Aktuelle Pressemitteilungen

Springen und stampfen für starke Knochen

Am Uniklinikum Würzburg wird in einer Machbarkeitsstudie geprüft, ob ein gezieltes Impact-Training bei Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom, deren Skelett aufgrund der Knochenmarkkrebserkrankung immer poröser wird, die Knochenstruktur wiederaufbauen kann.

Zwei Patientinnen, zwei Medizin-Studierende und Franziska Jundt springen in die Höhe.
Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom nehmen derzeit im Rahmen einer Machbarkeitsstudie am Impact-Training teil. Es wird geprüft, ob sich das Stampf- und Sprungtraining positiv auf die Knochendichte auswirkt. © UKW / Daniel Peter
Die Patientinnen und Medizinstudierende kurz vor dem Absprung.
Die Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom stampfen und springen in kleinen Gruppen zweimal pro Woche 30 Minuten lang unter medizinischer Anleitung im Uniklinikum Würzburg und einmal zuhause. Das Impact-Training soll dabei helfen, die durch die Krebserkrankung angegriffene Knochenstruktur wiederaufzubauen. © UKW / Daniel Peter
Franziska Jundt in der Physiologie des Uniklinikums Würzburg
Professorin Franziska Jundt ist Oberärztin in der Medizinischen Klinik und Poliklinik II mit dem Schwerpunkt Hämatologie und leitet die Studie „Machbarkeit vom Impact-Training bei Patienten mit Multiplem Myelom (MIMM)“. © UKW / Daniel Peter

In letzter Zeit wird es mächtig laut auf Ebene -3 in der Physiotherapie am Uniklinikum Würzburg. Es wird gestampft, gehüpft und gesprungen bis die Wände wackeln. Das so genannte Impact-Training, das die neue Studiengruppe von Franziska Jundt durchführt, hat es in sich. Zweimal pro Woche trainieren zwölf Männer und Frauen 30 Minuten lang unter medizinischer Anleitung und einmal zuhause. In der Kontrollgruppe der Studie „Machbarkeit vom Impact-Training bei Patienten mit Multiplem Myelom (MIMM)“ geht es wesentlich entspannter zu. Hier erhalten acht Personen ein Entspannungstraining. Sie alle haben eine Gemeinsamkeit: das Multiple Myelom.

„Das Multiple Myelom ist eine bösartige Erkrankung der Plasmazellen im Knochenmark“, erklärt Franziska Jundt, Professorin für Hämatologie und Internistische Onkologie und Leiterin des Zentrums für das Myelom im Zentrum für Seltene Erkrankungen Nordbayern (ZESE). Franziska Jundt hat vor mehr als 20 Jahren einen Signalweg entdeckt, der auch beim Multiplen Myelom aktiv ist. Seither beschäftigt sie sich mit der Frage: Wie blockiere ich den Signalweg ohne schwerwiegende Nebenwirkungen? Denn leiden müssen die Betroffenen schon genug. „Die Tumorzellen infiltrieren das Skelett und zersetzen die Knochen. Selbst wenn die Tumorzellen abgeräumt wurden, haben die Betroffenen weiter Löcher im Knochen. Diese führen zu zahlreichen schmerzhaften Frakturen. 80 Prozent der Myelom-Patientinnen und Patienten leiden unter Knochenschmerzen und -frakturen“, verdeutlicht Franziska Jundt.

Ganzkörpervibrationstraining für starke Knochen

Schon lange treibt die Wissenschaftlerin und Mutter von drei Kindern die Frage um: Wie können wir den Knochen wiederaufbauen und Frakturen vermeiden? Bei einem einfachen Bruch wird heutzutage möglichst früh mobilisiert, um dadurch gezielt den heilenden Knochen zu stimulieren. Sobald der Knochen über Muskeln beansprucht wird, kann sich die Knochenstruktur verbessern. „Zur mechanischen Stimulation sind wir schließlich über die Arme von Tennisspielern gekommen, die eine unterschiedliche Knochendichte aufweisen. Beim Spielerarm ist die Knochendichte wesentlich höher im Vergleich zum nicht spielenden Arm“, berichtet die Medizinerin und verweist auf die Osteoporose, die heute bereits erfolgreich mit einem Ganzkörper-Vibrationstraining behandelt wird. Bei der Therapie stehen die Patientinnen und Patientinnen auf einer Art Rüttelplatte. Durch das sanfte Vibrieren werden Muskulatur und Knochen gestärkt. Könnte diese Therapie auch bei Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom funktionieren?

