Würzburgs Herzchirurgie blickt über den Tellerrand

EUROPÄISCHE FACHGESELLSCHAFT FÜR HERZ-THORAX-CHIRURGIE VERLEIHT ZWEI WICHTIGE FELLOWSHIPS AN WÜRZBURGER HERZCHIRURGEN

Dr. Dejan Radaković erhält von der European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS) ein Stipendium für die Off-Pump-Coronary-Artery-Bypass-Chirurgie (OPCAB). Der Oberarzt wird im italienischen Salerno seine Fähigkeiten in der Off-Pump-Technik vertiefen, bei der ein Koronararterien-Bypass (CABG) ohne Anschluss des Patienten an eine Herz-Lungen-Maschine durchgeführt wird. Funktionsoberarzt Dr. Mohamed Hassan wird im Rahmen eines EACTS-Fellowships in Brüssel Einblicke in die minimal-invasive chirurgische Behandlung von Vorhofflimmern und intensivierten Zusammenarbeit mit der Elektrophysiologie gewinnen.

 

Würzburg. Die Herzchirurgie hat in den letzten Jahren insbesondere durch die Entwicklung minimalinvasiver Techniken große Fortschritte gemacht. Dadurch konnten die Genesungszeiten verkürzt und das Komplikationsrisiko verringert werden. Ein Beispiel hierfür ist die Off-Pump-Coronary-Artery-Bypass (OPCAB). OPCAB, auch als Off-Pump-Technik bekannt, ist eine chirurgische Methode, bei der eine Koronararterien-Bypass-Operation (CABG) durchgeführt wird, ohne dass der Patient an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen ist. Diese Technik unterscheidet sich von der konventionellen Bypasschirurgie, bei der das Herz stillgelegt wird und der Blutkreislauf durch eine Herz-Lungen-Maschine aufrechterhalten wird, bis der Bypass einen neuen Weg für den Blutfluss schafft, der die blockierten oder verengten Abschnitte der Koronararterien umgeht.

Eine Operation am schlagenden Herzen erfordert jedoch hochspezialisierte Fähigkeiten und Erfahrung, insbesondere wenn diese Technik noch mit minimalinvasiven Schnitten kombiniert wird und die Sicht eingeschränkt ist. Aus diesem Grund hat sich Dr. Dejan Radaković, Oberarzt der Herzchirurgie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW), bei der Europäischen Gesellschaft für Herz-Thorax-Chirurgie für das OBCAB Extended Fellowship Programm beworben. 

Fellowships fördern berufliche Entwicklung und chirurgische Fähigkeiten

Die European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS) bietet über den Francis Fontan Fund verschiedene Fellowships an, die es jungen Chirurginnen und Chirurgen ermöglichen, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten in Spezialgebieten der Herz-Thorax-Chirurgie zu vertiefen und von erfahrenen Expertinnen und Experten an renommierten Institutionen weltweit zu lernen.
Dejan Radaković hat es geschafft. Der Herzchirurg darf sich sechs Wochen lang im Universitätsklinikum Salerno (Italien) in der Off-Pump-Technik weiterbilden. Die Herz-Thorax-Chirurgie im Ospedale San Giovanni di Dio e Ruggi d’Aragona, südöstlich von Neapel, ist auf die Technik der schlagenden Herzchirurgie spezialisiert und entwickelt sie kontinuierlich weiter.

Off-Pump-Chirurgie senkt Schlaganfallrisiko

„Wir freuen uns sehr, dass die EACTS das Potenzial in Würzburg erkannt hat“, sagt Prof. Dr. Ivan Aleksic, kommissarischer Direktor der Würzburger Klinik für Herz-Thorax-Chirurgie. Bei Bypass-Operationen und Komplikationen liegt das UKW unter dem Bundesdurchschnitt. „Und da wollen wir auch bleiben“, erklärt Aleksic. „Dejan Radaković ist ein hervorragender Bypass-Chirurg und hat sich gemeinsam mit dem Kardioanästhesisten Dr. Daniel Schneiderbanger bereits in die Off-Pump-Chirurgie eingearbeitet.“ Die Off-Pump-Technik reduziert das Risiko von Komplikationen, insbesondere das Schlaganfallrisiko. Und die Patienten brauchen oft weniger Zeit, um sich zu erholen, weil der Eingriff schonender ist. Diese Technik soll nun weiterentwickelt und in Würzburg etabliert werden.

