Ein Meilenstein für die Telemedizin
Die Studie PASSPORT-HF ebnet den Weg für die Telekardiologie in Deutschland. In Würzburg erhielt der erste Studienteilnehmer das CardioMEMS™HF System und wird von einer spezialisierten Herzinsuffizienzschwester betreut.
Eine verschleppte Grippe hat Michael Huber (Name wurde auf Wunsch des Patienten geändert) im Alter von 30 Jahren zum Patienten mit einer schweren Herzinsuffizienz gemacht. „Für mich war es eine Erkältung“, sagt der heute 39-Jährige aus dem oberfränkischen Forchheim. Doch die Erkältung hielt ein halbes Jahr an. Als er zunehmend bei Belastung blau anlief, klingelten beim Hausarzt die Alarmglocken, die Untersuchungen ergaben eine Herzmuskelentzündung, die das Herz schon massiv geschwächt hatte. Mit Tabletten und einem implantierten Defibrillator kämpfte er sich zurück ins Leben, arbeitete Vollzeit als Verkäufer – bis der Defibrillator im August diesen Jahres 53 Mal in nur einer Woche einen Schock auslöste. Wassereinlagerungen und Leber- und Nierenversagen kamen hinzu. Michael Huber wurde das Deutsche Zentrum für Herzinsuffizienz an der Uniklinik Würzburg empfohlen. Hier bot man ihm die Teilnahme an der neuen PASSPORT-HF Studie an. Fernüberwachung des Drucks in Lungenarterie kann Prognose verbessern Die vom DZHI geleitete und vom Institut für Herzinfarktforschung Ludwigshafen durchgeführte randomisierte PASSPORT-HF Studie prüft die Anwendung des CardioMEMSTM HF Systems im deutschen Gesundheitssystem. In den USA wurde bereits gezeigt, dass Herzinsuffizienzpatienten sich mittels Monitoring des Lungenblutdrucks besser behandeln lassen und Krankenhausaufenthalte und Sterblichkeit verringert sind. Ein Druckanstieg in der Pulmonalarterie lässt meist schon Wochen vorher eine drohende Entgleisung erkennen. So kann das Betreuungsteam, das täglich die Werte prüft, durch eine geeignete Therapieanpassung eine weitere Verschlechterung verhindern. PASSPORT-HF wird an etwa 40 Zentren in Deutschland durchgeführt. 560 Patienten mit einer schweren Herzinsuffizienz sollen aufgenommen und zunächst über zwölf Monate betreut werden. Die eine Gruppe (Intervention) erhält das CardioMEMSTM HF System, die andere Gruppe (Kontrolle) wird zu Studienbeginn angeleitet, sich selbst zu beobachten, also Blutdruck, Herzfrequenz, Gewicht und Wassereinlagerungen im Körper zu messen und zu dokumentieren. Die Ergebnisse werden telefonisch abgefragt und zur Optimierung der Therapie herangezogen. Rechtzeitig reagieren und Therapie flexibel anpassen Michael Huber sagte sofort zu. Das Los entschied, dass er das CardioMEMSTM HF System erhält. Somit ist er deutschlandweit der erste Patient, dem im Rahmen der PASSPORT-HF Studie ein Sensor implantiert wurde. Das Studienteam um Prof. Dr. Stefan Störk wies Michael Huber im Krankenhaus in das System ein. Daheim leitet der Franke nun täglich mit dem speziellen Auslesegerät seine Werte ab. Je nach Ergebnis wird die Therapie flexibel angepasst. „Ich habe große Hoffnung, dass bei einer Verschlechterung jetzt viel schneller und damit rechtzeitig reagiert werden kann“, sagt Michael Huber und ist froh, dass er an der Studie teilnehmen darf.
Michael Huber wurde von der Studienschwester Anett Heyne im Rahmen der PASSPORT-HF-Studie in die Anwendung des CardioMEMSTM HF Systems eingewiesen.
