Nervenzellen geben dem Körper Befehle.

Befehl an Arm: Werfen!

Der Arm führt den Befehl aus.

„Plötzlich ist die Welt eine andere“

Mit der zweitägigen Schulung „Flip & Flap“ ermöglicht das UKW von Epilepsie betroffenen Kindern und Jugendlichen sowie deren Eltern, einen besseren Umgang mit der Erkrankung zu erlernen. Ein Interview mit der Epileptologin Prof. Dr. Juliane Spiegler, die das Programm in Würzburg eingeführt hat.

Können Sie uns Flip und Flap, die Namensgeber und Figuren der Schulung, etwas näher vorstellen? Flip und Flap sind Nervenzellen in unserem Gehirn. Flip sitzt am Com­puter und sendet und empfängt Befehle. Ihm unterläuft nie ein Fehler. Was ist bei Kindern mit Epilepsie an­ders? Bei ihnen kommt Flap ins Spiel. Das ist eine Nervenzelle, die fast genauso gut wie Flip funktioniert, aber ab und zu etwas tollpatschig ist. Mit unseren beiden Protagonisten neh­men wir Kinder und Jugendliche mit auf eine Reise durch das Gehirn. Denn ihre Erkrankung können sie nur ver­stehen, wenn sie wissen, wie dieses Organ funktioniert. Dank dieses Mo­dells begreifen sie, dass sie auf Flap aufpassen müssen, damit er nicht so viele Fehler macht. Welche weiteren Inhalte erwarten die jungen Teilnehmer in der Schulung? Wir erklären, weshalb Untersuchungen notwendig sind. Die Kinder spielen beispielsweise das EEG nach, mit der wir die elektrische Aktivität der Hirn­rinde messen. Bei der Epilepsie im Kindes- und Jugendalter gehen die meisten Anfälle mit einem Be­wusst­seinsverlust einher. Das heißt, die Kinder können sich an nichts erinnern. Sie wachen auf und plötzlich ist die Welt um sie herum eine andere. Die Eltern sind in Sorge, haben vielleicht gerade Todesängste durchgestanden. Und das Kind sagt: „Was habt ihr denn? Ich fühle mich gut.“ Epilepsie ist für Kinder und Jugendliche eine Black­box. Nach einem Anfall werden ihnen Vorsichtsmaßnahmen auferlegt und sie müssen Medikamente nehmen. Es ist schwierig, das zu tolerieren. Daher ist es umso wichtiger, dass sie sich darüber austauschen können, wie sie mit dieser Situation umgehen. Sie sehen, dass sie mit ihrer Erkrankung nicht alleine sind. Wie geben Sie Kindern und Jugendlichen Einblick in diese Blackbox? Wir schauen mit ihnen Videos von verschiedenen Anfällen an, denn die Epilepsie kann unterschiedliche For­men annehmen. Wir arbeiten auch mit einem Comic-Heft, in dem die Ge­schich­te eines Jungen mit Epilepsie erzählt wird. Und außerdem zeichnen die Eltern den Ablauf eines Anfalls anhand von vorgefertigten Bildern individuell für ihr Kind nach. Sie schulen die Eltern zeitgleich in einer Erwachsenengruppe. Ja, einige Inhalte greifen ineinander. In der Schulung entwickeln Kinder, Ju­gend­liche und Eltern zum Beispiel gemeinsam Strategien, um die Medi­kamenteneinnahme konfliktfrei zu ge­stalten. Denn viele junge Patienten fühlen sich genervt davon, wenn sie ständig daran erinnert werden. Wie profitieren Eltern von der Schulung? Wir bilden sie fachlich zu Epilepsie-Experten aus. Sie lernen die ver­schie­denen Behandlungsoptionen kennen. Wir wollen, dass die Eltern die Sprache der Fachleute verstehen und sich nicht dadurch verunsichern lassen. Nach dem medizinischen Teil am Samstag ist der Sonntag psychologisch geprägt: Wie gehe ich mit meinen Ängsten um? Wie halte ich es aus, dass mein Kind sich nicht an Empfehlungen hält? Wie können wir gemeinsam einen guten Weg mit dieser Erkrankung finden?

Professorin Juliane Spiegler

Sich ein Wochenende lang mit Epilepsie zu beschäftigen, ist recht zeitaufwendig. Weshalb ist diese Zeit gut investiert? Ein wichtiger Punkt ist der Austausch in der Gruppe. Das trifft sowohl für die Kinder und Jugendlichen zu als auch für die Eltern. Oft bleiben die Teil­nehmer im Anschluss über WhatsApp-Gruppen in Kontakt. In Sprech­stun­den­terminen trauen sich Kinder und Jugendliche häufig nicht, Fragen zu stellen, von denen sie denken, dass es peinlich sein könnte, zum Beispiel zu Epilepsie und Sexualität. Und die El­tern erhalten sehr viel Fachwissen, das wir in Einzelgesprächen vom Umfang her nicht vermitteln können. Außer­dem kommt in der Sprechstunde der psychische Umgang mit der Er­kran­kung oft zu kurz, weil der Austausch mit anderen Betroffenen fehlt.

Nervenzellen empfangen aber auch Nachrichten.

Kinder und Jugendlichen haben viele Kontakte zu anderen: in der Schule, bei Freunden, im Verein. Was kann ein Außenstehender bei einem epileptischen Anfall tun? Das Wichtige ist, darauf zu achten, dass sich derjenige nicht verletzt. Dann muss man beobachten, wie lange der Anfall dauert. Die meisten Patienten kommen innerhalb von drei Minuten zu sich. Wenn die Epilepsie bekannt ist, kann man mit dem Betroffenen dann besprechen, ob er einen Notarzt braucht. Wenn es sich um eine fremde Person handelt, würde man in dieser Situation natürlich sofort den Notarzt verständigen. Wenn der umsonst kommt, ist das kein Problem.

Nachricht vom Auge: Ball im Tor!

Bei Kindern mit Epilepsie sind manche Nervenzellen ein bisschen tollpatschig, ihnen unterlaufen Fehler. Dann bekommt der Körper Befehle, die er nicht versteht, es kommt zu einem Anfall.

Yippie!!! Die Spielerinnen freuen sich.

Text: Kerstin Smirr, Foto: Uniklinikum/Margot Rössler, Illustrationen aus Comic-Heft „Flip & Flap“, ISBN 978-3-7950-7045-8, Schmidt-Römhild

Nächste Schulung im Oktober

Das Programm für die Epilepsieschulung „Flip & Flap“ wurde vor rund 20 Jahren an der Uniklinik Lübeck entwickelt. Prof. Dr. Juliane Spiegler war dort viele Jahre tätig, be­vor sie 2021 als Oberärztin die Lei­tung der Neuro- und Sozialpädiatrie des UKW übernahm. Die Schulung bietet sie seit Mai gemeinsam mit ein­em Team von Experten in Würzburg an.

Die nächste Schulung findet am 22. und 23. Oktober jeweils ganztägig im Ambulanten Schulungszentrum statt. Teilnehmen können Kinder und Ju­gend­liche zwischen sechs und 18 Jah­ren sowie deren Eltern. Anmeldung unter Tel. 0931 78 01 08 50.

www.ukw.de/kinderklinik www.ukw.de/spz/flip-flap