Immuntherapie: Das personalisierte Medikament

Wie der eigene Körper zum Kampf gegen eine Krebserkrankung programmiert wird. Warum die Universitätsklinik Würzburg auf diesem Gebiet zur Spitzengruppe in Europa zählt. Pionier Prof. Dr. Hermann Einsele im Interview.

Operation, Chemotherapie, Bestrahlung – es gibt einige Strategien, gegen eine Krebserkrankung vorzugehen. Am erfolgversprechendsten, das hat sich in den letzten Jahren gezeigt, ist die Immuntherapie, zu deren Pionieren Prof. Dr. Hermann Einsele, Direktor der Medizinischen Klinik II, gehört. Er holte vor sieben Jahren Dr. Michael Hudecek aus den USA an die Uniklinik, die nun seit einigen Jahren zur Weltelite zählt, was Krebstherapieforschung sowohl in der präklinischen Entwicklung als auch in der Anwendung der ersten einsatzfähigen Präparate anbelangt. In Würzburg wurde nun, erstmals in Deutschland, ein Patient mit Knochenmarkkrebs behandelt, indem sein eigenes Immunsystem gegen den Krebs eingesetzt wurde. Das Ergebnis hat selbst den Krebsexperten Prof. Einsele überrascht.

Herr Prof. Einsele, wie funktioniert die CAR-T-Zell-Therapie?

Professor Einsele: Der Mensch besitzt weiße Blutkörperchen, die der Immunabwehr dienen, Krebszellen allerdings nicht erkennen. Deshalb müssen diese Blutkörperchen so verändert werden, dass sie diese Aufgabe erfüllen können. Die CAR-T-Zellen-Therapie – CAR steht für chimäre, also künstliche, Antigenrezeptoren – ist eine personalisierte Therapie, bei der dem Körper des Patienten bestimmte weiße Blutkörperchen, sogenannte Lymphozyten, entnommen und außerhalb des Körpers vermehrt werden. Dann erhalten sie ein neues Gen, das auf der Oberfläche der Immunzelle einen neuen Rezeptor ausbildet. Diese aufbereiteten Zellen werden über eine Infusion dem Patienten wieder zugeführt, können sich im Blut vermehren und greifen Tumorzellen an. Einer der ersten Patienten, die auf diese Weise 2012 behandelt wurden, ist Emmy Whitehead. Das damals sechsjährige Mädchen trug zwei Kilogramm Tumor (einer Leukämie) in ihrem Körper, wurde mit CAR-T-Zellen therapiert und gilt heute, sieben Jahre nach der Behandlung als geheilt.

Genetisch veränderte T-Zellen greifen Tumorzellen an – klingt scheinbar einfach. Wo liegt die Herausforderung?

Ein Problem besteht darin, dass auch beim Tumorpatienten das Immunsystem wirksam ist und z. B. bestimmte Infektionen kontrollieren, aber die Krebszellen weder in Schach halten noch ausschalten kann. Dies liegt daran, dass sich die Tumorzellen dem Angriff der Immunzellen entziehen, sich „verstecken“ können. Wir müssen also das Immunsystem in die Lage versetzen, den Tumor zu bekämpfen. Die Herausforderung liegt in der personalisierten Therapie, d. h. für jeden Krebspatienten müssen seine eigenen Zellen verändert, also ein auf ihn zugeschnittenes „personalisiertes“ Medikament hergestellt, werden. Das ist ziemlich aufwendig. So kostet auch die Therapie pro Patient rund 300.000 Euro. Dahinter steckt ein großer personeller Aufwand, die Zellbehandlung selbst und die Tatsache, dass für jeden Patienten ein persönliches Medikament hergestellt werden muss.

Patient Peter Jacob im Gespräch mit den Ärzten.

Wie ist die Therapie beim ersten Patienten in Deutschland, Peter Jacob, verlaufen?

Herr Jacob erhielt vor rund drei Jahren eine Krebsdiagnose, unterzog sich mehreren Chemotherapien und schließlich einer dreimaligen Therapie mit eigenen Stammzellen. Doch die Myelomzellen des Knochenmarkkrebses kehrten immer wieder zurück, Herr Jacob galt als austherapiert. Die letzte Hoffnung lag auf der CAR-T-Zell-Therapie, hier am UKW. Dem Patienten wurde Blut abgenommen, in den USA speziell für seine Krebsart genetisch verändert und vermehrt und ihm Anfang Dezember vorigen Jahres wieder verabreicht. Bereits Mitte Januar wurde der 70-Jährige krankheitsfrei aus der Klinik entlassen. Dass diese Therapie so erfolgreich anschlägt, hatten wir nicht erwartet.