Das Team um Franziska Jundt hat zunächst drei Wochen lang Mäuse mit Multiplen Myelom einer Art Kompressionsstimulation unterzogen. „Und zu unserer Überraschung war es möglich, dass sich die Knochen sogar dort aufgebaut haben, wo die Tumorzellen saßen“, sagt Jundt. Daraufhin wurden in einer Pilotuntersuchung die Sicherheit sowie die spezifischen Auswirkungen eines Ganzkörper-Vibrationstrainings auf den Knochenstoffwechsel von Patientinnen und Patienten mit monoklonaler Gammopathie, einer Vorstufe des Multiplen Myeloms, untersucht (2020 Seefried et al Journal of Bone Oncology). Neun Frauen und sechs Männer trainierten zweimal pro Woche eine halbe Stunde über zwölf Wochen, zehn von ihnen verlängerten um weitere zwölf Wochen. Mit Erfolg. Schon nach drei Monaten war ein Knochenaufbau zu verzeichnen, der jedoch nach Abbruch des Trainings wieder auf das Ausgangsniveau sank. Bei Frauen war der Erfolg noch ausgeprägter als bei den Männern. Jundt vermutet, dass dies an der Postmenopause liegt, in der sich der Knochen zunächst abbaut, sodass sich dieser durch eine Stimulation auch wieder stärker aufbaut. In einer größer angelegten Studie in Kooperation mit den Uniklinika Hamburg, Essen und Köln sollen zukünftig Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom auf Rüttelplatten trainiert werden.

Stampf- und Sprungtraining

Auf Hochtouren läuft am Uniklinikum Würzburg jetzt bereits das Impact-Training, ein Stampf- und Sprungtraining. Studien haben gezeigt, dass sich diese Art von Krafttraining positiv auf die Knochendichte auswirkt, zum Beispiel bei Osteoropose und Prostatakrebs. „Wir vermuten, dass sich die durch das Springen und Stampfen verbundene Stimulation des muskuloskelettalen Systems die Knochendichte erhöht, die Mobilität von unseren Myelom-Patientinnen und Patienten verbessert und schließlich auch Frakturen vorgebeugt wird. Daher prüfen wir in unserer Machbarkeitsstudie, ob wir dieses Training, das wir in Zusammenarbeit mit Freerk Baumann, Professor für onkologische Bewegungswissenschaften an der Uniklinik Köln, einsetzen, auch unseren Patientinnen und Patienten zumuten können“, erklärt Franziska Jundt.

Das Projekt zeigt einmal mehr die interdisziplinäre Expertise und Zusammenarbeit, die sowohl die Erforschung als auch die Behandlung des Multiplen Myeloms erfordert und in Würzburg hervorragend funktioniert, so Jundt. Allein am Training sind neben der Hämatologie und Onkologie die Radiologie beteiligt, die Orthopädische Klinik König-Ludwig-Haus, wo geprüft wird, ob das Skelett der Teilnehmenden überhaupt stark genug für das Sprung- und Stampftraining ist, und das Institut für Sportwissenschaften an der Universität Würzburg. Nicht zu vergessen die Medizinstudierenden Marei Schallock und Ruben Ringeisen, die in der Inneren Medizin im Teilgebiet Hämatologie promovieren und jedes Training aktiv begleiten. Dabei stoßen sie oftmals ebenso an ihre Grenzen wie die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer. „Aber keine Sorge, wir holen jede Patientin und jeden Patienten dort ab, wo sie oder er gerade steht und steigern langsam die Intensität“, schildert Ruben Ringeisen. 

#WomenInScience

Wie Franziska Jundt Beruf und Familie verbindet, erläutert die Professorin in der UKW-Serie #WomenInScience.

 

Zwei Patientinnen, zwei Medizin-Studierende und Franziska Jundt springen in die Höhe.
Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom nehmen derzeit im Rahmen einer Machbarkeitsstudie am Impact-Training teil. Es wird geprüft, ob sich das Stampf- und Sprungtraining positiv auf die Knochendichte auswirkt. © UKW / Daniel Peter
Die Patientinnen und Medizinstudierende kurz vor dem Absprung.
Die Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom stampfen und springen in kleinen Gruppen zweimal pro Woche 30 Minuten lang unter medizinischer Anleitung im Uniklinikum Würzburg und einmal zuhause. Das Impact-Training soll dabei helfen, die durch die Krebserkrankung angegriffene Knochenstruktur wiederaufzubauen. © UKW / Daniel Peter
Franziska Jundt in der Physiologie des Uniklinikums Würzburg
Professorin Franziska Jundt ist Oberärztin in der Medizinischen Klinik und Poliklinik II mit dem Schwerpunkt Hämatologie und leitet die Studie „Machbarkeit vom Impact-Training bei Patienten mit Multiplem Myelom (MIMM)“. © UKW / Daniel Peter

Ein Wissensexporteur in der Immunologie

Neue Wege im Kampf gegen Infektionen mit Bakterien, Pilzen und Viren: Danach sucht Mohammed Elmowafy. Der Ägypter ist für 18 Monate als Humboldt-Stipendiat zu Gast an der Uni Würzburg.

