Aktuelle Pressemitteilungen

Das Gehirn im Gleichgewicht

Maximilian U. Friedrich erhält am 2. Mai 2024 in Hamburg den Jung-Karriere-Förderpreis für medizinische Forschung 2024. Mit dem Preisgeld von 210.000 Euro will der Mediziner und Wissenschaftler am UKW eine Arbeitsgruppe zur Erforschung der neuronalen Verarbeitung des Gleichgewichtssinns aufbauen.

Porträt von Maximilian Friedrich
Maximilian U. Friedrich erhält den mit 210.000 Euro dotierten Jung-Karriere-Förderpreis, der in den kommenden drei Jahren seine wissenschaftliche Arbeit an der neuronalen Verarbeitung des Gleichgewichtssinns unterstützt. Durch ein besseres Verständnis des vestibulären Systems will Friedrich eine Grundlage für die Entwicklung innovativer Therapieansätze für neurologische Erkrankungen schaffen. © Helen Friedrich

Würzburg. Ohne ihn hätten wir Schwierigkeiten, uns auf den Beinen zu halten, uns fortzubewegen und uns im Raum zu orientieren. Unser Gleichgewichtssinn ist für unser tägliches Funktionieren von entscheidender Bedeutung. Er besteht aus mehreren Komponenten, unter anderem dem Innenohr mit den so genannten Vestibularorganen, deren Signale über weite Teile des Gehirns und Rückenmarks verschaltet werden. Sobald wir uns bewegen oder unsere Kopfhaltung verändern, senden die Vestibularorgane Signale ans Gehirn, das die Informationen verarbeitet und entsprechende Anpassungen der Augenstellung und Körperhaltung veranlasst, damit wir im Gleichgewicht bleiben. Störungen des Gleichgewichtssinns mindern unsere Lebensqualität drastisch und können sogar zur Arbeitsunfähigkeit oder langfristig zu Depressionen und Angstzuständen führen. Diese Tatsachen sind bekannt, aber die Therapiemöglichkeiten sind sehr begrenzt. 

Atlas vom neuronalen Netzwerk des Gleichgewichtssinns

Dr. Maximilian U. Friedrich will das ändern. „Erkrankungen des Gleichgewichtssinns wie Schwindel, Störungen des Ganges und der räumlichen Orientierung zählen zu den häufigsten Symptomen überhaupt in der Medizin“, sagt der 35-jährige Assistenzarzt und Wissenschaftler vom Universitätsklinikum Würzburg (UKW). „Die Neurologie hat sich mit der Entwicklung innovativer Hirnstimulationsmethoden mittlerweile zu einem therapeutischen Fach gewandelt - jedoch profitieren davon aktuell noch keine Patientinnen und Patienten mit Gleichgewichtsstörungen.“

Mit modernsten Methoden der Hirnbildgebung und Künstlicher Intelligenz will Maximilian U. Friedrich neue Therapieansätze bei komplexen Gleichgewichtserkrankungen erforschen, die besonders häufig bei neurologischen Erkrankungen wie dem Schlaganfall, der Multiplen Sklerose oder der Parkinsonerkrankung auftreten. „Hierfür werde ich unter anderem schlaganfallbedingte Schädigungen von Gleichgewichtsnetzwerken als Modell nutzen, um Struktur-Funktionsbeziehungen des Gleichgewichtssystems aufzuschlüsseln und zu kartografieren.“

Jung-Karriere-Förderpreis für translationale Forschung in der Neurologie

Sein Forschungsvorhaben und bisherigen Erkenntnisse überzeugten die Hamburger Jung-Stiftung für Wissenschaft und Forschung so sehr, dass sie Maximilian U. Friedrich am 2. Mai in Hamburg den mit 210.000 Euro dotierten Jung-Karriere-Förderpreis verleiht. Mit dem Preisgeld will der gebürtige Franke, der derzeit als Clinician Scientist in der Neurologie und Postdoktorand am Center for Brain Circuit Therapeutics des Brigham & Women's Hospital und Forschungsstipendiat an der Harvard Medical School in Boston arbeitet, ab Oktober 2024 eine eigene Arbeitsgruppe am UKW aufbauen.

