Mit Spannung wurde die Vorstellung der EMPA-KIDNEY-Studie bei der Kidney Week der American Society of Nephrology (ASN) erwartet. In der internationalen klinischen Studie wurde untersucht, ob die tägliche Einnahme einer Empagliflozin-Tablette nicht nur den Blutzucker senkt, sondern auch eine Verschlechterung der Nierenfunktion oder den Tod infolge einer Herzerkrankung bei Patientinnen und Patienten mit einer Nierenerkrankung verhindern kann, unabhängig davon, ob die Betroffenen einen Diabetes Typ 2 haben.
Die Effizienz vom Empagliflozin überraschte selbst das Studienteam
Ein Paukenschlag war die Präsentation der Ergebnisse zwar nicht: Denn der klinische Nutzen der beiden SGLT2-Hemmer Dapagliflozin und Canagliflozin bei der Behandlung chronischer Nierenerkrankungen wurde in vorhergehenden Studien bereits bewiesen. SGLT2-Inhiboren hemmen den renalen, natriumabhängigen Glukosetransporter SGLT-2 (Sodium dependent glucose co-transporter 2) und sorgen dafür, dass vermehrt Zucker über den Urin ausgeschieden wird. Dadurch sinkt der Blutzuckerspiegel und es kann zu einer leichten Abnahme von Gewicht und Blutdruck führen. Gleichzeitig werden Niere und Kreislauf entlastet. Die Effizienz des Wirkstoffs Empagliflozin sorgte jedoch für eine Überraschung, selbst bei Prof. Dr. Christoph Wanner. Der Leiter der Nephrologie am Uniklinikum Würzburg war einer der ersten, der das Potenzial von SGLT2-Hemmern in der Behandlung von Diabetes, Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen bereits 2015 in der EMPA-REG OUTCOME Studie veröffentlicht hat, und hatte die Idee zur EMPA-KIDNEY-Studie, deren Ergebnisse parallel zur Kidney Week der ASN im New England Journal of Medicine publiziert wurden.
28-prozentige Risikoreduktion gegenüber Placebo
Das Studienteam unter der Leitung der Universität Oxford in Kooperation mit der Universitätsmedizin Würzburg war zu Beginn der Untersuchungen von einer Senkung des Risikos von 18 Prozent ausgegangen. Das Risiko umfasste eine Kombination der primären Endpunkte Tod infolge einer Herzerkrankung und Nierenversagen, also die Notwendigkeit einer Dialyse oder eine Nierentransplantation oder ein Abfall der Nierenfunktionsleistung, der sogenannten glomerulären Filtrationsrate (GFR) von 40 Prozent und mehr. „Dass die Gabe von Empagliflozin jedoch eine 28-prozentige Risikoreduktion gegenüber einem Placebo erreicht, und zwar bei einer breiten Population von Patientinnen und Patienten mit einer chronischen Nierenerkrankung, ist sensationell“, kommentiert Christoph Wanner. „Wir konnten die positiven Auswirkungen auf den Herz- und Nierenschutz unabhängig vom Diabetes-Status oder der Albumin-Menge im Urin beobachten.“ Auch bezüglich der Hospitalisierungsrate zeigte Empagliflozin ein signifikantes Ergebnis. Die Anzahl der Krankenhausaufenthalte sank um 14 Prozent, unabhängig vom Grund der Klinikeinweisung. „Positiv überrascht hat mich außerdem, dass Empagliflozin sogar noch bei einer glomerulären Filtrationsrate (GFR) von 20 Milliliter pro Minute wirkt.“
Empagliflozin für verschiedene Krankheitsprofile geeignet
Das bedeutet, dass Empagfliflozin auch bei einer chronischen Nierenerkrankung ohne Diabetes und ohne Albuminurie eingesetzt werden kann, oder bei einer begleitenden Herzinsuffizienz und sogar bei einer geringen Nierenfunktion. Dadurch werde die Verschreibungspraxis von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten wesentlich erleichtert, so Wanner. Wichtig sei Wanner zufolge jedoch die Diagnose und damit die Risikoeinschätzung für Herz- und Nierenerkrankungen, idealerweise nach dem ABCDE-Schema: A steht für Albuminurie, eine erhöhte Albuminausscheidung im Urin deutet sehr früh auf einen Nierenschaden hin, lange bevor die Auswirkungen der Nierenschwäche überhaupt spürbar sind. Bei einem Gesunden liegt die Konzentration von Albumin im Urin unter 30 Milligramm. B steht für Blutdruck, C für Cholesterin, D für Diabetes und E für eGFR-Status. Das e steht für estimated, englisch für geschätzt. Die glomeruläre Filtrationsrate wird anhand des Serumkreatinins, Alters, Geschlechts und Hautfarbe geschätzt. Der Normalwert des aus dem Blut filtrierten Primärharns liegt bei 90 bis 130 Milliliter pro Minute.
Metaanalyse bestätigt Ergebnisse der EMPA-KIDNEY-Studie
Die Ergebnisse der EMPA-KIDNEY-Studie floss auch in eine Metaanalyse von insgesamt 13 SGLT2-Studien mit insgesamt 90.309 Personen mit Diabetes und 15.605 ohne Diabetes mit ein und wurde bestätigt. In der Analyse, die jetzt im renommierten Fachjournal The Lancet erschienen ist (https://doi.org/10.1016/ S0140-6736(22)02074-8) haben verschiedene Leiter klinischer Prüfungen, sogenannte Principal Investigators, speziell den Einfluss von Diabetes hinsichtlich der Wirkung der SGLT2-Hemmer auf die Nierenwerte und Herz-Kreislauf-Erkrankungen untersucht. Christoph Wanner, der sowohl im Writing Committee als auch im so genannten SMART-c-Konsortium der Metaanalyse aktiv war, resümiert: „Die Daten unterstützen den Einsatz von SGLT2-Inhibitoren zur Verringerung des Risikos für das Fortschreiten von Nierenerkrankungen und akuten Nierenschäden – unabhängig vom Diabetes-Risiko.“
Über die EMPA-KIDNEY-Studie
In der von Böhringer Ingelheim finanzierten EMPA-KIDNEY-Studie wurden insgesamt 6.609 Patienten mit einer chronischen Nierenerkrankung in den USA, Kanada, China, Japan, Malaysia, Großbritannien und Deutschland untersucht. Das Studienteam in Deutschland mit seiner Studienzentrale am Uniklinikum Würzburg hat mit insgesamt 1.255 Patientinnen und Patienten in 34 Zentren die meisten Personen in die Studie eingeschlossen. Das Würzburger Studienzentrum hat mit 174 Patientinnen und Patienten sogar die zweitmeisten aller 224 beteiligten Zentren weltweit rekrutiert.
Die Hälfte der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer erhielt eine Empagliflozin-Tablette, die andere Hälfte ein Scheinmedikament ohne Wirkstoff, ein so genanntes Placebo.