Dr. Michael Hudecek, Prof. Georg Ertl, Gabriele Nelkenstock, Prof. Alfred Forchel, Peter Jakob und Prof. Hermann Einsele (v. l.).

Dr. Michael Hudecek und Prof. Hermann Einsele im Gespräch mit der Presse (v. l.).

Welche Krebsarten lassen sich mit der neuen Therapie behandeln?

Vor allem Krebsarten des blutbildenden Systems lassen sich mit der neuen Therapie behandeln wie zum Beispiel Lymphknotenkrebs, Knochenmarkkrebs (Myelom) und Leukämie. Das liegt vor allem daran, dass diese Krebszellen über eine einzigartige Oberflächenstruktur verfügen. Inzwischen sind wir soweit, nun auch die Behandlung anderer Tumore zu entwickeln, und zwar die Krebse der Brust, der Bauchspeicheldrüse, der Lunge und der Prostata, bei denen präklinische und hoffentlich bald klinische Studien folgen. Diese klinischen Studien werden in der Early Clinical Trial Unit bei Frau Dr. Maria-Elisabeth Goebeler und ihrem Team umgesetzt. Prof. Dr. Max Topp entwickelt die Studien im Bereich des Lymphknotenkrebses und der Leukämie. Die richtige Oberflächenstruktur der Zellen zu erkennen, ist für alle diese Ansätze problematisch. Darauf basierend, können Immunzellen entwickelt werden – das Hauptaufgabengebiet von Dr. Michael Hudecek.

Warum behandelt man nur Patienten in einem sehr weit fortgeschrittenen Stadium des Krebses?

Die CAR T-Zell-Therapie/Immunzelltherapie befindet sich noch in einem vergleichsweise frühen Stadium der Entwicklung, und es kommt hier doch zu Nebenwirkungen, deren Ursachen noch nicht gründlich genug erforscht sind. Dabei handelt es sich vor allem um Kreislauf- und neurologische Störungen durch eine Überreaktion des Immunsystems. Wir haben hier am Uniklinikum bis jetzt 22 Patienten behandelt, wobei die Ansprechwahrscheinlichkeit bei mehr als 80 Prozent liegt.

Warum nicht alle Patienten auf die CAR-T-Zell-Therapie ansprechen, wissen wir noch nicht, dies wird aber intensiv erforscht. Aber wenn wir uns die enormen Entwicklungsschritte in den letzten Jahren betrachten, können wir zuversichtlich in die Zukunft blicken und auf weitere Erfolge hoffen. Eines hat sich bisher klar herauskristallisiert: Die Immuntherapie könnte die entscheidende Therapie der Zukunft im Kampf gegen den Krebs werden, und erfreulicherweise sind wir in der Forschung und Anwendung dieser neuen Verfahren ganze vorne mit dabei.

Stiftung „Forschung hilft“

Im Kampf gegen den Krebs unterstützt „Forschung hilft“ die Krebsforschung an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Die Stiftung wurde im Dezember 2017 vom Verein „Hilfe im Kampf gegen den Krebs e. V.“ gegründet und verfolgt das Ziel, mitzuhelfen, die Krankheit zu besiegen. Die im internationalen Maßstab herausragende Krebsforschung an der Universität Würzburg trägt wesentlich dazu bei, dieses Ziel zu erreichen.

„Ziel und Motivation ist es, für innovative Forschungsprojekte im Kampf gegen Krebs langfristig Kapital und Unterstützung aufzubauen. Fortschritte in der Krebsforschung der JMU werden mit vielen kleinen Schritten erkämpft“, so Gabriele Nelkenstock, Initiatorin der Stiftung und Vorsitzende des Stiftungsrats.

Allein im vergangenen Jahr förderte die Stiftung sieben innovative Forschungsprojekte im Bereich der Krebsforschung im Wert von über 100.000 Euro.

Die Arbeit von „Forschung hilft“ kann mit Zuwendungen unterstützt werden unter der Bankverbindung:

Stiftergemeinschaft der Sparkasse Mainfranken Würzburg,

IBAN DE19 7905 0000 0000 0655 65

Kontakt: Gabriele Nelkenstock

Tel.: 09 31/46 77 69 93

E-Mail: info@forschung-hilft.de

Text: Dr. Bernhard Rauh, Fotos: Daniel Peter