Bisher untersuchte Maximilian Friedrich unter anderem, wie schlaganfallbedingte Verletzungen und Hirnstimulation die visuelle und Gleichgewichtswahrnehmung sowohl im Menschen als auch im Mausmodell beeinflussen, wofür er mit dem James A. Sharpe Award der nordamerikanischen neuroophthalmologischen Gesellschaft ausgezeichnet wurde. Ihm gelang es, auf künstlicher Intelligenz basierende Systeme zu entwickeln, mit dem sich neurologische Bewegungsstörungen oder Augenzittern, wie es für Gleichgewichtserkrankungen charakteristisch sind, nur mit handelsüblichen Smartphones analysieren lassen. Die Ergebnisse sind mit denen bisheriger teurer Spezialmethoden vergleichbar, so dass seine Erkenntnisse künftig bei medizinischen Untersuchungen direkt am Krankenbett eine Rolle spielen könnten. Zusammen mit einer Arbeitsgruppe aus Australien gelang es ihm vor kurzem rund 750.000 Australische Dollar für ein Verbundvorhaben zur Weiterentwicklung künstlicher Intelligenzmethoden in der Neurologie einzuwerben.

Vom Tontechniker und Zivi zum Neurologen, Wissenschaftler und DJ

Ursprünglich studierte Maximilian U. Friedrich Germanistik, Philosophie und Klassische Philologie. Doch der Zivildienst als Krankenpfleger brachte ihn zur Medizin und schlussendlich zu einem anderen Blick auf den Geist. Nach der Aufnahme seines Medizinstudiums in Würzburg stellte sich schnell heraus, dass ihn besonders die Neurophysiologie begeisterte. „Das lag eigentlich nahe“, schmunzelt er. „In meiner Jugend habe ich mich als Tontechniker engagiert und viel mit Schaltkreisen und Signalprozessierung hantiert.“ Heute erzeugt er übrigens als DJ Musik aus elektrischen Schaltkreisen, sofern er nicht gerade an Hirnschaltkreisen forscht.

Den Funken für sein späteres Spezialgebiet - Störungen von Gleichgewicht, Augenbewegungen und Motorik – zündeten seine Mentoren während des Praktischen Jahres und der frühen Assistenzarztzeit: Dr. Mathias Pfau, Oberarzt im KWM Juliusspital und Prof. Dr. Jens Volkmann, Direktor der Neurologie am UKW. „Sie schafften es, die komplexesten neurologischen Rätsel direkt am Patientenbett zu lösen, allein durch die nuancierte neurologische Untersuchung der Augen- und Körpermotorik, und fast ohne den Einsatz von Apparaten. Diese Kunstfertigkeit hat mich inspiriert“, schildert Maximilian U. Friedrich. Er absolvierte in der Neurologie des UKW eine vom Interdisziplinären Zentrum für Klinische Forschung (IZKF) geförderte Ausbildung zum Clinician Scientist und baute zusammen mit Dr. Miriam Bürklein, Oberärztin der HNO-Klinik am UKW, ein interdisziplinäres Schwindelboard und eine Spezialambulanz für komplexe Gleichgewichtserkrankungen auf. In Kooperation mit Prof. Daniel Zeller, Oberarzt der Neurologischen Klinik am UKW und Prof. Martin Nentwich, stellv. Direktor der Augenklinik am UKW, gelang es ihm weiterhin, ein klinisch-wissenschaftliches Labor mit weltweit führender Ausstattung für Augenbewegungsanalysen am UKW zu etablieren. 

Der Weg zum Clinician Scientist sei sicher nicht immer einfach, umso mehr freue er sich über die Auszeichnung. „Die Förderung ermöglicht es mir nun, an meine bisherigen Forschungen anzuknüpfen und mein ganzheitliches klinisch-wissenschaftliches Programm zu verwirklichen.“ Zum Schluss schimmert noch einmal der Philosoph durch, als Maximilian U. Friedrich sein an Seneca angelehntes Motto zitiert: Per aspera ad astra - Über steinige Wege gelangt man zu den Sternen.

Über die Jung-Stiftung für Wissenschaft und Forschung

Die Jung-Stiftung für Wissenschaft und Forschung mit Sitz in Hamburg ehrt mit drei jährlich vergebenen Preisen Projekte der Grundlagen- und weiterführenden Forschung von besonderer klinischer Relevanz. Mehr als 15 Mio. Euro hat die Stiftung damit bis heute in die Förderung von Forscherinnen und Forschern investiert, die mit ihren Projekten eine Brücke von der Forschung zum Krankenbett schlagen. Unter dem Motto „Ausgezeichnete Humanmedizin“ trägt die Stiftung so maßgeblich zur Entwicklung neuer Therapiemöglichkeiten bei. Der Jung-Preis für Medizin, die Jung-Medaille für Medizin in Gold und der Jung-Karriere-Förderpreis für medizinische Forschung zählen in ihrer Gesamtsumme europaweit zu den höchstdotierten Medizinpreisen. Mit der zusätzlichen Vergabe von Fellowships und Deutschlandstipendien kommt die Stiftung so auf Förderungen im Wert von insgesamt bis zu 650.000 Euro jährlich. Mehr Informationen unter www.jung-stiftung.de

