Radionuklide aus eigener Herstellung

Seit diesem Jahr besitzt die Uniklinik Würzburg einen eigenen Ringbeschleuniger. Mit dem Zyklotron lassen sich kurzlebige, radioaktive Materialien herstellen, die für viele Untersuchungsverfahren, Behandlungsmethoden und Forschungsfragen unverzichtbar sind.

Die Nuklearmedizin der Uniklinik Würzburg hat seit diesem Jahr eine „versteckte“ Schatzkammer, die Hochtechnologie im Wert von über drei Millionen Euro beherbergt. In einer der hinteren Ecken des Zentrums für Innere Medizin (ZIM) an der Oberdürrbacher Straße, gut geschützt hinter tonnenschweren Mauern und Hüllen aus Spezialbeton, Blei und Borwasser, wurde in den vergangenen Monaten ein Zyklotron installiert. Die aufwändige Apparatur beschleunigt Protonen oder Deuteronen bis nahe der Lichtgeschwindigkeit. Die rasenden Kernteilchen treffen auf Zielmaterialien und verwandeln sie in künstliche Radionuklide, also instabile Atome, deren Kerne radioaktiv zerfallen.

Von Sauerstoff-15 über Kupfer-64 bis Fluor-18

Der Herr über Fluor-18, Kohlenstoff-11, Jod-124 und andere am Würzburger Uniklinikum zukünftig erzeugte Radionuklide ist Prof. Samuel Samnick. „Diese kurzlebigen Strahler sind unersetzliche Rohstoffe und Signalgeber für viele medizinische Anwendungen, sowohl in der Forschung, als auch in der Diagnostik und Therapie“, betont der leitende Radiochemiker der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin.

Mit radioaktivem Traubenzucker gegen den Krebs

Für nuklearmedizinische Einsätze werden die Radionuklide mit weiteren Bestandteilen, zum Beispiel Traubenzucker, kombiniert. „Krebszellen haben einen erhöhten Traubenzuckerverbrauch“, erläutert Prof. Samnick. „Injiziert man das schwach strahlende Mischprodukt in die Blutbahn, so reichert sich das Radionuklid zusammen mit dem Traubenzucker im Tumorgewebe an, der Krebsherd wird quasi markiert.“ Spezielle Untersuchungsgeräte können anschließend die vom Tumor ausgehende Strahlung „sehen“ und in ein diagnostisches Bild verwandeln. Mit diesem Verfahren ist es möglich, Krebs schon in sehr frühen Stadien zu erkennen und exakt zu lokalisieren.

Die speziellen Stoffwechseleigenschaften von Krebszellen ermöglichen es, die Krankheit mit Radionukliden nicht nur zu untersuchen, sondern auch zu bekämpfen. Ähnlich wie bei der Diagnostik spürt dabei ein geeignetes Radiopharmazeutikum gezielt die Tumorzellen auf ‑ und zerstört sie durch Strahlung. So lassen sich beispielsweise kleinste, weit verstreute Tochtergeschwulste bekämpfen.

Wichtige Hilfsmittel für viele Forschungsansätze

Die Krebsdiagnostik und -therapie ist dabei nur eines der vielen Einsatzfelder von Radiopharmaka. Speziell in der Grundlagen- und Klinischen Forschung setzen viele Disziplinen auf die strahlenden Helfer – von der Neurologie, die mit ihnen den Geheimnissen der Parkinson- und Alzheimer-Erkrankung auf der Spur ist, bis zur Inneren Medizin und hier speziell in der Kardiologie, in der die spezifischen biologischen Sonden bei Herz-Kreislauf-Krankheiten erfolgreich eingesetzt werden.

Selbst erzeugen statt einkaufen

Ein wesentliches Charakteristikum der im Zyklotron produzierten Radionuklide ist ihre kurze Halbwertszeit. Sie liegt, je nach Substanz zwischen zwei Minuten und vier Tagen. „Bislang müssen wir die fertigen Radionuklide von einem kommerziellen Anbieter kaufen“, erläutert Prof. Samnick. Allein für Fluor-18 markierte Radiopharmaka kommen da jährlich Kosten von rund 350.000 Euro zusammen. „Geld, das wir als ‚Selbstversorger’ mit eigenem Zyklotron künftig einsparen werden“, freut sich der Radiochemiker. Hinzu kommt, dass in Zukunft an der Würzburger Uniklinik spezielle Untersuchungen angeboten werden können, die radioaktives Material mit so kurzer Halbwertszeit und somit mit geringer Strahlenbelastung erfordern, dass eine externe Beschaffung logistisch unmöglich ist.

Eine bundesweite Besonderheit

Generell ist das Würzburger Uniklinikum bei Radiopharmakologie, Nuklearmedizin und den damit verbundenen Forschungsbereichen durch die Anschaffung des Zyklotrons in die bundesweite Spitzenliga aufgestiegen. „In Deutschland besitzen nur acht weitere Unikliniken ein eigenes Zyklotron, wobei unser Modell das derzeitige technologische High-End ist“, zeigt sich Prof. Samnick stolz.

Hochsterile Laborräume im Aufbau

Große Anstrengungen erfordert allerdings noch die „Peripherie“ des Zyklotrons. So ist die Herstellung der Radiopharmaka alles andere als trivial. In der Nachbarschaft des Teilchenbeschleunigers entstehen derzeit hochtechnisierte und -automatisierte Laborräume. Hier werden voraussichtlich ab Anfang 2011 die vom Zyklotron über ein Rohrleitungssystem gasförmig oder flüssig angelieferten Radionuklide zu Medikamenten aufbereitet. „Unsere radiochemischen Labors werden zertifiziert und unterliegen sowohl beim Strahlenschutz, wie auch bei der Arzneimittelherstellung der strengsten behördlichen Überwachung“, schildert Prof. Samnick. „Da wir Medikamente für die Anwendung am Menschen herstellen, müssen alle Einrichtungen höchsten Sterilitätsanforderungen genügen, was einen immensen baulichen, organisatorischen und logistischen Aufwand bedeutet.“

Auch bei der Personalauswahl liegt die Latte hoch. Samnick: „Grundvoraussetzung ist, dass jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter dieser Gruppe mindestens zwei Jahre Berufserfahrung in diesem Arbeitsbereich hat.“

 

Bilder:

Prof. Samuel Samnick ist als leitender Radiochemiker der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin für die Herstellung von Radiopharmazeutika am Universitätsklinikum Würzburg verantwortlich.

Für drei Millionen Euro Technik: Blick in das geöffnete Herz des Würzburger Zyklotrons.

Prof. Samuel Samnick vor dem geöffneten Zyklotron der Würzburger Uniklinik. Das Zentrum des Teilchenbeschleunigers besteht zu großen Teilen aus Kupfer.

Alle Bilder: Helmuth Ziegler