„Das CardioMEMS™ HF System liefert uns neue, bisher nicht zugängliche Informationen, Tag für Tag. Die Druckwerte sind jedoch nur ein Teil der Versorgungskette, sie stellen selbst noch keine Therapie dar“, sagt der Leiter der Studie, Prof. Dr. Stefan Störk. „Wichtig ist, dass die übertragenen Messwerte regelmäßig von einer geschulten Herzinsuffizienz-Pflegekraft und im Bedarfsfall zusätzlich vom Arzt betrachtet und interpretiert werden, sodass Medikation und Therapie zeitnah angepasst werden können. Der Mehrwert des CardioMEMS™ HF Systems hängt ganz entscheidend davon ab, dass der Patient die tägliche Messung durchführt und dann auch die Behandlungsempfehlungen umsetzt.“ Hoffnung auf leitlinien- und bedarfsgerechte Versorgung herzkranker Patienten Seit vielen Jahren setzt sich das DZHI für eine umfassende Versorgung von Patienten mit Herzinsuffizienz ein. Denn das hochkomplexe Krankheitsbild benötigt eine umfassende, multidisziplinäre Versorgung. Endlich besteht konkrete Aussicht darauf, dass herzkranke Patienten leitlinien- und bedarfsgerecht versorgt werden können. Denn erstmals haben der GKV-Spitzenverband und die Kassenärztliche Bundesvereinigung telemedizinisch erbrachte kardiologische Leistungen in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) aufgenommen. Im Rahmen der PASSPORT-HF-Studie darf ab jetzt die ambulante telemedizinische Nachsorge von Herzinsuffizienzpatienten abgerechnet werden. Trifft die Studie die Erwartungen, werden diese Leistungen und Vergütungen in Deutschland in die Regelversorgung übernommen. „Wir hoffen, dass sich die positiven Erwartungen erfüllen und die Studienergebnisse zu einer verbesserten Versorgung von Patienten und Patientinnen mit schwerer Herzinsuffizienz beitragen können“, sagt Dr. Monika Lelgemann, unparteiisches Mitglied beim Gemeinsamen Bundesausschuss: Der G-BA hat das DZHI damit beauftragt, die Anwendung des CardioMEMS™HF Systems im deutschen Versorgungskontext zu überprüfen. Herzinsuffizienz-Pflegekräfte sind Herzstück der Behandlung Prof. Dr. Stefan Störk, Leiter der Klinischen Forschung und Epidemiologie am DZHI freut sich über das positive Zeichen und den Start der Studie: „Damit legt die PASSPORT-Studie den Grundstein für kardiales Telemonitoring und ebnet den Weg für die Telekardiologie in Deutschland. Die Abrechnungsziffern sind ambulant abrechenbar und ermöglichen erstmals eine sektorenübergreifende und telemedizinische Behandlung von Patienten mit Herzinsuffizienz.“ Der Schlüssel zum Erfolg sind Störk zufolge spezialisierte Herzinsuffizienzschwestern und -pfleger. Schon in der Klinik schulen sie Patienten und ihre Angehörigen in der Selbstüberwachung von Blutdruck, Herzfrequenz, Körpergewicht und Beschwerden. Nach der Entlassung bricht der Kontakt nicht ab, sie telefonieren regelmäßig mit ihren Patienten, kontrollieren die Werte und stellen bei Bedarf in Absprache mit den Ärzten die Dosierung der Medikamente um. Den Wirksamkeitsnachweis für Telemedizin im deutschen Gesundheitssystem hatte er bereits mit dem Versorgungsprogramm HeartNetCare-HF™ erbracht. Besonders ältere und schwerer erkrankte Patienten profitierten von der Telefonbetreuung.
Der batterielose, 15 Millimeter lange Sensor wird mit zwei Drahtschlaufen in der Pulmonalarterie fixiert.
Bild: Abbott, 2020 Autorin: Kirstin Linkamp
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