Text: Kirstin Linkamp / UKW 

Porträt von Maximilian Friedrich
Maximilian U. Friedrich erhält den mit 210.000 Euro dotierten Jung-Karriere-Förderpreis, der in den kommenden drei Jahren seine wissenschaftliche Arbeit an der neuronalen Verarbeitung des Gleichgewichtssinns unterstützt. Durch ein besseres Verständnis des vestibulären Systems will Friedrich eine Grundlage für die Entwicklung innovativer Therapieansätze für neurologische Erkrankungen schaffen. © Helen Friedrich

Neue Gehtest-App zur Bewertung der Fitness

Anlässlich der Heart Failure Awareness Kampagne 2024 präsentiert das Deutsche Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg eine neue App, mit der man über einen einfachen Gehtest seine individuelle Fitness einschätzen kann.

Beim 6-Minuten-Gehtest wird eine zuvor ausgemessene Strecke so oft wie möglich zurückgelegt. Bild: UKW

Würzburg. Vom 29. April bis 5. Mai finden die diesjährigen Heart Failure Awareness (HFA) Days statt. Mit der europaweiten Aktionswoche will die Europäische Gesellschaft für Kardiologie die Allgemeinheit auf das Thema Herzschwäche aufmerksam machen sowie über Vorbeugemaßnahmen und erste Anzeichen informieren. Das Deutsche Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI) am Uniklinikum Würzburg nutzt diesen Anlass, um eine brandneue App zu präsentieren, die jeder und jedem dabei helfen kann, die eigene körperliche Leistungsfähigkeit zu beurteilen.

In sechs Minuten soweit wie möglich gehen

Basis dabei ist der „6-Minuten-Gehtest“. Bei diesem wird die Strecke erfasst, die eine Person innerhalb von sechs Minuten zurücklegen kann, ohne dabei zu rennen oder zu joggen. Das Ergebnis des Tests hängt unter anderem von individuellen Eigenschaften wie Körpergröße und Alter ab. Die App berücksichtigt diese Faktoren und zeigt das Ergebnis im Vergleich zur Normalbevölkerung an. „Beim ‚privaten‘ Einsatz erhält man so auf einfache Weise ein objektives Maß der funktionellen Kapazitäten des eigenen Körpers. Im medizinischen Umfeld kann damit die Schwere von Erkrankungen wie Herzinsuffizienz oder Lungenleiden sowie das Ansprechen auf eine Therapie bewertet werden“, erläutert Privatdozentin Dr. Caroline Morbach vom DZHI.

Entwickelt wurde die App von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des DZHI und des Instituts für Klinische Epidemiologie und Biometrie der Uni Würzburg gemeinsam mit Spezialisten der Medizininformatik sowie dem Startup-Unternehmen Health Study Club. Die App kann unter dem Namen „Six-Minute Walk Test“ bei Google Play (Kurzlink: https://bit.ly/6mwt-android) oder im App Store (https://apple.co/3QoBXec) für eine sechswöchige Nutzung kostenlos heruntergeladen werden.

 

Text: Pressestelle UKW

Beim 6-Minuten-Gehtest wird eine zuvor ausgemessene Strecke so oft wie möglich zurückgelegt. Bild: UKW

Personalia vom 30. April 2024 +++ Wir gratulieren!

Hier lesen Sie Neuigkeiten aus dem Bereich Personal: Neueinstellungen, Dienstjubiläen, Erteilung von Lehrbefugnissen und mehr.

Dr. Johannes Tran-Gia, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin am Universitätsklinikum Würzburg, wurde mit Wirkung vom 23.04.2024 die Lehrbefugnis für das Fachgebiet „Medizinische Physik“ erteilt.

einBlick - Das Online-Magazin der Universität Würzburg vom 30. April 2024

Workshop zu besonders herausfordernden hämato-onkologischen Erkrankungen

Am 5. Juni 2024 bietet das Uniklinikum Würzburg unter dem Titel „Häma-Onko-Forum – The Big Five“ für alle interessierten Ärztinnen und Ärzte erneut eine Fortbildungsveranstaltung zu gleichermaßen bedeutenden, wie herausfordernden hämato-onkologischen Erkrankungen an.

