Würzburg. Am 12. Oktober 2022 organisierte das Institut für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) seinen 5. Tag der Allgemeinmedizin. Die Fortbildungsveranstaltung richtete sich wie gewohnt an Hausärztinnen und Hausärzte, Medizinische Fachangestellte, Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung sowie Studierende. Sie hatten die Möglichkeit, aus insgesamt 17 Workshops auszuwählen. Auf großen Zuspruch der rund 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmer stießen zum Beispiel die Themen „Über- und Fehldiagnostik und -therapie aus endokrinologischer Sicht“, „Long-Covid aus internistischer und neuropsychologischer Sicht“ sowie „Grauer Star, grüner Star, rotes Auge, blaues Auge – wie geht es weiter?“.
Erfolgreiche BeLA-Studierende geehrt
Nach einem Grußwort von Prof. Dr. Sarah König, Studiendekanin der Medizinischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und einer Begrüßung durch die Leiterinnen des Instituts für Allgemeinmedizin, Prof. Dr. Ildikó Gágyor und Prof. Dr. Anne Simmenroth, fand eine Ehrung der Studierenden Laura Ziegler und Julian Hauptmann statt. Die Stipendiatin und der Stipendiat des Programms „Beste Landpartie Allgemeinmedizin“ (BeLA) in Unterfranken absolvierten in den vergangenen vier Semestern ein Zusatzcurriculum mit Praktika und Abschnitte des Praktischen Jahres in ländlichen Regionen Unterfrankens. Das Programm ist eine Initiative des Bayerischen Gesundheitsministeriums und zielt darauf ab, mehr Medizinstudierende für das Fach Allgemeinmedizin zu begeistern und so langfristig im ländlichen Raum eine flächendeckende hausärztliche Versorgung zu sichern.
Anschließend dankten Prof. Gágyor und Prof. Simmenroth den teilnehmenden hausärztlichen Kolleginnen und Kollegen für ihre unermüdliche Unterstützung der Lehre und für ihr Engagement in einer wachsenden Zahl an Forschungsprojekten. Prof. Gágyor wies in diesem Zusammenhang auf aktuell laufende klinische Studien zur Behandlung von Atemwegsinfekten und des Post-Covid-Syndroms in der hausärztlichen Praxis hin und warb für Unterstützung.
Gedanken zum ärztlich assistierten Suizid
Den sich anschließenden Hauptvortrag mit dem Titel „Der ärztlich assistierte Suizid: (K)ein Thema für Hausärzt:innen“ übernahm Dr. Sandra Blumenthal vom Institut für Allgemeinmedizin der Berliner Charité. Unter einem ärztlich assistierten Suizid versteht man das Ermöglichen, Fördern oder Nichtverhindern einer Selbsttötung. Dies grenzte die Referentin von indirekter Sterbehilfe, einem Behandlungsabbruch oder einer Tötung auf Verlangen ab. Nach ihren Worten dürfen Ärztinnen und Ärzte in Deutschland nach der Aufhebung des Paragrafen 217 des Strafgesetzbuches durch das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2020 Menschen beim Suizid beraten und assistieren. Auch die Berufsordnungen lassen dies derzeit in fast allen Bundesländern – auch in Bayern – zu. Um die dennoch unübersichtliche und rechtlich unbefriedigende Situation weiter zu klären, ist eine neue gesetzliche Regulierung der Beihilfe zur Selbsttötung in der Entwicklung. Entwürfe dazu werden seit diesem Sommer im Bundesrat diskutiert. „Gemeinsam ist ihnen die Überschrift ‚Suizidbeihilfe ermöglichen – aber nicht fördern‘“, verdeutlichte Blumenthal. Sie bedauerte, dass Hausärztinnen und Hausärzte zwar laut dieser Entwürfe bei der Suizidprävention und der Beratung weiterhin beteiligt sein werden, aber bislang nicht in die Gesetzesentwicklung einbezogen wurden.
Graduierung von Suizidalität als eine der Herausforderungen
Eine der Herausforderungen bei den zu führenden Beratungsgesprächen ist laut der Ärztin die Abgrenzung eines krankheitsbedingten Tötungswunsches – zum Beispiel im Rahmen einer depressiven Episode – vom autonomen Wunsch, das Leben zu beenden. „Wir werden immer wieder vor der Entscheidung stehen, ob der Sterbewunsch Ausdruck der Patientenautonomie ist oder von einer psychiatrischen Erkrankung herrührt“, so Dr. Blumenthal.
Um die eigene Beratungsleistung richtig einstufen zu können, riet die Expertin den Zuhörerinnen und Zuhörern, sich Gedanken über ihre persönlichen Einstellungen und Prägungen zu den Themen Tod, Sterben und Leben zu machen sowie sich hierzu mit Kolleginnen und Kollegen auszutauschen. „Je nachdem, ob ich christlich sozialisiert bin und den Suizid beispielsweise aus religiösen Gründen kritisch sehe oder – als eine andere Position – die Autonomie des Menschen in den Mittelpunkt stelle, werden die Beratungsgespräche anderes ablaufen“, ist sich Dr. Blumenthal sicher.