Durchs Knopfloch an Herz und Brustkorb
Was passiert in einer Universitätsklinik? Zunächst denken wir an die Diagnose von Krankheiten und Heilung von Patienten. Aber natürlich gibt es noch mehr zu tun: ein Blick hinter die Kulissen der Klinik und Poliklinik für Unfall-, Hand-, Plastische und Wiederherstellungschirurgie.
Donnerstagnachmittag: Im Zimmer von Dr. Jörg Hoffmann steht das Telefon nicht still. Am anderen Ende der Leitung sind Kollegen, die Patienten für eine Operation anmelden möchten, meist Notfälle wie etwa ein operationsbedürftiger Herzinfarkt. Hoffmann tut das, was er dann immer tut: Seinen ohnehin schon vollen OP-Plan wieder umstellen. „Das ist der tägliche Normalzustand“, entschuldigt er sich, weil er das Gespräch zum wiederholten Mal unterbrechen muss.
Im Mittelpunkt steht der Patient.
Erweiterungsbau der HTC-Intensivpflegeeinheit am Zentrum Operative Medizin (ZOM).
Turbulenter Alltag
Die Herzchirurgie ist ein kleines und hochspezialisiertes Fach, das nur wenige Zentren – fast ausschließlich Universitätskliniken – anbieten. Wer Facharzt werden will, muss nach dem Medizinstudium mindestens acht Jahre in die Weiterbildung investieren. Und auch die hohe Arbeitsbelastung schreckt viele Mediziner ab, sodass sich nur wenige für diesen Weg entscheiden. „Der Alltag ist für die Ärzte und das Pflegepersonal sehr turbulent, wir betreiben viel Notfallmedizin“, so Hoffmann. Warum wählt man trotz der hohen Belastungen diese Fachrichtung? Da muss der Arzt nicht lange überlegen: „Ganz klar des spannenden Arbeitsgebietes sowie der Patienten und ihrer Angehörigen wegen.“
1300 Patienten werden in der Klinik für Thorax-, Herz- und Thorakale Gefäßchirurgie pro Jahr am Herzen operiert, 500 an Lunge und Brustkorb. Zu den häufigsten Eingriffen zählen Bypass-Operationen, Operationen an Herzklappen, vor allem der Aortenklappe, bei Lungentumoren sowie bei Herzfehlern, die erst im Erwachsenenalter behandlungsbedürftig werden. Dazu kommen etwa 150 Herzschrittmacher-Implantationen. „Oft lassen sich die Eingriffe minimalinvasiv durchführen“, sagt Klinikdirektor Prof. Dr. Rainer Leyh. „Eine Längsdurchtrennung des Brustbeins, die für viele Patienten mit großer Angst verbunden ist, lässt sich damit oft vermeiden“, so der Herzchirurg.
Dass in der Klinik Herz- und Thoraxchirurgie unter einem Dach vereint sind, ist eine Besonderheit: „Junge Kollegen können sich bei uns komplett ausbilden lassen, da wir die volle Weiterbildungsermächtigung für die Fächer Herzchirurgie, Thoraxchirurgie und herzchirurgische Intensivmedizin unter einem Dach anbieten. Das ist bayernweit einzigartig“, so Leyh.
Enger Kontakt zu Heimatkliniken
„Wir haben es uns auf die Fahnen geschrieben, sehr fächerübergreifend zu arbeiten“, sagt Hoffmann. So wurde in den letzten Jahren eine große Anzahl interdisziplinärer Fallbesprechungen etabliert – nicht nur innerhalb des UKW, sondern auch gemeinsam mit anderen Kliniken. Gerade für ältere Patienten, die Nebenerkrankungen haben und sehr komplexe Eingriffe benötigen, ist das von Vorteil. Narkosemediziner, Internisten, Chirurgen und Radiologen sprechen sich ab und empfehlen eine individualisierte, optimal auf den einzelnen Patienten zugeschnittene Behandlung. Dabei unterstützen Kooperationen u. a. mit den Kardiologen im Haus sowie dem Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI).
Regelmäßig werden auch die zuweisenden Kliniken angefahren, um sich vor Ort ein Bild von den Patienten zu machen. „Anschließend können wir sagen, ob eine Operation möglich ist, wie schnell operiert werden muss und ob zum Beispiel ein minimalinvasiver Eingriff infrage kommt“, berichtet Hoffmann. „Zudem lernen wir die Patienten schon im Vorfeld der Operation sehr gut kennen und können eventuelle Risiken noch besser abschätzen.“
Und nicht zuletzt bleiben den Patienten überflüssige Diagnostik, Verlegungen und Rückverlegungen erspart. „Gerade im Vorfeld einer Herz- oder Lungenoperation sind Patienten nicht nur körperlich, sondern auch emotional angegriffen und möchten den Eingriff zügig erledigt haben“, so Hoffmann.
Die Klinik mit drei Operationssälen, einer Intensiv- und einer Intermediate-Care-Station bietet das gesamte Spektrum der Herz- und Thoraxchirurgie vom 16. Lebensjahr bis ins hohe Alter, einschließlich Herztransplantations- und Kunstherzprogramm. Thoraxchirurgische Eingriffe werden auch für Kinder angeboten. Das Team ist international, viele bringen ihre Erfahrungen aus dem Ausland mit ein. Eine Spezialität der Klinik ist die Knopfloch-Chirurgie, die bei Herzklappenoperationen, Bypässen, Herzschrittmachern und Defibrillatoren zum Einsatz kommt. Eingriffe an der Lunge können häufig im Rahmen einer Lungenspiegelung durchgeführt werden. Aortenaneurysmen werden sowohl offen als auch kathetergestützt operiert.
Klinikdirektor Prof. Rainer G. Leyh und der geschäftsführende Oberarzt Prof. Ivan Aleksic.
Seltene Ross-Operation auch in Würzburg
Eine Besonderheit im Leistungsspektrum ist die sogenannte Ross-Operation. Nur etwa zehn Kliniken in Deutschland bieten diese Methode an. Bei dem Eingriff wird die defekte Aortenklappe durch die körpereigene Pulmonalklappe ersetzt, an deren Stelle wiederum ein Spenderpräparat eingesetzt wird. Diese Methode kommt vor allem bei jüngeren Patienten zum Einsatz und hat den Vorteil, dass es seltener zu Infektionen kommt und keine Blutverdünnung notwendig ist. „Insgesamt geht der Trend bei der Herzchirurgie immer mehr in Richtung Subspezialisierung. Manche Ärzte operieren zum Beispiel nur noch Herzklappen oder Bypässe“, sagt Hoffmann.
Bei all der Turbulenz und High-Tech-Medizin ist es ihm wichtig, zu betonen, dass der Patient und seine Familie im Mittelpunkt des Interesses stehen. „Der ganzheitliche, interdisziplinäre Ansatz hilft uns, diese Herausforderung zu meistern.“
Oberarzt Dr. Jörg Hoffmann
Zur Klinik gehört ein experimentelles Labor unter der Leitung der Oberärztin Dr. Constanze Bening.
Text: Martina Häring, Fotos: Daniel Peter