Grafik fünf bedeutende hämato-onkologische Erkrankungen
Das Forum des Uniklinikums Würzburg beschäftigt sich mit fünf bedeutenden hämato-onkologischen Erkrankungen. Bild: UKW

Würzburg. Am Mittwoch, den 5. Juni 2024 veranstaltet die Medizinische Klinik II des Uniklinikums Würzburg (UKW) das dritte „Häma-Onko-Forum – The Big Five“. Im Zentrum des kostenlosen Workshops stehen hämato-onkologische Erkrankungen, die nicht nur von bedeutenden Patientenzahlen gekennzeichnet sind, sondern auch besonders herausfordernd in ihrer Diagnostik und Therapie sind. Dazu zählen:

  • das Follikuläre Lymphom und die Chronische Lymphatische Leukämie,
  • das Multiple Myelom,
  • das Diffuse Großzellige B-Zell-Lymphom,
  • das Mantelzell-Lymphom,
  • das Myelodysplastische Syndrom und die Akute Myeloische Leukämie.

„Bei diesen Krankheiten schreitet der internationale Wissensgewinn zu den Diagnostik- und Behandlungsmöglichkeiten so rasant voran, dass wir es für wichtig erachten, unsere im Bereich der Hämato-Onkologie tätigen Kolleginnen und Kollegen in kompakten Vorträgen auf den aktuellen Stand zu bringen“, erläutert Prof. Dr. Hermann Einsele. Der Direktor der Medizinischen Klinik II des UKW teilt sich den Vorsitz des Forums mit Prof. Dr. Stephan Kanzler, Chefarzt der Medizinischen Klinik 2 des Medizinischen Versorgungszentrums Leopoldina in Schweinfurt. Für die „Updates“ zu den jeweiligen Erkrankungen stehen ihnen Fachleute des Klinikums Aschaffenburg-Alzenau, des Caritas-Krankenhauses Bad Mergentheim, des Klinikums Bamberg und des UKW zur Seite.

„Die Auswahl von Referierenden aus Franken und dem nahem Umgriff gehört zum Konzept des Häma-Onko-Forums“, betont Prof. Einsele und fährt fort: „Unser Ziel ist es nämlich, neben der Wissensvermittlung auch regionale Kontaktmöglichkeiten aufzuzeigen und das fachliche Netzwerk vor Ort weiter zu stärken.“ Diesem Ansinnen dient auch das gemeinsame Abendessen im Anschluss an die Fachvorträge.

Die Veranstaltung findet im Novum Conference Center in der Schweinfurter Straße in Würzburg statt. Wichtig ist eine Anmeldung bei Gabriele Nelkenstock bis 20. Mai 2024 unter Tel. 0931-88079447 oder E-Mail: info@ gn-beratung.de

Grafik fünf bedeutende hämato-onkologische Erkrankungen
Das Forum des Uniklinikums Würzburg beschäftigt sich mit fünf bedeutenden hämato-onkologischen Erkrankungen. Bild: UKW

EBMT Basic Science Award für revolutionäre Erkenntnisse zur Transplant-gegen-Wirt-Reaktion

Blutgefäßzellen in lymphatischen Organen lösen gefürchtete T-Zellreaktion nach Stammzellentransplantation aus

Dr. Haroon Shaikh aus dem Forschungslabor von Prof. Andreas Beilhack am Uniklinikum Würzburg (UKW) wurde für seine wegweisenden Forschungsergebnisse auf dem 50. Europäischen Kongress zur Knochenmark-Stammzellentransplantation der European Society for Blood and Marrow Transplantation (EBMT) mit dem angesehenen EBMT Basic Science Award 2024 ausgezeichnet.

Haroon Shaikh am Rednerpult
Dr. Haroon Shaikh (UKW) wurde für seine wegweisenden Forschungsergebnisse auf dem 50. Europäischen Kongress zur Knochenmark-Stammzellentransplantation der European Society for Blood and Marrow Transplantation (EBMT) mit dem angesehenen EBMT Basic Science Award 2024 ausgezeichnet. © EBMT
3D-Mikroskopie des Krummdarms mit Blutgefäßen und T-Zellen
Blutgefäßzellen in lymphatischen Organen aktivieren alloreaktive T Zellen, welche eine akute GvHD auslösen. Die 3D-Mikroskopie des Ileums (Krummdarm) zeigt Spender-T-Zellen (grün), welche in den lymphatischen Strukturen des Peyerschen Plaques (Ileum) nach einer allogenen Stammzelltransplantation aktiviert werden. Die Blutgefäße sind rot dargestellt. © Haroon Shaikh und Zeinab Mokhtari, AG Beilhack, UKW

Würzburg. Glasgow, Schottland, war dieses Jahr Treffpunkt für mehr als 5.000 Expertinnen und Experten aus der Diagnostik, Versorgung und Forschung, die sich auf die Stammzellentransplantation spezialisiert haben. Die so genannte hämatopoetische Stammzellentransplantationen zielt darauf ab, das blutbildende System von Patientinnen und Patienten wiederherzustellen und hat sich für verschiedene Formen von Krebs und genetische Bluterkrankungen, die im Knochenmark entstehen, als Therapie mit der Chance auf Heilung erwiesen. 

