Würzburg. Sechs Medizinstudentinnen und ein Medizinstudent aus der ukrainischen Universitätsstadt Lviv hatten in einem bundesweiten Vorreiterprojekt die Chance, am Uniklinikum Würzburg (UKW) vier Wochen lang klinische Abläufe in der Realität kennenzulernen und ihre praktischen Fertigkeiten zu trainieren. Die wegen des Krieges aus ihrem Heimatland geflüchteten jungen Menschen kamen dazu aus dem gesamten Bundesgebiet an den Main.
Organisiert wurde das Sommerpraktikum von Prof. Dr. Sarah König und ihrem Team aus dem Büro für Internationalisierung der Medizinischen Fakultät. Die Leiterin des Instituts für Medizinische Lehre und Ausbildungsforschung am Universitätsklinikum und zugleich Studiendekanin der Medizinischen Fakultät erläutert die Situation der Gaststudierenden: „Sie sind alle an Würzburgs Partneruni Danylo Halytsky Lviv National Medical University eingeschrieben. Ihr Medizinstudium erleben sie derzeit als unter den Kriegsbedingungen recht unbefriedigenden Online-Unterricht. Sie dürsten geradezu nach intensiverer Ausbildung, aber sie in den deutschen Universitätsbetrieb zu integrieren, ist allein schon aus formal-rechtlichen Gründen schwierig.“
Beeindruckt von Wertschätzung und Behandlungsstandards
Um hier dennoch eine Unterstützung zu leisten, entwickelte Prof. König auf Initiative eines ukrainischen Medizinstudenten und in Kooperation mit Studiengangsverantwortlichen aus Lviv das wegweisende Lehrangebot. Zu dem im Juli dieses Jahres durchgeführten Praktikum, das einer deutschen Famulatur ähnelt, gehörte die Mitarbeit in den ärztlichen Teams von fünf Kliniken des UKW. „Hier ist vor allem auch unseren Studierenden im Praktischen Jahr zu danken, die unsere Gäste intensiv betreuten“, unterstreicht Prof. König. Die Ukrainerinnen und der Ukrainer zeigten sich begeistert – sowohl von der ihnen am UKW entgegengebrachten Wertschätzung, wie auch von der hier gebotenen Krankenversorgung. „Ich bin tief beindruckt von den hohen Behandlungsstandards und der Schnelligkeit, mit der die Patientinnen und Patienten gesunden“, kommentierte zum Beispiel die Studentin Diana.
Maßgeschneiderter Begleitunterricht
Die Erfahrungen in den Kliniken wurden ergänzt durch einen speziellen, mit den Bedürfnissen der Universität in Lviv abgestimmten Begleitunterricht. Jeweils am Nachmittag vermittelten Dozierende in speziellen Lehrveranstaltungen praktische Fertigkeiten und schulten im Notfallmanagement. Themen der auf Englisch und teilweise auch Russisch abgehaltenen Kurse waren zum Beispiel Nahttechniken, grundlegende lebenserhaltende Maßnahmen, Beatmung und akute Schmerztherapie.
Neben der Gestaltung der fachlichen Inhalte waren für den Erfolg des Sommerpraktikums viele organisatorische und lebenspraktische Fragen zu lösen. Das begann schon beim Auswahlverfahren. „Neben guten Sprachkenntnissen in Englisch legten wir fest, dass die Bewerberinnen und Bewerber vor dem 15. Mai 2022 geflüchtet sein mussten und einen aktuellen Aufenthaltstitel in Deutschland besitzen“, berichtet Prof. König und fährt fort: „Damit wollten wir eine zusätzliche Motivation zur Flucht aus der Ukraine vermeiden, um den eh schon vorhandenen Verlust des Landes an akademischen Kräften nicht noch zu erhöhen.“
Unterbringung bei Fakultätsmitglieder
Für die An- und Abreise nutzten die Studierenden das 9-Euro-Ticket. Vor Ort untergebracht wurde sie bei Gastfamilien. „Hierfür haben sich dankenswerterweise problemlos genug freiwillige Fakultätsmitglieder gefunden“, lobt Prof. König, die selbst auch eine Studentin beherbergte.
Zur Rundum-Versorgung zählten ferner ein kostenloses Essenangebot am UKW, ein Willkommenspaket der Stadt Würzburg, das freien Eintritt zu diversen kommunalen Einrichtungen, wie zum Beispiel Schwimmbädern, ermöglichte sowie ein Sozialprogramm von Fakultät und Fachschaft, unter anderem mit Stadtführung und studentischen Treffen.
„Dass die Hilfsbereitschaft, sich an dem Hilfsprogramm zu beteiligen, bei allen Beteiligten enorm groß war und alle großen Spaß bei der Durchführung hatten, freut mich sehr“, sagt Barbara Moll. Die Mitarbeiterin des International Offices der Medizinischen Fakultät, die an der Organisation des Projekts maßgeblich beteiligt war, ergänzt: „Es verwundert nicht, dass die ukrainischen Gaststudierenden Würzburg rasch in ihr Herz geschlossen haben.“
Große Dankbarkeit und neue Motivation
Bei diesen herrschte am Ende des Praktikums große Dankbarkeit – und wohl auch eine neue Begeisterung für ihre Studienwahl. „Nach den in Würzburg gemachten Erfahrungen bin ich wieder voll motiviert, den Weg zur Ärztin weiterzugehen“, brachte es die Teilnehmerin Diana auf den Punkt. Aussagen wie diese und der insgesamt so erfolgreiche Ablauf des Praktikums bestärken Prof. König und ihr Team darin, dieses Fortbildungsformat fortzusetzen. Die ukrainischen Studierenden werden ihr Online-Studium über Lviv weiterführen und für praktische Ausbildungsphasen gerne wieder nach Würzburg kommen.