Es ist eine gefürchtete Komplikation nach einer Organ- oder Stammzelltransplantation: eine gemeinsame Infektion mit Viren und Pilzen, beispielsweise mit dem Zytomegalie-Virus und dem Pilz Aspergillus fumigatus. Denn diese sogenannte Ko-Infektion mit den beiden Erregern ist mehr als eineeinfache Infektion.

Viren und Pilze wirken in solchen Fällen im menschlichen Organismus zusammen und aktivieren dort einige Gene, die nur bei der gleichzeitigen Infektion mit den beiden Erregern aktiv werden – mit bisweilen fatalen Folgen für die betroffenen Patienten. Das lässt sich auch beobachten, wenn beispielsweise Viren, die Hepatitis B oder C auslösen, auf Pilze wie Candida albicans oder auf Bakterien wie Staphyloccocusaureustreffen.

18 Monate für die Forschung

Welche molekularbiologischen Prozesse in solchen Fällen ablaufen und wie sich diese möglicherweise verhindern lassen: Daran forscht Dr. Mohammed Elmowafy aktuell an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Elmowafy ist Associate Professor Professor für Mikrobiologie und Immunologie an der Universität von Mansoura im Norden Ägyptens. Ausgestattet mit einem Georg Forster-Forschungsstipendium für erfahrene Forschende der Alexander-von-Humboldt-Stiftung kann er seine Forschung bis Februar 2024 in der Arbeitsgruppe von Dr. Niklas Beyersdorf am Institut für Virologie und Immunbiologie vorantreiben.

„Wenn Pilze und Bakterien bei einer Ko-Infektion interagieren, beeinflussen sie in der Regel auch die Immunantwort des befallenen Organismus“, erklärt Elmowafy. Für die betroffenen Patienten könne dies lebensgefährliche Folgen haben. Im Kampf gegen diese Folgen setzt die Wissenschaft auf sogenannte monoklonale Antikörper. Solche Proteine können beispielsweise sehr spezifisch an bestimmte Moleküle auf der Zelloberfläche von Viren, Bakterien oder Pilzen andocken und diese so blockieren.

„Ein besseres Verständnis davon, wie Pilze und Bakterien bei Ko-Infektionen interagieren und die Immunantwort beeinflussen“: Dieses Ziel hat sich Elmowafy für seinen Forschungsaufenthalt an der JMU gesetzt. Denn nur damit sei es möglich, Gegenmaßnahmen zu entwickeln und somit das Risiko von Ko-Infektionen zu verringern. Sein Blick richtet sich aber auch auf Infektionen mit nur einem Erreger: „Für Pilze beispielsweise gibt es derzeit zu wenige gut wirksame Antimykotika“, sagt er. Dies müsse dringend geändert werden.

Zahlreiche Aufenthalte in Deutschland

Wer Mohammed Elmowafy zum ersten Mal begegnet, wird überrascht sein, wie gut er Deutsch spricht. Das allerdings ist kein Wunder: „Ich habe von 2010 bis 2013 an der TU Braunschweig und am dortigen Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung im Rahmen meiner Doktorarbeit geforscht“, sagt er. Schon damals interessierte er sich für den Pilz Candida albicans. Nach seiner Rückkehr nach Ägypten wurde er 2014 Dozent für Mikrobiologie und Immunologie an der Fakultät für Pharmazie der Universität Mansoura. Zwei Jahre später ging es erneut nach Deutschland: Als Postdoc verbrachte er sechs Monate am Institut für Virologie der Freien Universität Berlin.

Und obwohl er seit 2018 als Associate Professor in Mansoura lehrt und forscht, hat es ihn jetzt ein drittes Mal nach Deutschland gezogen – um sich hier noch einmal ganz auf die Forschung konzentrieren zu können. Für die Arbeitsgruppe von Niklas Beyersdorf habe er sich entschieden, weil der auf einem ähnlichen Gebiet arbeitet. Auch Beyersdorf gehe es darum, möglichst bis ins letzte Detail zu verstehen, wie die Immunantwort bei einer Infektion abläuft.