Transplant-gegen-Wirt-Reaktion nach allogener Stammzellentransplantation 

Doch trotz ihrer Wirksamkeit birgt die Stammzellentransplantation eine gefährliche Nebenwirkung, insbesondere nach einer allogenen Transplantation, bei der die Stammzellen von einer Spenderin oder einem Spender stammen: die akute Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion, kurz GvHD für Graft-versus-Host Disease. Dabei greifen Immunzellen des Spendertransplants - so genannte alloreaktive T-Zellen - die Organe der Empfängerin oder des Empfängers an. Besonders häufig betroffen sind der Magen-Darm-Trakt, die Leber und die Haut. 

Um diese Immunreaktion besser zu verstehen und einen gezielteren Ansatz zur Behandlung von Patientinnen und Patienten zu entwickeln, beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Dr. Andreas Beilhack aus der Medizinischen Klinik und Poliklinik II am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) schon länger mit der Frage, welche Zellen wo und wie und zur Aktivierung von T-Zellen beitragen und das lebensbedrohliche Syndrom einer akuten GvHD auslösen. 

Endothelzellen in Blutgefäßen der Lymphknoten aktivieren gefürchtete T-Zellreaktion

„Wir hatten eine sehr harte Nuss mit einer Serie von aufwendigen Experimenten zu knacken, um dieses wissenschaftliche Problem zu lösen“, berichtet Dr. Haroon Shaikh, der seit Juli 2016 im Forschungslabor von Prof. Beilhack arbeitet. „Unsere Ergebnisse sind jedoch eindeutig, nämlich dass Endothelzellen in den Blutgefäßen der Lymphknoten die alloreaktiven CD4+ T-Zellen aktivieren, was letztendlich die akute GvHD auslösen kann. Damit eröffnen sich nun gleich mehrere Möglichkeiten, um die Therapie von Leukämiepatienten entscheidend zu verbessern.“ 

Drei Awards fürs Beilhack Lab 

Für seine wegweisenden Forschungsergebnisse "Lymph Node Blood Endothelial Cells Prime Alloreactive CD4+ T Cells In Acute Graft-Versus-Host Disease Initiation" wurde Haroon Shaikh auf dem 50. Europäischen Kongress zur Knochenmark-Stammzellentransplantation der European Society for Blood and Marrow Transplantation (EBMT) mit dem angesehenen EBMT Basic Science Award 2024 ausgezeichnet. Der mit 2.500 Euro dotierte Preis zielt darauf ab, herausragende Beiträge aus der Grundlagenforschung auf der Jahrestagung zu ehren. Zusätzlich erhielt der Biotechnologe mit pakistanischen Wurzeln den Young Investigator Award. Und Juan Gamboa Vargas aus der Forschergruppe für Experimentelle Stammzelltransplantation am Interdisziplinären Zentrum für Klinische Forschung (IZKF) durfte sich über den Best Young Abstract Poster Award freuen. 

„Diese Auszeichnungen würdigen den Stellenwert der Grundlagenforschung, in präklinischen Mausmodellen und der Analyse von Patientenproben, um etablierte Therapien zu verbessern oder rundum neue Behandlungsstrategien zu entwerfen. Und sie geben einen enormen Motivationsschub für das gesamte Forschungsteam“, freut sich Andreas Beilhack. „Vor allem der prestigereiche Basic Science Award wird Haroon Shaikh nun dazu beflügeln, seine eigene Nachwuchsforschergruppe zu starten.“

Und Prof. Dr. Hermann Einsele, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II und Standortsprecher des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereich Transregio 221 „GvH-GvL“ kommentiert: „Dass das Team von Herrn Professor Beilhack nun zum zweiten Mal innerhalb von drei Jahren mit diesem angesehenen europäischen Forschungspreis ausgezeichnet wurde, zeigt, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden, die Immuntherapie von Krebspatienten nachhaltig zu verbessern.“

