Impfen: Eine wirksame Vorsorgemaßnahme
Hausärztinnen und -ärzte sind beim Impfen – neben den Kinderärzten – in Deutschland die wichtigste ärztliche Berufsgruppe. Deshalb sind Prof. Dr. Ildikó Gágyor und Prof. Dr. Anne Simmenroth, die Direktorinnen des Instituts für Allgemeinmedizin am Uniklinikum Würzburg, die Richtigen zur Beantwortung einiger, in der Öffentlichkeit immer wieder aufkommenden Fragen.
Grundimmunisierung, Auffrischung, Standardimpfung: Was ist das jeweils – und wer macht es wann? Prof. Ildikó Gágyor: Die Grundimmunisierung gegen die häufigsten vermeidbaren Erkrankungen findet in der Regel im Kindesalter statt und fällt in den Zuständigkeitsbereich der Kinderärzte. Im Kindesalter versäumte oder unvollständige Grundimmunisierungen werden häufig im Jugend- oder Erwachsenenalter in der hausärztlichen Praxis vervollständigt oder nachgeholt. Auch bei Menschen, die aus anderen Ländern nach Deutschland kommen, wird eine Grundimmunisierung durchgeführt, wenn diese nicht in ihrem Heimatland stattgefunden hat oder kein Impfdokument vorliegt. Die meisten Impfungen in der Hausarztpraxis sind jedoch Auffrischungsimpfungen, die in bestimmten Zeitabständen bei allen Menschen wiederholt werden sollten. Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten und Poliomyelitis sind hier die bekanntesten Kandidaten. Unter „Standardimpfungen“ versteht man Impfungen, die unabhängig von Alter und Vorerkrankung allen Menschen empfohlen werden. Im höheren Alter oder bei Patienten mit chronischen Krankheiten kommen besondere Indikationsimpfungen in Frage. Dabei ist neben der Pneumokokkenimpfung, die vor Lungenentzündung schützt, vor allem die saisonale Impfung gegen die Virusgrippe (Influenza) zu nennen. Seit zwei Jahren steht für diese Bevölkerungsgruppe zudem eine Impfung gegen die Gürtelrose (Herpes zoster) zur Verfügung. Zu den Indikationen für eine Impfung zählt auch der Aufenthalt in einem Risikogebiet. Da haben wir hier in Franken besonders die FSME-Impfung im Blick, denn Süddeutschland gehört zu den Risikoregionen. Wie hat sich das Impfangebot in den letzten Jahren entwickelt? Prof. Gágyor: Aufgrund neuer Impfstoffentwicklungen und aktueller Forschungsergebnisse werden die Impfempfehlungen jedes Jahr im Sommer von der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut aktualisiert (siehe auch Kasten). Vor etwa zehn Jahren ist eine neue Impfung gegen den Gebärmutterhalskrebs (HPV-Impfung) dazugekommen, die zunächst nur für Mädchen im Alter von neun bis 14 Jahren empfohlen wurde. Seit zwei Jahren gilt diese Empfehlung auch für Jungen, da sie über den Geschlechtsverkehr das HP-Virus an Frauen weitergeben können. Seit zwei Jahren ist der oben erwähnte Impfstoff gegen die Gürtelrose auf dem Markt, der allen Menschen ab 60 Jahren und chronisch Kranken ab 50 Jahren empfohlen wird. Neu ist auch, dass seit diesem Jahr allen Schwangeren zusätzlich zur Grippeimpfung auch die Impfung gegen Keuchhusten (Pertussis) nahegelegt wird, damit ihre Kinder nach der Geburt durch die mütterlichen Antikörper geschützt sind, man spricht auch vom „Nestschutz“. Und natürlich warten wir alle mit Spannung auf den oder die Impfstoffe gegen Covid-19, die dann vermutlich auch von den Hausärzten verimpft werden.
Gágyor: „Absolute Impfgegner sind eher eine Randerscheinung.“
Welche Impfungen liegen aktuell besonders im Trend? Prof. Anne Simmenroth: Zurzeit kommen viele Patientinnen und Patienten in unsere Praxen, die zu Beispiel von ihren jeweiligen Arbeitgebern, wie Schulen, Kindergärten oder Universitäten, zur Masernimpfung geschickt werden. Im März dieses Jahres wurde das Masernschutzgesetz verabschiedet. Es besagt, dass beispielsweise alle Menschen, die in Gemeinschaftseinrichtungen betreut werden oder arbeiten und nach 1970 geboren wurden, einen Masernimpfschutz nachweisen müssen. Ferner wurden in diesem Jahr aufgrund der Corona-Pandemie die Grippeimpfung besonders nachgefragt. Dahinter steht der Wunsch, das Gesundheitswesen zusätzlich zur Versorgung der Covid-Patienten nicht mit der Behandlung schwerer Grippeerkrankungen zu belasten. Nach der gleichen Überlegung wurde auch die Pneumokokkenimpfung besonders empfohlen. Bei beiden Impfstoffen kam es daraufhin zeitweise zu Lieferengpässen. In dieser Situation ist es wichtig, dass wir zuerst diejenigen Menschen impfen, die vor einer Influenza oder einer Lungenentzündung besonders gut geschützt werden sollten und daher besonders von den Impfung profitieren. Dazu zählen Schwangere, Menschen im Pflegeheim, chronisch Kranke und Hochbetagte. Auch Menschen, die diese Patientengruppen versorgen, wie Pflegekräfte oder Ärztinnen und Ärzte, sollten vorzugsweise gegen Grippe geimpft werden. Wie ist die Impfbereitschaft in Deutschland aktuell? Prof. Gágyor: Wie Umfragen zeigen, ist die Impfbereitschaft hierzulande grundsätzlich hoch. Absolute Impfgegner sind eher eine Randerscheinung – auch in den Hausarztpraxen. In Bezug auf die geplante Impfung gegen das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 zeigen sich neben Zuversicht auch Skepsis angesichts des beschleunigten Zulassungsverfahrens. Hier reagieren Einige zunächst erst einmal reserviert und wollen abwarten.
Simmenroth: „Impfungen sind gut wirksame Vorsorgemaßnahmen, deren Wirkung in Studien gut belegt sind.“
Mit welchen Herausforderungen sehen sich Hausärztinnen und -ärzte ansonsten noch beim Thema Impfen konfrontiert? Prof. Simmenroth: Manche Patienten sind durch Meldungen – zum Beispiel aus dem Internet – verunsichert, die vom Impfen generell oder vor einzelnen Impfungen abraten oder sogar Angst verbreiten. Wir haben dann die Aufgabe, in der Kürze der Zeit trotzdem sensibel und verständlich aufzuklären. Wir möchten niemanden zum Impfen zwingen, aber dazu beitragen, dass den Menschen die Möglichkeit gegeben wird, sich sachlich zu informieren und dann zu entscheiden. Denn grundsätzlich sind Impfungen gut wirksame Vorsorgemaßnahmen, deren Wirkung in Studien gut belegt sind.
Tipp für einen Überblick Das Robert-Koch-Institut bietet online einen Impfkalender an, der die empfohlenen Standardimpfungen für Säuglinge, Kinder, Jugendliche und Erwachsene enthält. www.rki.de Rubrik „Infektionsschutz" Unterrubrik „Impfen“
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