Erfahrungen in die Heimat tragen

Trotz so vieler Forschungsaufenthalte in Deutschland: Nach Ägypten, an die Universität in Mansoura, will Mohammed Elmowafy unbedingt wieder zurück. Ihm ist es wichtig, dass er die Erfahrungen, die er hier gemacht hat, an seine Masterstudenten und Doktoranden weitergeben kann. Schließlich sei das ja ein wesentliches Ziel des Stipendiums der Humboldt-Stiftung: den Wissenstransfer zu stärken und Kooperationen zu ermöglichen. Dass die technische Ausstattung seines Labors in Mansoura mit dem Niveau in Deutschland nicht ganz mithalten kann, sei dabei kein großes Problem, sagt Elmowafy. Außerdem hofft er, sie mit finanzieller Unterstützung der Stiftung in Zukunft verbessern zu können.

Das Leben in Deutschland gefällt ihm sehr gut, sagt der Gastwissenschaftler: „Die Menschen hier sind sehr nett und hilfsbereit.“ Was ihn als Ägypter besonders fasziniert: „Es gibt hier für alles feste Regeln, die auch schriftlich niedergelegt sind.“ Somit herrsche Klarheit und jeder wisse, woran er sich zu halten habe.

Erholung im Juliusspital-Garten

Auch Würzburg hat es ihm angetan: Die Stadt sei „wunderschön und reich an Sehenswürdigkeiten“. Nach der Arbeit im Labor ist Mohammed Elmowafy oft zu Fuß unterwegs und besucht die Alte Mainbrücke, die Festung oder den Garten des Juliusspitals. Letzterer hat schon nach wenigen Wochen eine besondere Funktion für ihn: „Wenn ich dort bin, ist der ganze Stress der Arbeit weg!“

Nur einen Wermutstropfen gibt es für ihn: Bislang sei es ihm noch nicht gelungen, eine Wohnung in ausreichender Größe in Würzburg zu finden. Ohne die könne er leider nicht seine Frau und seine beiden Kinder zu sich holen. Aber er habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sich dieses Problem in absehbarer Zeit lösen lässt.

Kontakt

Dr. Mohammed Elmowafy, Institut für Virologie und Immunbiologie, mohammed.elmowafy@ uni-wuerzburg.de  

 

einBlick - Das Online-Magazin der Universität Würzburg vom 20.09.2022

Wie KiTas durch die nächste Corona-Welle kommen könnten

In der Studie Wü-KiTa-CoV 2.0 der Universitätsmedizin Würzburg wurden Teststrategien für SARS-CoV-2-Infektionen bei Kindern und ihrem Betreuungspersonal in neun Würzburger KiTas untersucht. Ergebnis: Gute Akzeptanz der zuhause durchgeführten Tests; geringe Bedeutung von KiTas für Ausbreitung der Pandemie. Fazit: Kontinuierliche Testung von asymptomatischen Kita-Kindern ist nur in sehr hohen Inzidenzphasen beziehungsweise bei Auftreten eines neuen pathogeneren Virus sinnvoll.

 

Das Bild zeigt, wie eine Mutter bei ihrer Tochter einen Nasenabstrich vornimmt.
Testung mittels Antigen-Schnelltest: Die Eltern haben zweimal pro Woche bei ihren Kindern einen Abstrich aus dem Nasenvorhof entnommen und zuhause getestet. © privat
Das Bild zeigt ein Mädchen, das in einer Hand ihren Teddy hält und in der anderen einen Probebehälter aus dem es gerade trinkt.
Testung mittels PCR: Direkt nach dem Aufstehen und vor dem Frühstück und Zähneputzen wurde zweimal pro Woche der Mund für zehn Sekunden gespült und die Speichelprobe anschließend in einen Behälter gespuckt, der mit in die Kita gebracht wurde. © privat
Das Bild zeigt ein Mädchen, dass einen Probebehälter und einen Esslöffel in der Hand hält.
Die PCR-Mundspülprobe, auch Spucktest genannt, kam bei den Kindern am besten an. Das Mundspülwasser wurde im Probenbehälter in die KiTa mitgebracht und später im Labor getestet. © SciGraphix Würzburg / Sandy Westermann
Das Logo der Wü-Kita-CoV-Studie