Drei neue Ansatzpunkte für weitere Forschungsschritte

Die Wissenschaftler leiten gleich drei neue Ansatzpunkte aus den erzielten Ergebnissen ab. Zunächst wollen sie ähnliche Blutgefäßzellen im Knochenmark untersuchen und prüfen ob diese für eine gezielte Immunantwort gegen Krebs verantwortlich sind. Zweitens erforschen sie, ob Lymphknotengefäßzellen auch aus umliegenden Organen Antigene aufnehmen und alloreaktiven T Zellen präsentieren können. Drittens wollen sie neue Strategien prüfen, ob sich die Antigenpräsentation von Lymphknotengefäßzellen gezielt verändern lässt, um eine akute GvHD in Patientinnen und Patienten zu verhindern.

Link zum Interview mit Dr. Haroon Shaikh im EBMT TV Studio.

Text: Andreas Beilhack / Kirstin Linkamp 

Haroon Shaikh am Rednerpult
Dr. Haroon Shaikh (UKW) wurde für seine wegweisenden Forschungsergebnisse auf dem 50. Europäischen Kongress zur Knochenmark-Stammzellentransplantation der European Society for Blood and Marrow Transplantation (EBMT) mit dem angesehenen EBMT Basic Science Award 2024 ausgezeichnet. © EBMT
3D-Mikroskopie des Krummdarms mit Blutgefäßen und T-Zellen
Blutgefäßzellen in lymphatischen Organen aktivieren alloreaktive T Zellen, welche eine akute GvHD auslösen. Die 3D-Mikroskopie des Ileums (Krummdarm) zeigt Spender-T-Zellen (grün), welche in den lymphatischen Strukturen des Peyerschen Plaques (Ileum) nach einer allogenen Stammzelltransplantation aktiviert werden. Die Blutgefäße sind rot dargestellt. © Haroon Shaikh und Zeinab Mokhtari, AG Beilhack, UKW

Vorführung mit Einführung und Diskussion: NS-Propagandafilm zum Thema Euthanasie

Das Würzburger Central-Kino zeigt am 27. Mai 2024 den NS-Propagandafilm „Ich klage an“ aus dem Jahr 1941. Anlass ist ein derzeit laufendes studentisches Seminar der Würzburger Universitätsmedizin, das sich der Erinnerungs- und Gedenkarbeit an die Opfer des Nationalsozialismus in Würzburg widmet.

Würzburg. Beim derzeit stattfindenden Seminar „Reflective Practitioner – Erinnerungs- und Gedenkarbeit zu den Opfern des Nationalsozialismus in Würzburg“ vertiefen 20 Würzburger Medizinstudierende ihre Kenntnisse zur Geschichte des Nationalsozialismus anhand der Biographien jüdischer Ärztinnen und Ärzte sowie lokaler Bezüge. Das Wahlfach ist ein Kooperationsprojekt der Lehrstühle für Allgemeinmedizin und der Geschichte der Medizin.

Als Abschluss des Seminars zeigt das Würzburger Programm-Kino Central (Bürgerbräu, Frankfurter Str. 87) am 27. Mai 2024 um 20:00 Uhr den Film „Ich klage an“ aus dem Jahr 1941. Der von der nationalsozialistischen Regierung in Auftrag gegebene Spielfilm sollte mit großer Starbesetzung und in der Tradition der populären Arztfilme für die Euthanasie „unwerten Lebens“ werben.

Thematische Verbindungen zu Würzburg

Vor dem Propagandafilm gibt Prof. Dr. Sabine Schlegelmilch, die kommissarische Leiterin des Instituts für Geschichte der Medizin an der Uni Würzburg, eine historische Einführung und steht auch danach zur Diskussion zu Verfügung. „Es gab spezifische Verbindungen zwischen Würzburg und dem damaligen Euthanasie-Programm, die nicht nur die Medizinstudierenden, sondern auch die hiesige Bürgerschaft allgemein kennen sollten“, unterstreicht Prof. Schlegelmilch und fährt fort: „So wurde die sogenannte Aktion T4, die diesen systematischen Kranken- und Patientenmord umsetzen sollte, vom Würzburger Psychiatrieprofessor Werner Heyde geleitet. Dieser konnte nach dem Krieg – auch mit Hilfe Würzburger Kontakte – den Nürnberger Prozessen entgehen.“

 

Weitere Gründe, den Film zu zeigen

Nach ihrer Einschätzung gibt es weitere Gründe, den Film, der ansonsten nicht ohne Weiteres aufgeführt werden darf, zu zeigen. „Zum einen wird in der hochaktuellen Diskussion um ärztlich assistierten Suizid immer wieder relativ undifferenziert die Euthanasie der NS-Zeit thematisiert. Zum anderen stellen tendenziöse politische Debatten die Inklusion körperlich und geistig behinderter Menschen in Frage“, so die Professorin.

