Gut gerüstet für die Zukunft

Aus dem Onlinemagazin der Julius-Maximilians-Universität Würzburg vom 18.12.2018

Vor 25 Jahren hat das Zentrum für Infektionsforschung ZINF an der Universität Würzburg die Arbeit aufgenommen. Zur Feier des Jubiläums waren jetzt Ehemalige und prominente Gastwissenschaftler nach Würzburg gereist.

Mit der Forschung an Pilzerkrankungen und Parasiten hat am Zentrum für Infektionsforschung ZINF alles begonnen. Weil diese beiden Bereiche in Deutschland als unterentwickelt galten, so der erste Sprecher des Zentrums Professor Volker ter Meulen, initiierten verschiedene Kliniken der Universität sowie in der Infektionsforschung aktive Institute und Lehrstühle die Gründung der Fakultäts- und Institutsgrenzen überschreitenden Einrichtung. Gleichzeitig mit dem ZINF ging 1993 auch das Institut für molekulare Infektionsbiologie IMIB an den Start, das zunächst von Professor Jörg Hacker und seit 2009 von Professor Jörg Vogel geleitet wird.

Zum 25-jährigen Jubiläum hatten die Verantwortlichen vom ZINF/IMIB am 14. November 2018 ein spezielles Anniversary Symposium mit einer Reihe hochkarätiger Gastredner aus dem Bereich der Infektionsforschung sowie Forschungsberichten der aktuellen Nachwuchsgruppenleiter organisiert. Zu den Gratulanten gehörten unter anderem Unipräsident Alfred Forchel, der Präsident der Nationalen Akademie der Naturforscher Leopoldina Jörg Hacker, Würzburgs Bürgermeisterin Marion Schäfer-Blake sowie Professor Tone Tønjum als Vertreterin des wissenschaftlichen Beirats vom ZINF.

Der prominenteste Gastredner dürfte Professor Staffan Normark gewesen sein. Normark gehört zu den ersten Forschern, die in Schweden ein Gen klonierten, und seine Forschungen konzentrieren sich auf die pathogenen Eigenschaften von Bakterien und die Entstehung von Antibiotikaresistenzen. Inzwischen forscht er als Seniorprofessor am Karolinska Institutet und ist frisch gekürter Träger der Robert-Koch-Medaille in Gold – einer Auszeichnung, mit der die Robert-Koch-Stiftung einmal im Jahr das herausragende Lebenswerk von Wissenschaftlern würdigt. In Würzburg hielt er eine Robert Koch Lecture über das Thema The Bacterial Envelope and the Host.

Die ganze Vielfalt der Krankheitserreger im Blick

„Wie verursachen Pathogene Krankheiten und wie können wir dieses Wissen nutzen, um neue antimikrobielle Strategien zu entwickeln?“: Die Suche nach einer Antwort auf diese Frage auf molekularer Ebene verbindet die am ZINF beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sagt Professorin Cynthia Sharma. Die Biologin hatte 2010 die Leitung einer Nachwuchsgruppe am ZINF übernommen und erforscht gemeinsam mit ihrer Gruppe die Mechanismen, mit denen Bakterien mittels RNA-Molekülen ihre Gene regulieren. Inzwischen leitet Sharma den Lehrstuhl für Molekulare Infektionsbiologie II an der Uni Würzburg; seit 2018 ist sie außerdem, als Nachfolgerin von Volker ter Meulen, Jörg Hacker, Matthias Frosch und Jörg Vogel, Sprecherin des ZINF.

„In der Anfangszeit standen am ZINF die Analyse der Genome von Pathogenen im Mittelpunkt der Forschung“, erklärt Sharma. Inzwischen werden Pathogene nicht mehr nur isoliert oder gemeinsam mit ihren Wirtszellen analysiert, sondern vor allem auch in ihrer Interaktion mit anderen Mikroorganismen, der Mikrobiota, untersucht. Eric Pamer, Professor am Memorial Sloan-Kettering Cancer Center in New York und Mitglied im ZINF-Beirat, sowie Professor Dirk Haller von der TU München lieferten in ihren Gastvorträgen beim Jubiläumssymposium spannende Einblicke in diese komplexen Interaktionen und den Einfluss vom Mikrobiom auf Krankheitsentstehungen.