Würzburg. Die Auswertungen haben selbst das Studienteam von Universitätsklinikum und Universität Würzburg überrascht. Von den knapp 6800 Spucktests und mehr als 3900 Nasenabstrichen, die von Mai bis Juli 2021 von 452 Kindergartenkindern im Alter von 2 bis 6 Jahren und 139 Erzieherinnen und Erziehern zuhause durchgeführt wurden, war ein einziger Corona-Test positiv. „Diese niedrige Nachweisrate von SARS-CoV-2-Infektionen belegt eindrücklich die geringe Bedeutung von Kindertagesstätten und KiTa-Kindern für die Ausbreitung der Pandemie zum damaligen Zeitpunkt, also vor dem Auftauchen der höher ansteckenden Omikron-Variante“, kommentiert Prof. Dr. Johannes Liese. Der Oberarzt an der Kinderklinik und Poliklinik und Leiter des Bereichs Pädiatrische Infektiologie und Immunologie hat gemeinsam mit Prof. Dr. Oliver Kurzai vom Institut für Hygiene und Mikrobiologie die WüKiTaCoV 2.0 Studie an neun Würzburger KiTas geleitet.

Ihr Fazit: In Phasen mit niedriger Inzidenz sind kontinuierliche SARS-CoV-2 Teststrategien bei KiTa-Kindern zur Offenhaltung der KiTas zu aufwändig und daher nicht sinnvoll, auch unter dem Gesichtspunkt einer verminderten Pathogenität des Pandemie-Virus wie es bei der derzeit vorherrschenden Variante Omikron der Fall ist, die mit einer geringen Krankheitslast einhergeht. Derzeit habe sich das Virus so geändert, dass wir nicht mehr mit der Forderung nach Reihentestungen bei asymptomatischen Kindern in den Herbst hineingehen müssen. „Wenn wir jedoch hohe Inzidenzen haben oder wieder eine pathogenere Variante, also ein Virus, das schwerere Krankheitsverläufe verursacht, dann haben wir nun ein Instrument zur Verfügung, mit dem wir kontinuierlich in Kitas testen und somit rechtzeitig Fälle entdecken können, um das Feuer im Keim zu ersticken, bevor es einen großen Ausbruch gibt“, erklärt Oliver Kurzai. Zum einen haben sich die zuhause durchgeführten Teststrategien bewährt, wobei die Mundspülproben die größte Akzeptanz erfahren haben. Zum anderen lässt sich das Auftreten von Infektionen in KiTas mithilfe eines im Rahmen der Studie entwickelten Modells gut abschätzen.

Mathematisches Modell hilft bei der Einschätzung von Infektionen in KiTas

Mittels mathematischer Modellierung, die am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie, Hans-Knöll-Institut, in Jena erfolgte, konnte das Studienteam zeigen, ab welcher altersbezogenen Inzidenz in KiTas ein vermehrtes Auftreten von SARS-CoV-2-Infektionen zu erwarten ist und eine kontinuierliche Testung erwägt werden sollte. Konkret: Ab welcher Inzidenz können wir ein Kind aufspüren das keine Symptome aber Corona hat? Dr. Johannes Forster vom Institut für Hygiene und Mikrobiologie erklärt das Rechenmodell: „Bei einer 7-Tagesinzidenz von 143 liegt in einer KiTa mit 50 Kindern die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind mit Corona Infektion mittels Testung gefunden wird, bei 5 Prozent. Bei einer KiTa mit 100 Kindern liegt die Wahrscheinlichkeit schon bereits bei fast 10 Prozent.“ Johannes Forster ist gemeinsam mit Dr. Géraldine Engels von der Universitäts-Kinderklinik Würzburg Erstautor der Studie Wü-KiTa-CoV, die jetzt im Journal JAMA Network Open veröffentlicht wurde. Beide waren bereits an der ersten Kindergartenstudie Wü-KiTa-CoV 1.0 beteiligt, in der die kontinuierliche Durchführung und Akzeptanz von verschiedenen Methoden zur Probeentnahme bei Kindern und ihren Betreuerinnen und Betreuerin untersucht wurde.

„Im Gegensatz zur ersten Studie, bei der die Tests im Kindergarten durchgeführt wurden, haben wir in der 2.0-Studie die Testung zuhause untersucht. Und es hat wirklich gut funktioniert. Die Eltern konnten die Testung ganz unkompliziert in die Morgenroutine integrieren. Das zeigt uns: Die Tests zuhause sind sicher und machbar!“, freut sich Géraldine Engels und bedankt sich herzlich bei allen Beteiligten – Groß und Klein - für ihr reges Mitwirken.