Der Eintritt bei dieser öffentlichen Veranstaltung ist frei. Es ist allerdings für alle Besucherinnen und Besucher eine verpflichtende namentliche Registrierung bis spätestens 26. Mai 2024 erforderlich. Der Anmelde-Link findet sich unter www.medizingeschichte.uni-wuerzburg.de

Text: Pressestelle Uniklinik Würzburg

Zentrum für Personalisierte Medizin Würzburg erfolgreich zertifiziert

Das „Zentrum für Personalisierte Medizin Würzburg“ ermöglicht für Krebspatientinnen und -patienten neue maßgeschneiderte Behandlungsstrategien. Nun wurde es von der Deutschen Krebsgesellschaft erfolgreich zertifiziert.

Man sieht auf dem Gruppenfoto: Dr. Tim J. von Oertzen, Ärztlicher Direktor am UKW (1 von links), und Philip Rieger, Kaufmännischer Direktor am UKW (3 von links), sowie die Professoren Ralf Bargou (2 von links) und Andreas Rosenwald (3 von rechts), Sprecher des ZPM, und Volker Kunzmann, Klinischer Leiter des ZPM (3 von rechts)
Dr. Tim J. von Oertzen, Ärztlicher Direktor am UKW (1.v.l.), und Philip Rieger, Kaufmännischer Direktor am UKW (3.v.l.), sowie die Professoren Ralf Bargou (2.v.l.) und Andreas Rosenwald (3.v.r.), Sprecher des ZPM, und Volker Kunzmann, Klinischer Leiter des ZPM (3.v.r.) danken allen Beteiligten für die erfolgreiche Mitarbeit und Unterstützung bei der Zertifizierung zum Zentrum für Personalisierte Medizin Würzburg. Während der konstituierenden Sitzung des ZPM Würzburg am 22. April 2024 skizziert Dr. Benedikt Westphalen, Ärztlicher Leiter Präzisionsonkologie am LMU Klinikum München (1.v.r.), die Chancen der Präzisionsonkologie und den Nutzen der deutschlandweiten Vernetzung der Zentren für Personalisierte Medizin. Foto: Dr. Alexander Kerscher / ZPM Würzburg.

Nicht alle Krebspatientinnen und -patienten sprechen gleich gut auf ein und dieselbe Behandlung an, denn jeder Mensch und auch jede Krebserkrankung haben individuelle genetische Merkmale. Ziel der „personalisierten Medizin“ ist es daher, die individuellen Veränderungen im Erbgut eines Tumors zu identifizieren und die Therapie daran auszurichten.

Um möglichst vielen Krebserkrankten eine noch passgenauere Behandlung zu ermöglichen, wurde das Zentrum für Personalisierte Medizin (ZPM) Würzburg gegründet. Das ZPM Würzburg ist Teil des Onkologischen Spitzenzentrums CCC Mainfranken, einer gemeinsamen Einrichtung von Uniklinikum und Universität Würzburg.

Neue molekulare Therapieoptionen

Im Fokus stehen Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittener oder seltener Tumorerkrankung, bei denen nach der Behandlung im Rahmen der Leitlinien der Tumor weiterwächst oder erneut auftritt. Für diese Patientinnen und Patienten sollen nun zusätzliche Optionen angeboten werden.

„Unser neues Zentrum für Personalisierte Medizin vereint alle Akteure aus den Diagnostik- und Therapieeinheiten, um diesen Patientinnen und Patienten umfassende molekulargenetische Untersuchungen zu ermöglichen und potenzielle molekulare Therapieoptionen zu finden“, sagt Professor Ralf Bargou, Direktor des Comprehensive Cancer Center Mainfranken (CCC Mainfranken) und Sprecher des ZPM.

Dreh- und Angelpunkt: Molekulares Tumorboard

Dank der technischen Fortschritte in der molekularen Diagnostik können entsprechende Untersuchungsergebnisse dafür genutzt werden, um speziell für diese genetischen Veränderungen des Tumors individuelle Therapien zu entwickeln. Das Molekulare Tumorboard spielt in diesem Prozess eine zentrale Rolle und ist der Dreh- und Angelpunkt des Zentrums.