Des Weiteren geht der Blick in Infektionsprozesse nun tiefer und liefert mehr Details, was vor allem zahlreichen technischen Neuheiten zu verdanken ist. „Die Hochdurchsatzsequenzierung hat einen großen Umbruch für die Forschung in den Lebenswissenschaften bedeutet“, sagt Sharma. Mit dieser Technik sei es heute möglich, sowohl Genome als auch Transkriptome, die Gesamtheit aller RNA-Moleküle in einer Zelle, in großem Maßstab und in kurzer Zeit zu erfassen, miteinander zu vergleichen und mögliche Virulenzfaktoren sowie Genexpressionsänderungen während des Infektionsprozesses zu identifizieren.

Einen aktuellen Umbruch in der Infektionsforschung stellt die Einzelzellanalyse dar. „ Mittels
Einzelzellsequenzierungen kann man im Detail nachvollziehen, wie Krankheitserreger in ihrer Unterschiedlichkeit verschiedene Prozesse im Körper in Gang setzen“, sagt Sharma. Welche Zelle dient einem Erreger als Wirt? Welche Nischen besetzt er im Körper? Wie reagiert das Immunsystem auf diesen Angriff? All diese Fragen lassen sich mit Hilfe der Einzelzellanalyse genau nachverfolgen. Weil sich gleichzeitig bildgebende Verfahren in den vergangenen 25 Jahren verbessert haben, könnten Forscherinnen und Forscher nun ein genaueres Bild von Infektionsprozessen gewinnen als dies in den Anfangsjahren des ZINF möglich war.

Neue Techniken ermöglichen neue Einblicke

Heute bildet die Forschung an RNA-Molekülen einen der Schwerpunkte am ZINF. Die Transkriptionsanalyse gibt Auskunft über die Aktivität sämtlicher RNA-Moleküle im Zellinneren; sie zeigt, dass nicht-kodierende RNA bei einer Infektion eine große Rolle spielen. Das Wissen über deren jeweilige Funktion im Infektionsprozess und über die damit verbundenen Signalwege könne dazu beitragen, neue Therapeutika zu entwickeln, sagt Sharma.

Neue Techniken liefern nicht nur neue Einblicke; gleichzeitig generieren sie auch gewaltige Datenmengen. Deren Auswertung und Interpretation wird vermutlich die Arbeit am Zentrum für Infektionsforschung in den kommenden Jahren immer stärker bestimmen. Dafür sind neue Analysetools nötig; Excel-Tabellen helfen dann nicht mehr weiter. „Man braucht neue Methoden der Datenanalyse und Visualisierung, wenn man das Geschehen in Millionen von Zellen beobachtet“, erklärt Cynthia Sharma.

Die Zukunft ist digital

Deep Learning und künstliche maschinelle Intelligenz werden deshalb ihrer Meinung nach die Zukunft der Infektionsforschung prägen. Einen Einblick in die Digital Epidemiology lieferte Dirk Brockmann, Professor an der Humboldt-Universität und dem Robert-Koch-Institut Berlin und Gastredner auf dem Festsymposium in Würzburg: Schon heute sind Algorithmen dazu in der Lage, anhand der weltweiten Flugpassagierdaten die Verbreitung eines Krankheitserregers über Kontinentgrenzen hinweg vorherzusagen. Mit der gleichen Technik könnten sich aber auch Signalkaskaden in einer Zelle darstellen lassen, die ein Krankheitserreger in Gang setzt.

Mit vier unabhängigen Nachwuchsgruppen hat das ZINF 1993 die Arbeit aufgenommen. Auf diese wurden über die Jahre insgesamt rund 30 verschiedene Leiter aus Deutschland und dem Ausland berufen. Junge, talentierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erhalten hier nach ihrer Postdoc-Zeit die Gelegenheit, ihr eigenes Labor aufzubauen und sich – in der Regel über fünf Jahre hinweg – in der Forschung mit ihrem eigenen Thema zu etablieren.