Um eine moderne, komplikationsarme Bypass-Chirurgie anbieten zu können, wäre der nächste Schritt, die Off-Pump-Technik mit der minimalinvasiven Chirurgie zu kombinieren. „Im Gegensatz zur Sternotomie muss das Brustbein (Sternum) nicht vollständig geöffnet werden, sondern es genügen fünf bis zehn Zentimeter lange Schnitte zwischen den Rippen, um den Bypass zu legen, was den Wundheilungsprozess und damit die Erholungszeit deutlich verkürzt, die Schmerzen verringert und das Risiko von Komplikationen wie Infektionen oder Blutverlust senkt“, beschreibt Dejan Radaković die Vorteile des minimal-invasiven Verfahrens. Der gebürtige Serbe studierte Medizin in Belgrad und kam im Jahr 2013 an das Uniklinikum Würzburg.  

Vorhofflimmern: Innen- und Außenperspektive der Herzkommunikation vereinen

Auch Dr. Mohamed Hassan, Funktionsoberarzt in der Herzchirurgie, kann sich über ein Stipendium der EACTS freuen. Der Funktionsoberarzt, der selbst als so genannter Proctor deutschlandweit Fachkräfte im Bereich der endoskopischen Gefäßentnahme (EVH/ERAH) im Rahmen der Bypasschirurgie ausbildet, wird in diesem Jahr für vier Wochen bei Professor Mark La Meir hospitieren, dem Direktor der Herzchirurgie am Universitätsklinikum Brüssel und einer Koryphäe auf dem Gebiet der Herzrhythmuschirurgie. Mohamed Hassan interessiert sich vor allem für innovative, minimal-invasive Therapieansätze bei der chirurgischen Behandlung von Vorhofflimmern.

Erste Wahl bei der Behandlung von Vorhofflimmern ist meist die Katheterablation. Bei diesem minimal-invasiven, endovaskulären Verfahren wird ein Katheter über die Blutgefäße zum Herzen geführt, um dort gezielt mit Hitze oder Kälte die Zellen zu veröden, die das Herz durch falsche elektrische Signale immer wieder aus dem Takt bringen. „Hier leistet Professor Thomas Fischer, der Leiter der Interventionellen Elektrophysiologie, hervorragende Arbeit“, sagt Mohamed Hassan. Bei 75 Prozent der Patientinnen und Patienten kann eine Katheterablation die Herzrhythmusstörung beheben und den normalen Sinusrhythmus wiederherstellen. In jedem vierten Fall ist jedoch ein chirurgischer Eingriff notwendig, bei dem das Epikard, die äußere Schicht des Herzens, behandelt wird. Denn auch von außen können abnorme Signale in die Vorhöfe gelangen. „Für uns in der Chirurgie heißt das: Wir machen das Gleiche wie die Elektrophysiologie, nur von außen. Wir veröden das Gewebe, das die Fehlkommunikation verursacht, und bringen das Herz wieder in Takt“, erklärt Mohamed Hassan. Der Chirurg, der 2018 nach seiner Ausbildung in Bad Bevensen nach Würzburg kam, will die Außen- und Innenperspektive der elektrischen Herzkommunikation zusammenführen und die Zusammenarbeit mit der Elektrophysiologie intensivieren. Brüssel ist dabei Vorreiter.

Blick über den Tellerrand 

Und auch hier liegt ein Fokus auf der minimal-invasiven Chirurgie. „Wir müssen auch in der Herzchirurgie immer kleiner werden, was die Zugänge betrifft“, sagt Ivan Aleksic, der mit seinem Team am UKW vier bis sechs Operationen pro Tag durchführt. „Mit dem internationalen Austausch und dem „out of the box“-Denken, also dem Blick über den Tellerrand, sind wir auf dem richtigen Weg.“ 

Kirstin Linkamp / UKW
 

Porträts im Passfotoformat der beiden Ärzte in weißen Kitteln
Die Herzchirurgen Dr. Mohamed Hassan (links) und Dr. Dejan Radaković vom Uniklinikum Würzburg freuen sich über Stipendien der European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS) © Daniel Wiener / Daniel Peter

Die Herzchirurgen Dr. Mohamed Hassan (links) und Dr. Dejan Radaković vom Uniklinikum Würzburg freuen sich über Stipendien der European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS) © Daniel Wiener / Daniel Peter