„Unser multiprofessionelles Team aus Klinikerinnen und Klinikern sowie Expertinnen und Experten aus den Bereichen Pathologie, Molekularpathologie, Humangenetik, Bioinformatik, Bildgebung sowie dem interdisziplinären Studienzentrum interpretiert die komplexen tumorbiologischen Daten. Abschließend empfehlen wir eine Therapie nach dem besten wissenschaftlichen Standard“, so Professor Andreas Rosenwald, Direktor des Instituts für Pathologie der Universität Würzburg und Sprecher des ZPM.

Herausragende Expertise am Standort Würzburg

„In der Zentrumszertifizierung hat die Deutsche Krebsgesellschaft unsere exzellente klinische und wissenschaftliche Expertise und große Motivation zur Weiterentwicklung der personalisierten Medizin besonders positiv hervorgehoben. Wir danken allen Beteiligten für ihr großes Engagement beim Aufbau des Molekularen Tumorboards am Standort Würzburg“, so Rosenwald.

Dank der engen Verbindung des ZPM Würzburg zum interdisziplinären Studienzentrum mit Early Clinical Trials Unit (ECTU) am CCC Mainfranken können Patientinnen und Patienten zeitnah in innovative Behandlungsstudien eingeschlossen werden, zum Beispiel in immunonkologische Phase-I- oder Phase-II-Studien.

„Um allen Patientinnen und Patienten einen Zugang zur personalisierten Medizin zu ermöglichen, arbeitet das Molekulare Tumorboard eng mit den Behandlerinnen und Behandlern an externen Kliniken, Praxen und Medizinischen Versorgungszentren der Region zusammen“, so Bargou.

Diese Zusammenarbeit mit externen Zuweiserinnen und Zuweisern ist bereits jetzt bestens etabliert – im vergangenen Jahr wurde rund ein Drittel der insgesamt mehr als 400 Patientinnen und Patienten im Molekularen Tumorboard von externen Behandlerinnen und Behandlern angemeldet.

Vernetzung

Auch für die Zusammenarbeit in bayernweiten und nationalen Verbünden ist das ZPM Würzburg sehr wichtig. Die vernetzten Zentren profitieren gleichermaßen von den erhobenen Daten und können Erkenntnisse für die Forschung und die Patientenversorgung nutzen. Dazu gehören etwa das Deutsche Netzwerk für Personalisierte Medizin (dnpm), das Bayerische Zentrum für Krebsforschung (BZKF) mit sechs bayerischen Universitätsklinika oder das Modellvorhaben Genomsequenzierung.

Die Standorte Würzburg, Erlangen, Regensburg und Augsburg haben sich zur „Comprehensive Cancer Center Allianz WERA“ zusammen geschlossen, die im Jahr 2022 von der Deutschen Krebshilfe als „Onkologisches Spitzenzentrum“ ausgezeichnet wurde. Die vier WERA-Partner decken ein Versorgungsgebiet von rund acht Millionen Menschen ab.

Weitere Informationen auf der Website des ZPM Würzburg: https://www.ukw.de/behandlungszentren/zentrum-fuer-personalisierte-medizin-zpm-wuerzburg/startseite/

Man sieht auf dem Gruppenfoto: Dr. Tim J. von Oertzen, Ärztlicher Direktor am UKW (1 von links), und Philip Rieger, Kaufmännischer Direktor am UKW (3 von links), sowie die Professoren Ralf Bargou (2 von links) und Andreas Rosenwald (3 von rechts), Sprecher des ZPM, und Volker Kunzmann, Klinischer Leiter des ZPM (3 von rechts)
Dr. Tim J. von Oertzen, Ärztlicher Direktor am UKW (1.v.l.), und Philip Rieger, Kaufmännischer Direktor am UKW (3.v.l.), sowie die Professoren Ralf Bargou (2.v.l.) und Andreas Rosenwald (3.v.r.), Sprecher des ZPM, und Volker Kunzmann, Klinischer Leiter des ZPM (3.v.r.) danken allen Beteiligten für die erfolgreiche Mitarbeit und Unterstützung bei der Zertifizierung zum Zentrum für Personalisierte Medizin Würzburg. Während der konstituierenden Sitzung des ZPM Würzburg am 22. April 2024 skizziert Dr. Benedikt Westphalen, Ärztlicher Leiter Präzisionsonkologie am LMU Klinikum München (1.v.r.), die Chancen der Präzisionsonkologie und den Nutzen der deutschlandweiten Vernetzung der Zentren für Personalisierte Medizin. Foto: Dr. Alexander Kerscher / ZPM Würzburg.