Spül- und Spucktest, Nasenabstrich oder beides

Viele – 54 Prozent der Kinder und 73 Prozent der Erzieherinnen und Erzieher –wollten einen Beitrag leisten, haben an der Studie teilgenommen und drei Monate lang zweimal pro Woche zuhause getestet. Jeder hatte die Wahl zwischen einer Mundspülprobe, auch Spucktest genannt, oder einen Antigen-Schnelltests über Nasenabstrich oder beide Verfahren in paralleler Durchführung. Bei den Kindern haben sich 48 Prozent für die Kombination aus PCR-Spül- und Spuck-Test und Antigenschnelltest entschieden, 38 Prozent für den Spuck-Test und 14 Prozent für den Antigenschnelltest. In der Betreuungsgruppe haben 69 Prozent beide Tests daheim gemacht, 21 Prozent nur den Spül-Spuck-Test und 10 Prozent nur den Antigenschnelltest. Die langfristige Beteiligung war am höchsten in der Gruppe mit den alleinigen Spucktests, hier lag die wöchentliche Beteiligung bei den Kindern im Schnitt bei 64 Prozent, bei den Erwachsenen bei 62 Prozent.

Eine Infektion bei einem Kind – keine weitere Infektion übersehen

Von den 5306 untersuchten PCR-Tests der asymptomatischen Kinder fiel eine einzige Probe positiv aus, bei den 2896 Antigenschnelltests keine einzige. Nach zwölf Wochen wurden die Ergebnisse mittels Antikörpertests validiert: Bei sechs von 278 Kindern wurden Antikörper gefunden (2,2 Prozent). Fünf von diesen Kindern hatten bereits Antikörper in der ersten Woche. Bei den Betreuerinnen und Betreuern waren sämtliche 1491 PCR- Spuck-Tests und 1022 Antikörperschnelltests negativ. Drei von 105 (2,9 Prozent) hatten zu Beginn der Testphase Antikörper, und am Ende. Das heißt, sie hatten vor Studienbeginn irgendwann einmal Corona, aber nicht während der Studie, es wurde also keine Infektion übersehen.

Psychische Belastung und Sicherheitsempfinden der Eltern

Ein weiteres wichtiges Ergebnis sei, dass die Tests den Eltern ein sehr hohes Sicherheitsgefühl gegeben haben. In der Pandemie war die Unsicherheit extrem groß. Die Reihentestungen in beiden Studien haben gezeigt, dass während des gesamten Beobachtungszeitraums KiTa-Kinder nur sehr selten von Covid-19 betroffen waren und somit ein sicherer KiTa Betrieb möglich war. Bei steigenden Inzidenzen kann durch Tests eine kontinuierliche Betreuung und Offenhaltung von KiTas, die für die Entwicklung und Gesundheit von Kindern essentiell sind, gewährleistet werden.

In einem nächsten Schritt soll nun die aktuelle Immunität nach der Omikron-Welle und insbesondere die psychische Belastung und das Sicherheitsempfinden von Eltern, KiTa-Personal und Kindern im Verlauf der Pandemie ausgewertet werden. Hierzu werden die Daten aus Wü-KiTa-CoV 2.0 mit den Daten der Vorgängerstudie und einer nachfolgenden Erhebung in denselben KiTas miteinander verknüpft.

Finanziert wurde „Wü-KiTa-CoV 2.0“ durch das Land Bayern über das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL). Die Studie ist eng verknüpft mit weiteren umfassenden Arbeiten zu COVID-19 in KiTas, die durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Programm InfectControl und den Freistaat Bayern gefördert wurden.

Neben der Kinderklinik und Poliklinik und dem Institut für Hygiene und Mikrobiologie waren das Institut für Allgemeinmedizin und die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums Würzburg sowie das Institut für Virologie und das Institut für Klinische Epidemiologie und Biometrie der Universität Würzburg an der Studie beteiligt.

Publikation in JAMA Network Open

Acceptance of Different Self-sampling Methods for Semiweekly SARS-CoV-2 Testing in Asymptomatic Children and Childcare Workers at German Day Care Centers – A Nonrandomized Controlled Trial (Doi:10.1001/jamanetworkopen.2022.31798) 

Das Bild zeigt, wie eine Mutter bei ihrer Tochter einen Nasenabstrich vornimmt.
Testung mittels Antigen-Schnelltest: Die Eltern haben zweimal pro Woche bei ihren Kindern einen Abstrich aus dem Nasenvorhof entnommen und zuhause getestet. © privat
Das Bild zeigt ein Mädchen, das in einer Hand ihren Teddy hält und in der anderen einen Probebehälter aus dem es gerade trinkt.
Testung mittels PCR: Direkt nach dem Aufstehen und vor dem Frühstück und Zähneputzen wurde zweimal pro Woche der Mund für zehn Sekunden gespült und die Speichelprobe anschließend in einen Behälter gespuckt, der mit in die Kita gebracht wurde. © privat
Das Bild zeigt ein Mädchen, dass einen Probebehälter und einen Esslöffel in der Hand hält.
Die PCR-Mundspülprobe, auch Spucktest genannt, kam bei den Kindern am besten an. Das Mundspülwasser wurde im Probenbehälter in die KiTa mitgebracht und später im Labor getestet. © SciGraphix Würzburg / Sandy Westermann
Das Logo der Wü-Kita-CoV-Studie

Auszeichnung für modern gedachte Lehre

146 examinierte Ärztinnen und Ärzte legen Genfer Gelöbnis ab – Albert Kölliker-Lehrpreis geht an Dr. Matthias Kiesel für seine herausragenden didaktischen Leistungen.

