektronische Befundübermittlung ein Bild vom Patienten machen können. Paradigmenwechsel beim Fibromyalgie-Syndrom Schmerzen und insbesondere Nervenschmerzen bilden den dritten großen Schwerpunkt der Klinik. Auf diesem Gebiet hat die Arbeit der Professorin Nurcan Üçeyler mit Team einen Paradigmenwechsel eingeleitet. „Patienten mit dem Fibromyalgie-Syndrom, das mit chronischen Schmerzen, Schlafstörungen und Depressionen einhergeht, wurden lange Zeit psychiatrisiert“, berichtet Volkmann. Üçeyler konnte bei Fibromyalgie-Patienten jedoch Schäden an kleinen Nervenfasern nachweisen, sodass das Syndrom heute nicht mehr als psychosomatische Erkrankung eingestuft wird. Die Professorin forscht weiter daran, wie die Schmerzen bei dem Krankheitsbild entstehen. Darüber hinaus wird in Kooperation mit der Anästhesiologie versucht, mehr über die Entstehungsmechanismen von Schmerzen und ihrer Rückbildung zu erfahren.
„Insgesamt ist die Neurologie ein Schlüsselfach, das stark vernetzt arbeitet und zwingend Partner wie die Neurochirurgie oder die Neuroradiologie braucht“, so Volkmann. Noch vor 25 Jahren haben Neurologen überwiegend Diagnosen gestellt. Inzwischen hat sich das durch den medizinischen Fortschritt erheblich gewandelt. Multiple Sklerose etwa ist durch biologische Therapien heute beherrschbarer geworden. Und auch für seltene Erkrankungen gibt es Hoffnung: Bei der spinalen Muskelatrophie kann eine Gentherapie den Verlauf bereits verlangsamen. Volkmann: „Wir forschen sehr viel zu Krankheitsmechanismen. In zehn bis 15 Jahren werden wir viele Erkrankungen ursächlich behandeln können.“
Text: Martina Häring, Fotos: Thinkstock, Daniel Peter