Rein, reiner, am reinsten

Im Rahmen des EU-Projekts REGENEU besuchte eine türkische Delegation die Reinräume des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) und ließ sich von Privatdozent Dr. Oliver Pullig und seinem Team zum Thema Good-Manufacturing- Practice (GMP) schulen.

Würzburg. Wie ziehe ich einen Reinraumanzug an, ohne den Boden zu berühren? Was muss ich an den Schleusen beachten? Und wie kommt mein Material von C nach B? Das und mehr haben türkische Ärztinnen und Wissenschaftlerinnen von der Necmettin Erbakan Universität (NEU) in Konya heute am Uniklinikum Würzburg (UKW) buchstäblich am eigenen Leib erfahren. Sie schlüpften in Overalls und lernten das Kaskadensystem eines Reinraums kennen - von der unreinen Seite, dem Graubereich, ging es über verschiedene Stufen von D nach B, der nicht mehr im weißen sondern nur noch im blauen Overall betreten werden darf. Sauberer wird es dann nur noch unter der Werkbank, dem Bereich A, wo am offenen Produkt gearbeitet wird. 

Zum Beispiel an Knorpelgewebe, das Patientinnen und Patienten aus der Nase entnommen wird, um daraus unter strengsten aseptischen Bedingungen ein Implantat zur Regeneration von Knorpeldefekten im Knie herzustellen (Infos). Da das Implantat aus lebenden Zellen besteht, gehört es zu den Arzneimitteln für neuartige Therapien, kurz ATMP für Advanced Therapy Medicinal Products. Das heißt: Es unterliegt besonderen Regularien. Und für die ist Privatdozent Dr. Oliver Pullig vom Lehrstuhl für Tissue Engineering und Regenerative Medizin (TERM) am UKW Experte.

„GMP-konforme Implantatentwicklung“

Gemeinsam mit seiner Kollegin Dr. Sarah Nietzer leitet er im EU-Projekt REGENEU die Arbeitsgruppe „GMP-konforme Implantatentwicklung“. GMP steht für Good Manufacturing Practice, also gute Herstellungspraxis nach den Richtlinien zur Qualitätssicherung der Produktionsabläufe und -umgebung (Good Manufacturing Practice = GMP). REGENEU ist ein dreijähriges Projekt im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms HORIZON EUROPE, in dem das UKW, die Fraunhofer-Gesellschaft sowie das Royal College of Surgeons in Ireland (RCSI) und das Trinity College Dublin (TCD) die NEU in verschiedenen Formaten dabei unterstützen, ihre wissenschaftliche Kompetenz und Exzellenz im Bereich der Biofaserforschung und -entwicklung für translationale Anwendungen zu erhöhen.

Erst vor wenigen Wochen, im April 2024, waren die beiden in der türkischen Millionenstadt Konya, um an verschiedenen NEU-Standorten Schulungen durchzuführen. Dabei spannten sie den Bogen der GMP von den regulatorischen Grundlagen bei der Herstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten bis zum Risikomanagement im Produktionsprozess. „Konkret geht es in unserem Projekt um die Wundheilung und die Entwicklung innovativer Medizinprodukte. Im Auditorium hatten wir Studierende, Forschende und Lehrende verschiedener Fachrichtungen“, berichtet Oliver Pullig und schwärmt von der großen Gastfreundschaft der türkischen Kolleginnen und Kollegen. 

Schulungen, Vorlesungen, Messebesuche, Workshops und vieles mehr

Vier Wochen später gab es ein Wiedersehen in Würzburg. Die Gäste absolvierten zunächst einen dreitägigen Kurs im Fraunhofer Translationszentrum zum Thema 3D-Testsysteme, um dann zwei Tage lang im UKW praktisch geschult zu werden. Als krönender Abschluss stand eine Besichtigung der neuen Reinräume im Zentrum für Innere Medizin (ZIM) auf dem Programm. Da diese kurz vor der Fertigstellung stehen und daher noch nicht behördlich freigegeben sind, war eine Einweisung vor Ort möglich. 

„Es ist ein wirklich schönes Projekt, das nicht nur Sinn, sondern auch Spaß macht“, sagt Oliver Pullig. Die regelmäßigen Projekttreffen werden flankiert von Online-Vorlesungen zu Regenerativer Medizin und Werkstoffen, gemeinsamen Messe- und Kongressbesuchen, speziellen Weiterbildungsprogrammen für Frauen in der Forschung, zum wissenschaftlichen Schreiben, zum Einwerben von Forschungsgeldern und vielem mehr. 

Text: Kirstin Linkamp / UKW 

Forschende aus Konya und Würzburg in Reinraumanzügen
Die Forscherinnen von der türkischen Necmettin Erbakan Universität (NEU) und das Team vom Lehrstuhl für Tissue Engineering und Regenerative Medizin sind startklar für die Besichtigung der Reinräume, welche essentiell für die Herstellung jeglicher Substanzen sind, die später in den Patienten oder die Patientin kommen. Ein Besuch im Rahmen des EU-Projektes REGENEU. © Kirstin Linkamp / UKW
Forschende aus Konya und Würzburg in Reinraumanzügen

Die Forscherinnen von der türkischen Necmettin Erbakan Universität (NEU) und das Team vom Lehrstuhl für Tissue Engineering und Regenerative Medizin sind startklar für die Besichtigung der Reinräume, welche essentiell für die Herstellung jeglicher Substanzen sind, die später in den Patienten oder die Patientin kommen. Ein Besuch im Rahmen des EU-Projektes REGENEU. © Kirstin Linkamp / UKW