Würzburg. 146 examinierte Ärztinnen und Ärzte haben zum Abschluss des Sommersemesters 2022 feierlich gelobt, ihr Leben fortan in den Dienst der Menschlichkeit zu stellen und die Würde und Autonomie ihrer Patientinnen und Patienten zu respektieren. Die Gesundheit und das Wohlergehen der Patientin oder des Patienten werden ihr oberstes Anliegen sein. Das Genfer Gelöbnis haben die Studierenden am 23. Juli in der Neubaukirche der Universität Würzburg abgelegt, nachdem sie von Studiendekanin Prof. Dr. med. Sarah König und Dekan Prof. Dr. med. Matthias Frosch ihre Examensurkunden erhalten haben. 

3D-Modell des weiblichen Beckens

Eine besondere Ehre wurde Dr. med. Matthias Kiesel von der Frauenklinik des Universitätsklinikums Würzburg zuteil. Er erhielt den Albert-Kölliker-Lehrpreis. Als Assistenzarzt bemerkte Matthias Kiesel, dass die Studierenden, die er betreute, bei der gynäkologischen Tastuntersuchung im Rahmen des Skills-Training ähnliche Schwierigkeiten hatten, wie er selbst im Studium. Ein reines Tastmodell zu untersuchen, ohne weitergehende praktische Vorkenntnisse zu besitzen und ohne die Anatomie des weiblichen Beckens vor Augen zu haben, führte bei vielen Studierenden zu Enttäuschung. Daher hat Matthias Kiesel aus Eigeninitiative und in Eigenregie ein 3D-Modell des weiblichen Beckens erstellt, das die für die Tastuntersuchung entscheidenden Strukturen beinhaltet. Das Modell wurde in Lebensgröße mittels 3-Duck so hergestellt, dass sich verschiedene Teile zusammenfügen lassen. Es dient primär dem explorativen Lernen sowie der Visualisierung und räumlichen Vorstellung und hat auch während der Pandemie, als aufgrund der Corona-Beschränkungen praktische Lehre kaum möglich war, vielen Studierenden das Skills-Training ermöglicht. Inzwischen wurde das Modell vervielfältigt, weiterentwickelt und um flexible Bestandteile erweitert. Es ist als fester Bestandteil in das reguläre Curriculum etabliert. 

OP-Simulationstraining 

Optimierungsbedarf hat Matthias Kiesel auch in den Abläufen der Dysplasiesprechstunde und in der Ausbildung der operativen Therapie von Krebsvorstufen am Gebärmutterhals gesehen – und gehandelt. In seiner Freizeit hat er einen OP-Simulator mittels 3D-Drucktechnik hergestellt und 60 interessierten Studierenden im Rahmen eines 1-zu-1-Trainings zur Verfügung gestellt. Er hat mit jedem einzelnen die diagnostischen Schritte als auch die operative Schlingenexzision mittels echtem OP-Instrumentarium am OP-Simulator geübt. Somit konnten die Studierenden in die Rolle des Operierenden schlüpfen und wertvolle Erfahrungen in der praktischen gynäkologischen Untersuchung und Elektrochirurgie sammeln. Der OP-Simulator soll künftig in die virtuelle Realität übertragen werden. Dadurch entfällt zeitaufwendiger Auf- und Abbau sowie kostenintensiver Materialverbrauch. 

Albert-Kölliker-Lehrpreis

„Das Engagement von Dr. Kiesel in beiden Projekten ist bemerkenswert. In Zeiten, in denen die praktische Ausbildung aufgrund der Kontaktbeschränkungen stark eingeschränkt bis unmöglich war, hat er unter den erschwerten Bedingungen der Pandemie und damit verbundenem Mehraufwand neue innovative Lehrkonzepte etabliert“, schildert Prof. Dr. Achim Wöckel, Klinikdirektor der Universitätsfrauenklinik. „Zum Zweck des Ausbaus und der Weiterentwicklung der gynäkologisch-geburtshilflichen Ausbildung und als Auszeichnung seiner herausragenden didaktischen Leistungen haben wir Dr. Kiesel für die Förderung mit dem Albert Kölliker-Lehrpreis der Medizinischen Fakultät Würzburg vorgeschlagen.“ Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert und wird für herausragende didaktische Leistungen, die Entwicklung innovativer Lehrformen, die Verbesserung der Studienbedingungen und besonderes Engagement für Studierende und den studentischen Unterricht verliehen. 

