Genesung auf der Überholspur

Ein neues Projekt am Universitätsklinikum Würzburg soll Patientinnen und Patienten ermöglichen, nach Darmoperationen wieder rascher am normalen Leben teilzunehmen.

 

Fast-Track, auf Deutsch „Überholspur“, bezieht sich nicht auf eine Turbo-Behandlung, sondern auf die bestmögliche Genesung – und das in Teamarbeit. Das gleichnamige Modell wird seit Februar dieses Jahres am UKW in einem Pilotprojekt angewendet. „Beim Fast-Track-Konzept geht es gar nicht um schnelleres Operieren oder ein ‚Durchschleusen‘ von Patientinnen und Patienten, wie es der Titel vermuten lässt“, erläutert Dr. Sven Flemming, Oberarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie am Klinikum. „Sondern wir wollen erreichen, dass Menschen nach einem chirurgischen Eingriff schneller wieder ihre Selbstständigkeit erreichen und in ihr bisheriges Leben zurückkehren können.“ Das nützt nicht nur den Behandelten: Pflegepersonal und Ärzte werden entlastet und stehen länger für Patientinnen und Patienten zur Verfügung, die einen höheren Behandlungsaufwand haben.

Mobilisieren statt schonen

Zur Einführung von Fast-Track haben sich Ärzte und Pflegepersonal viele Gedanken darüber gemacht, wie man die Rekonvaleszenz, also die Genesung nach einem Eingriff, etwa bei Darmtumoren oder entzündlichen Darmerkrankungen, bestmöglich fördern könnte. „Früher ging man davon aus, dass Bettruhe und maximale Schonung den Heilungsverlauf fördern“, erläutert der Chirurg. „Daher ließ man Patienten oft tagelang im Bett ruhen und verabreichte Schonkost.“ Heute weiß man, dass eine frühzeitige Mobilisierung - optimalerweise noch am Tag des Eingriffs – für eine rasche Genesung viel nützlicher ist. Auch wird das Essen schneller wieder auf normale Kost umgestellt, um den Ernährungszustand beizubehalten. „Die Mobilitäts- und Ernährungskonzepte werden individuell an die Möglichkeiten der Patienten angepasst“, unterstreicht Dr. Flemming, „sodass niemand überfordert wird.“

Besser Vorbereiten als Nachsorgen

Aber nicht nur diese Schritte nach einer Operation sind nutzbringend. „Genauso wichtig ist die Vorbereitungsphase auf einen chirurgischen Eingriff“, unterstreicht Sandra Böhm. Gemeinsam mit Sven Flemming und ihren Kolleginnen Gwendolin Streahle und Vera Bach, bildet sie das Team der Fast-Track-Assistenz in der Viszeralchirurgie am Universitätsklinikum. Sie haben es sich zum Ziel gesetzt, Patientinnen und Patienten optimal auf Eingriffe im Bauch- und Darmbereich vorzubereiten, um die körperlichen und psychischen Auswirkungen so gering wie möglich zu halten, die Genesung zu beschleunigen und die Lebensqualität zu verbessern. „Entscheidend ist ein guter körperlicher Allgemeinzustand, eine bestmögliche Ernährungslage und Lungenfunktion, um Komplikationen nach einer OP – wie Lungenentzündungen – vorzubeugen“, so das Fast-Track-Team. „Wir vermitteln den Patientinnen und Patienten Methoden und Techniken, mit denen sie sich von daheim aus vorbereiten können.“ Dazu zählen Geräte zum Atemtraining, Ernährungspläne oder das Training von Bewegungsabläufen, beispielsweise das eigenständige bauchmuskelschonende Aufstehen aus dem Bett.

Abführen entfällt oft 

„Eine zentrale Rolle in der Vorbereitung spielen energiehaltige Lebensmittel in der Form von Getränken“, unterstreicht Sandra Böhm. Mit diesen „Energie-Drinks“ erreicht man einen guten körperlichen Ernährungszustand. Überhaupt hat sich die Ernährungssituation rund um Darm-Operationen gewandelt. „Vor einem Eingriff brauchen Patienten nicht mehr so lange nüchtern sein wie früher.
Man kann bis zu zwei Stunden vorher noch energiehaltige Getränke zu sich nehmen. Auch das unbequeme Abführen entfällt für viele Eingriffe.“

Körper und Seele wieder ins Gleichgewicht bringen

Eine Operation hat Einfluss auf das körperliche und mentale Gleichgewicht eines Menschen, gerade, wenn es sich um den sensiblen Bereich im Bauch handelt. „Wer sich nach einem Eingriff körperlich schneller fit und gesund fühlt, verringert auch seelische Belastungen, die mit einer Behandlung einhergehen können“, unterstreicht Dr. Flemming. „Das ist für die Rekonvaleszenz enorm hilfreich.“ Um den Aufgaben im Rahmen des Fast-Track-Konzepts gerecht zu werden, arbeitet das Team mit vielen Experten zusammen. „Dazu zählen Physiotherapie, Sozialberatung, Schmerztherapeuten, Ernährungsberater und Diätküche“, erklärt Sandra Böhm. „Nährstoffaufnahmen werden mit der Anästhesie abgesprochen. Die Patientinnen und Patienten erhalten bei Bedarf auch psychologische Unterstützung.“

Zur Eigenständigkeit motivieren

 Die Reaktionen der Patientinnen und Patienten fallen durchweg positiv aus: „Manche haben zunächst Sorge, sich zu früh zu belasten und trauen sich daher zu wenig zu“, wissen die Fast-Track-Assistentinnen. „Aber sie merken schnell, dass vieles doch machbar ist.“ Kleine Zielsetzungen, Tagespläne sowie ein Tagebuch für Erfolge helfen, sich zur Bewegung zu motivieren – natürlich rein freiwillig. „Schließlich ist es nicht unser Ziel, die Patientinnen und Patienten schnellstmöglich vor die Türe zu setzen“, schmunzelt Sandra Böhm – bevor sie wieder ernst wird. „Wir tragen die Verantwortung, uns anvertraute Menschen in bestmöglicher körperlicher und seelischer Verfassung wieder in ihr eigenständiges Leben zu entlassen.“ Und das funktioniert am besten im Team.


Auszug aus UNI.KLINIK 03_2022