Schnuppertraining für die Nase
Wer nach einem viralen Atemwegsinfekt Gerüche kaum oder gar nicht mehr wahrnimmt, kann seine Wahrnehmung durch ein Riechtraining verbessern.

Gerüche beeinflussen unsere Partnerwahl, wecken längst verblichene Erinnerungen und warnen uns, wenn es brennt oder Gas austritt. „Der Geruchssinn ist elementar und wird doch oft unterschätzt“, sagt Prof. Dr. Stephan Hackenberg, Direktor der HNO-Klinik am Universitätsklinikum Würzburg. „Wenn jemand nicht riechen kann, schmeckt Vanillepudding nur süß. Eine Birne und ein Apfel sind vom Geschmack her kaum zu unterscheiden, weil der Riecheindruck, der über den Gaumen in die Nase gelangt, fehlt.“ Eine Person mit einer Riechstörung sei in ihrer Lebensqualität und Sicherheit erheblich eingeschränkt, schlussfolgert er. Und das kommt nicht einmal selten vor: Jeder Fünfte ist einmal in seinem Leben über einen längeren Zeitraum im Riechvermögen eingeschränkt. Dauerhaft nehmen fünf Prozent der Bevölkerung in Deutschland keine olfaktorischen Reize wahr.
Die Ursachen sind vielfältig. In seltenen Fällen ist eine Riechstörung Folge eines Schädel-Hirn-Traumas. Sie kann – ebenfalls sehr selten – auch angeboren sein. Darüber hinaus schädigen bestimmte eingeatmete Giftstoffe und Medikamente als Nebenwirkung das Geruchssystem.
Sehr viel häufiger sehen HNO-Ärzte allerdings Betroffene mit einer chronischen Nasennebenhöhlenentzündung – der Ursache Nummer 1 für eine chronische Riechstörung. In diesen Fällen stehen verschiedene Therapiemöglichkeiten zur Verfügung: von Nasenspülungen und Inhalationen über Kortisonsprays und Spritzen bis hin zu einer Operation. Die Behandlung der eigentlichen Erkrankung zielt darauf ab, auch das Riechvermögen zu verbessern.
Durch Corona in den Fokus gerückt
In den Fokus gerückt ist die Riechstörung in den vergangenen Jahren durch Corona, wenngleich auch andere virale Atemwegsinfekte die Riechschleimhaut und damit den Geruchssinn beeinträchtigen können. „In der Regel erholen sich die Zellen in der Nase sehr schnell“, erklärt Prof. Hackenberg. Sind die Erkältungssymptome vollkommen abgeklungen, das Riechvermögen aber nicht zurückgekehrt, ist ein HNO-Arzt oder eine HNO-Ärztin die richtige Ansprechperson. Tritt das Problem nach einem Infekt auf, sei ein Riechtraining „die Therapie der ersten Wahl“, ergänzt der Mediziner.
Dabei schnuppern Patienten zwei Mal täglich je 30 Sekunden an vier intensiven Düften. Typischerweise handelt es sich um Rose, Nelke, Eukalyptus und Zitrone. Zugleich konzentrieren sie sich auf ihre Wahrnehmung und visualisieren den Geruch.
Optimismus ist durchaus angebracht
Zwar kann das Riechvermögen auch spontan wiederkehren, doch mit einem Training sind die Erfolgschancen größer. Das haben in den vergangenen Jahren wissenschaftliche Studien gezeigt. Es profitierten nicht alle Studienteilnehmenden von dieser konservativen Therapie, aber doch ein beachtlicher Teil. Je nach Studie variiert die Erfolgsquote.
Das Training vereint mehrere Vorteile. Es ist frei von Nebenwirkungen, kostengünstig und innerhalb weniger Minuten zu Hause oder auch unterwegs umsetzbar. Menschen, die ihren Geruchssinn schulen, brauchen allerdings Disziplin. „Sie sollten mindestens ein halbes Jahr für die Therapie einplanen“, erklärt der HNO-Spezialist. Dabei kann es vorkommen, dass das Geruchsempfinden sich nicht nach und nach wieder verstärkt, sondern sich temporär verändert, sodass beispielsweise ein Lebensmittel anders wahrgenommen wird als früher. „Das normalisiert sich aber“, beruhigt Klinikdirektor Hackenberg.
Weshalb das Training bei vielen Menschen wirkt, ist nicht im Detail geklärt. Voraussetzung sei, dass sich die Riechzellen in der Nase erholen. Durch die mentale Konzentration auf einen Geruchsstoff wird jener Teil des Gehirns angeregt, der für das Riechen zuständig ist. Prof. Hackenberg ergänzt: „Ich denke nicht, dass das Riechtraining eine Regeneration ermöglicht, die sich sonst nicht eingestellt hätte, sondern dass es die Regeneration beschleunigt.“ Selbst wer Gerüche schon länger weniger stark oder gar nicht wahrnehme, sollte es ausprobieren: „Insbesondere nach Viruserkrankungen ist Optimismus auf jeden Fall angebracht, weil die Regenerationsfähigkeit der Schleimhaut gut ist und wir wissen, dass es auch nach vielen Monaten noch zu Verbesserungen kommen kann.“

Prof. Dr. Stephan Hackenberg,
Direktor der HNO-Klinik
Riechstörung kann auf Demenz hinweisen
Der Geruchssinn lässt oft altersbedingt nach. In seltenen Fällen kann dies aber auch ein frühes Anzeichen für Parkinson oder verschiedene Demenzformen wie Alzheimer sein. Die Riechstörung tritt viele Jahre vor anderen Symptomen dieser neurodegenerativen Erkrankungen auf und ist damit ein Schlüssel in der Früherkennung. Kann eine HNO-Fachärztin oder ein HNO-Facharzt die Ursache einer Riechstörung nicht feststellen, rät Prof. Stephan Hackenberg zu einer neurologischen Mitbeurteilung.