1994 hatte das Bundesforschungsministerium deren Finanzierung mit 13,5 Millionen Mark für einen Zeitraum von fünf Jahren übernommen. Danach hat sich die Finanzierung verändert: der Freistaat Bayern und die Uni Würzburg teilen sich die Kosten jeweils zur Hälfte, und zusätzliche Finanzierung für weitere Nachwuchsgruppen gab und gibt es über das Zentrum für klinische Forschung (IZKF) Würzburg, das Bayerische Elitenetzwerk und das Bayerische Forschungsnetzwerk für Molekulare Biosysteme BioSysNet. Seit 2010 ist das ZINF eine zentrale Einrichtung der Universität Würzburg.

Die Nachwuchsgruppen bilden den Kern des ZINF und haben sich in den letzten 25 Jahren zu einem international renommierten Programm entwickelt. Die aktuellen ZINF-Nachwuchsgruppenleiter gaben beim Festsymposium einen Einblick in ihre Forschung, die sich beispielsweise mit Organoiden als neue Infektionsmodelle, der Strukturanalyse von bakteriellen Sekretionssystemen, der Rolle der Mikrobiota in Pilzinfektionen, regulatorischen RNA RNA-Molekülen in anaeroben Pathogenen, sowie Hochdurchsatztechnologien zur Untersuchung der Wirkungsweise von Antibiotikakombinationen beschäftigen.

Fit für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts

Wie erfolgreich in den vergangenen 25 Jahren in den Nachwuchsgruppen des ZINF gearbeitet wurde, zeigt nicht nur eine beeindruckend lange Liste an Preisen, die die jeweiligen Gruppenleiter für ihre Forschungsergebnisse erhielten. Für ihre Qualität spricht auch die Tatsache, dass beinahe alle „Ehemaligen“ inzwischen einen Ruf auf eine Professur oder einen Lehrstuhl erhalten haben und nun ihre Forschung an Universitäten in München, Heidelberg, Konstanz, Kiel oder Madrid fortführen.

Als deutlicher Beweis für die hohe Qualität der Infektionsforschung in Würzburg darf auch die Tatsache gesehen werden, dass sich in jüngster Zeit zwei außeruniversitäre Forschungseinrichtungen mit verwandten Themen in direkter Nachbarschaft zum ZINF angesiedelt haben: das Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) und die Max-Planck-Forschergruppe (MPFG) für Systemimmunologie. Diese bieten exzellente Kooperationsmöglichkeiten für den Aufbau neuer Forschungsnetzwerke und den Ausbau der Infektionsforschung in Würzburg.

„Dieser Erfolg wäre ohne die Qualität und Sichtbarkeit der Forschungsprogramme am ZINF mit seinem starken interdisziplinären Ansatz aus Mikrobiologie, Parasitologie, Virologie, Chemie und Klinik nicht möglich gewesen“, schreibt Cynthia Sharmas Vorgänger als ZINF-Sprecher, Jörg Vogel, im aktuellen Forschungsbericht des Zentrums. Er ist sich deshalb sicher: „Das ZINF ist weiterhin erfolgreich und neue Initiativen wurden gestartet, um den Herausforderungen auf dem Gebiet der Infektionskrankheiten im 21. Jahrhundert zu begegnen.“

Kontakt

Prof. Dr. Cynthia Sharma, Lehrstuhl für Molekulare Infektionsbiologie II, T: +49 931 31-82560, cynthia.sharma@ uni-wuerzburg.de

Gäste, ehemalige und heutige ZINF-Mitarbeiter (v.l.): Daniel Lopez, Cynthia Sharma, Tone Tonjum, Marion Schäfer-Blake, Jörg Vogel, Alfred Forchel und Jörg Hacker.

Gäste, ehemalige und heutige ZINF-Mitarbeiter (v.l.): Daniel Lopez, Cynthia Sharma, Tone Tonjum, Marion Schäfer-Blake, Jörg Vogel, Alfred Forchel und Jörg Hacker. Bild: Gunnar Bartsch / Universität Würzburg