Multiprofessionelles Team mit hoher Expertise
Eines der renommiertesten Zentren für die Behandlung von Mukoviszidose befindet sich an der Kinderklinik des UKW: Das Christiane Herzog-Zentrum für Mukoviszidose, kurz Muko. In diesem Jahr feiert es 25-jähriges Bestehen. Prof. Dr. Helge Hebestreit war von Beginn an dabei.
Prof. Helge Hebestreit
Leiter der Ambulanz am Muko
Bereits seit 1981 werden Mukoviszidose-Erkrankte an der Kinderklinik betreut – ein spezialisiertes Zentrum gibt es jedoch erst seit 1998. Initiiert und gefördert wurde es durch das finanzielle und politische Engagement von Christiane Herzog. Können Sie sich noch an die Anfänge erinnern?
Angefangen hat es eigentlich mit meiner Frau Dr. Alexandra Hebestreit. Sie hatte damals zu Messungen der Durchblutung der Nasenschleimhaut promoviert, absolvierte eine Weiterbildung in der Kinderheilkunde und arbeitete sowohl in der Magen-Darm-, als auch in der Lungensprechstunde. Außerdem war sie Teil einer Würzburger Arbeitsgruppe, die an der Nasenschleimhaut zur Wirkung einer Gentherapie bei Mukoviszidose forschte. Sie hatte also Erfahrung in allen relevanten Bereichen und wurde mit dem Aufbau des Zentrums betraut. Gemeinsam mit einer Ernährungsberaterin und der Unterstützung vieler anderer etablierte sie Strukturen und Abläufe. Im Leitungsteam mit dabei war damals Oberarzt PD Dr. Jeschke, 1999 kam ich dazu. Durch das Engagement von Frau Herzog und der Christiane Herzog-Stiftung konnten die Personalstellen in der Ambulanz eingerichtet und später dauerhaft gesichert und ausgebaut werden.
2005 erhielt die Ambulanz den Titel Christiane Herzog-Ambulanz, 2019 den Titel Christiane Herzog-Zentrum Würzburg. 2014 wurde ihr als einer der ersten Ambulanzen in Deutschland das muko.zert plus-Siegel verliehen, seit 2017 ist sie Teil des Europäischen Referenznetzwerks für seltene Lungenerkrankungen. Was braucht es alles, um diese Qualität zu leisten?
Man braucht ein Team, das ganz viele verschiedene Fähigkeiten mit hoher Expertise abbilden kann. Unter der ärztlichen Leitung eines Magen-Darm- oder Lungenspezialisten agiert ein multiprofessionelles Team aus u. a. Ernährungsberatung, Physiotherapie, psychosozialen Fachkräften, aber auch ärztlichen Disziplinen wie Radiologie, Mikrobiologie, HNO-Heilkunde, Chirurgie, Humangenetik und vielen anderen Bereichen. Im Laufe der Jahre haben wir noch keine Disziplin hier am Uniklinikum nicht gebraucht. Zudem arbeiten wir eng mit dem Mukoviszidose e. V. zusammen, in dem sich Ärzte und Ärztinnen gemeinsam mit Betroffenen engagieren. Außerdem braucht man umfassende Verfahrensanweisungen, definierte Abläufe, eine Mitarbeit im Register sowie ein zentrenvergleichendes Benchmarking, eigene wissenschaftliche Forschungsarbeit und vieles mehr. Der Kern einer erfolgreichen Mukoviszidose-Therapie ist jedoch die engagierte Versorgung.
Mukoviszidose ist eine genetisch bedingte Erkrankung, die in der Regel im Kindesalter sichtbar wird. Sie ist nicht heilbar aber behandelbar und die Lebenserwartung steigt stetig. Woran liegt das?
Früher waren Kinder mit Mukoviszidose häufig nur beim Hausarzt in Behandlung, der die notwendige, umfassende Therapie natürlich nicht leisten konnte. Heute gibt es flächendeckend eine auf das Krankheitsprofil spezialisierte, multiprofessionelle Zentrumsversorgung. Das zeigt Wirkung. Ein weiteres Element ist das 2016 in Deutschland eingeführte Neugeborenen-Screening, mit dem man bereits innerhalb der ersten Lebenswochen eine Diagnose stellen kann. Dazu kommt die verbesserte medikamentöse Behandlung. Neben Verdauungsenzymen, Antibiotika und schleimlösenden Medikamenten gibt es seit einigen Jahren auch genspezifische Medikamente. Durch frühzeitige Diagnose und eine konsequente, interdisziplinäre Betreuung liegt die Lebenserwartung in Deutschland heute schon bei über 50 Jahren. In anderen Ländern der Welt liegt sie mit unter 18 Jahren weit darunter. Mittlerweile gibt es publizierte Rechenmodelle, die in Zukunft eine fast normale Lebenserwartung prognostizieren.
Seit 2014 gibt es am Klinikum das Zentrum für Seltene Erkrankungen (ZESE), wie hängt das mit dem Muko zusammen?
Mukoviszidose mit dem komplexen Beschwerdeprofil und den Anforderungen an Diagnose und Therapie kann als Modellkrankheitsbild für andere Seltene Erkrankungen gesehen werden. Durch unsere Erfahrungen und Kooperationen konnten wir das ZESE am Klinikum als gut vernetzte und versorgungszentrierte Einrichtung etablieren.
Was wünschen Sie sich für das Muko in Zukunft?
Für eine altersgruppenübergreifende Versorgung auf höchstem Niveau müssen viele unterschiedliche Menschen zusammenarbeiten – das ist ein hoch kommunikatives und kooperatives Feld. Ich wünsche mir, dass die Zusammenarbeit im Dienst für die Betroffenen weiterhin so ausgezeichnet funktioniert. Mit den bisherigen Medikamenten können wir zukünftig die Beschwerden von circa 85 Prozent aller Patientinnen und Patienten lindern. Ich hoffe, dass wir mit unseren Forschungen und unserer Arbeit auch noch eine gute Lösung für alle anderen finden.
Christiane Herzog und Oberarzt PD Dr. Reinhard Jeschke, 1997
Dr. Alexandra Hebestreit bei einer Untersuchung.
Das ist Mukoviszidose
Mukoviszidose, auch zystische Fibrose (cystic fibrosis), ist eine Erbkrankheit. Durch eine Funktionsstörung bestimmter Körperdrüsen entsteht zäher Schleim, der u. a. Verdauungsorgane und Atemwege verstopft und leicht zu Infektionen mit Bakterien, Viren und Pilzen führt. Sie gehört zu den Seltenen Erkrankungen. In Deutschland leben mehr als 8000 Patientinnen und Patienten mit Mukoviszidose.