Glaukom: Volkskrankheit im Fadenkreuz der Forscher

Die schwerwiegende Augenkrankheit Glaukom   auch bekannt als „Grüner Star“ betrifft Millionen Menschen auf allen Kontinenten der Erde. Anfang September dieses Jahres diskutierte die Weltelite der Glaukom-Forscher bei einer Konferenz in Würzburg über die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu dieser Volkskrankheit.

Weltweit ist das Glaukom nach dem Grauen Star die zweithäufigste Erblindungsursache. „Im Jahr 2020 wird es auf der Erde schätzungsweise über elf Millionen Glaukom-Blinde und knapp 80 Millionen an Glaukom Erkrankte geben“, berichtet Prof. Franz Grehn, Direktor der Universitäts-Augenklinik Würzburg und international anerkannter Glaukom-Experte. Dabei ist die Krankheit keineswegs auf Entwicklungs- und Schwellenländer beschränkt. In Deutschland gibt es laut Prof. Grehn momentan 40.000 Glaukom-Blinde, zu denen jährlich etwa 1.500 Personen hinzukommen. An Glaukom erkrankt sind vermutlich aktuell 670.000 Deutsche. Vermutlich, denn die Dunkelziffer ist erschütternd hoch: In den Industrienationen ahnt die Hälfte aller Betroffenen nicht, dass sie Grünem Star hat. Und in den Entwicklungsländern wissen sogar bis zu 90 Prozent nicht um ihre Krankheit und die damit schleichend auf sie zukommenden Probleme.

Schädigung am Sehnerv unumkehrbar
„Das Fatale am Verlauf des Glaukoms ist, dass die Sehschärfe lange Zeit erhalten bleibt, während sich das Gesichtsfeld durch den absterbenden Sehnerv nach und nach verkleinert“, schildert Prof. Grehn. Und was weg ist, ist weg: Die Augenärzte können heute zwar den Schädigungsprozess meist aufhalten und die Erblindung verhindern, aber den bereits eingetretenen Schaden rückgängig machen können sie nicht. „Auch wenn wir mit diversen Therapiemethoden schon heute erfolgreich gegen Glaukom ankämpfen können, sind noch viele Fragen zu den beim Grünen Star ablaufenden Prozessen ungeklärt. Zum Teil reichen sie bis tief hinein in die Grundlagenforschung“, sagt Prof. Grehn.

Glaucoma Research Society in Würzburg
Um diese Wissenslücken sukzessive zu schließen, trifft sich alle zwei Jahre bei den Konferenzen der Glaucoma Research Society die Crème de la Crème der internationalen Glaukom-Forscher zum Gedanken- und Informationsaustausch. Die diesjährige Veranstaltung fand vom 5. bis zum 8. September in Würzburg statt. „Um das Diskussionsniveau möglichst hoch zu halten, hat die Glaucoma Research Society eine vergleichsweise kleine und durch Wahl in ihrer Expertise ‚kontrollierte‘ Mitgliederzahl“, beschreibt Prof. Grehn. Der Würzburger Klinikdirektor fungierte beim Treffen in der mainfränkischen Universitätsstadt als Gastgeber und Organisator. An den vier Veranstaltungstagen in der Würzburger Residenz nahmen 96 internationale Experten teil. Hierbei trafen zum Beispiel Molekularbiologen, die sich mit den zellulären Vorgängen des Sehnervs beschäftigen, auf klinische Forscher, die selbst in Diagnostik und operativer Therapie spezielle Erfahrung haben.

Hoffnungsträger Neuroprotektion und Neuroregeneration
Zu den diskutierten Themen zählte zum Beispiel die Neuroprotektion. Sie ist der Versuch, die Zellen des Sehnervs durch pharmakologische oder molekularbiologische Methoden vor dem Absterben zu bewahren. „Wenn die Nervenzellen und -fasern durch geeignete Medikamente stabilisiert werden, können sie dem erhöhten Augeninnendruck besser standhalten“, beschreibt Prof. Grehn und fährt fort: „Es gibt vielversprechende Ansätze für Medikamente, die diese Schutzwirkung zustande bringen, beim Patienten aber noch nicht zu durchschlagendem Erfolg geführt haben.“

Ein anderer Hoffnungsträger für Glaukom-Patienten – allerdings noch weiter von der klinischen Praxis entfernt, als die Neuroprotektion ist die Neuroregeneration, sprich die Wiederherstellung des Sehnervs. „Im Gegensatz zu viele anderen Zellgeweben des menschlichen Körpers können sich die Zellen des Sehnervs nicht selbständig regenerieren, wenn sie verletzt wurden“, berichtet Prof. Grehn. „Die Gründe hierfür zu ermitteln und möglicherweise zu umgehen, zählt zu den großen Herausforderungen der Glaukom-Forschung.“ Bislang sei es lediglich bei Mäusen gelungen, defekte Sehnerven zu regenerieren.

Weitere Themenkreise der Tagung waren die verbesserte Gestaltung und Auswertung von wissenschaftlichen Studien sowie die aktuellen Möglichkeiten zur bildlichen Darstellung der Papille, der Austrittstelle des Sehnervs aus dem Augapfel.

Prof. Franz Grehn neuer Präsident der Forschungsgesellschaft
Die internationalen Glaukom-Spezialisten nutzten den diesjährigen Kongress nicht nur als Ideenschmiede für ihre weitere Arbeit, sie wählten außerdem Prof. Franz Grehn zu ihrem neuen Präsidenten. Der Klinikdirektor, der den schon seit langem bestehenden Status der Würzburger Universitäts-Augenklinik als international bedeutendes Glaukom-Zentrum in den letzten beiden Jahrzehnten weiter gefestigt hat, wird der Gesellschaft in den kommenden vier Jahren vorstehen.

Kombi-Kontrolle verhindert Erblindung
Mit einer regelmäßigen augenärztlichen Untersuchung kann man den Schäden durch Grünen Star rechtzeitig und effektive vorbeugen. Die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft empfiehlt, ab dem 40. Lebensjahr alle drei Jahre zur Kontrolle zu gehen, ab dem 65. Lebensjahr alle ein bis zwei Jahre. Wichtig ist dabei die kombinierte fachärztliche Beurteilung des Sehnervs und des Augeninnendrucks. „Die Messung des Augeninnendrucks an der Hornhaut ist als Vorsorgeuntersuchung allein nicht ausreichend“, betont der Glaukom-Experte Prof. Franz Grehn von der Universitäts-Augenklinik Würzburg. Denn obwohl ein erhöhter Augeninnendruck der wichtigsten Risikofaktor für das Glaukom ist, sind erhöhter Augendruck und Glaukom nicht immer streng verknüpft: Ein erheblicher Teil der Glaukom-Erkrankungen entsteht bei statistisch normalem Augeninnendruck. Umgekehrt gibt es Menschen mit erhöhtem Augeninnendruck, die kein Glaukom entwickeln.