Darüber hinaus wurden die drei Fachschaftsmitglieder Regina Pistorius, Jan Hoffmann und Dominik Keitel für ihre gute Arbeit ausgezeichnet.

Neue Epilepsie-Schulung für Kinder, Jugendliche und Eltern am Uniklinikum Würzburg

Seit Kurzem bietet das Uniklinikum Würzburg für Kinder und Jugendliche mit Epilepsie sowie deren Eltern das Schulungsprogramm an. Dieses hilft, sie selbst zu Expertinnen und Experten für die chronische Erkrankung zu machen. Außerdem ist die Würzburger Universitäts-Kinderklinik die derzeit bundesweit einzige Einrichtung, die zukünftige Trainerinnen und Trainer für die Durchführung dieser Kurse ausbildet.

Flip & Flap ist ein an der Universitäts-Kinderklinik in Lübeck schon vor über 20 Jahren entwickeltes Schulungsprogramm für Kinder und Jugendliche mit Epilepsie sowie deren Eltern. Seit diesem Frühjahr wird es in aktualisierter Form auch am Uniklinikum Würzburg (UKW) angeboten. 

Die Einführung an der Würzburger Universitäts-Kinderklinik ist eng mit der Person von Prof. Dr. Juliane Spiegler verbunden. Die Kinderärztin mit Spezialisierung Neuropädiatrie wechselte im Oktober 2021 von Lübeck ans UKW, wo sie die ärztliche Leitung des Frühdiagnosezentrums / Sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ) übernahm. Die Epileptologin verdeutlicht: „Patientenschulungen sind ein wesentlicher Bestandteil in der Behandlung von Menschen mit chronischen Erkrankungen – und das eben nicht nur bei vergleichsweise häufigen Krankheiten wie Asthma oder Neurodermitis, sondern auch bei eher seltenen Erkrankungen wie Epilepsie.“ 

Besser verstehen, was bei einem Anfall passiert

Ziel des Kurses sei es, die betroffenen Kinder, Jugendlichen und Eltern zu Fachleuten für die Erkrankung auszubilden. Im Unterschied zu anderen chronischen Krankheiten muss dabei nach den Beobachtungen der Expertin zunächst bei vielen der jungen Patientinnen und Patienten ein grundlegendes „Problembewusstsein“ geschaffen werden: „Bei Kindern und Jugendlichen gehen die meisten Epilepsie-Anfälle mit einem Bewusstseinsverlust einher. Das heißt, die Betroffenen selbst bekommen gar nicht mit, dass da etwas war – nur hinterher sind alle um sie herum in heller Aufregung. Die Kinder verstehen zunächst überhaupt nicht, warum sie zum Beispiel nicht mehr klettern oder unbeobachtet schwimmen gehen dürfen.“

Bei der in einen Kinderkurs für Sechs- bis Zwölfjährige und einen Jugendlichenkurs für Dreizehn- bis 18-Jährige aufgeteilten Schulung lernen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, was in ihrem Körper passiert, wenn sie Anfälle haben. Sie erlangen größere Sicherheit im Umgang mit ihrer Krankheit und können sie auch in ihrem Freundeskreis besser erklären.

Bei der parallel stattfindenden Elternschulung gibt es unter anderem Hilfestellungen zum Umgang mit Epilepsie in der Schule und der Öffentlichkeit. Außerdem werden Wege zur Angstbewältigung im Zusammenhang mit der Erkrankung aufgezeigt. 

Kindgerechte Identifikationsfiguren

Die wissenschaftlich evaluierten Flip & Flap-Kurse finden an einem Wochenende statt und umfassen insgesamt 16 Stunden. Der Name leitet sich von den zwei kindgerechten Identifikationsfiguren der Schulung ab: Flip und Flap sind Nervenzellen, die im Gehirn arbeiten und sich bestens damit auskennen, wie dieses den Körper steuert. 

Die erste Würzburger Schulung für Jugendliche fand im Mai dieses Jahres im Ambulanten Schulungszentrum in der Mönchbergstraße statt. Eine Wiederholung ist für Oktober 2022 geplant.

Ausbildung von Trainerinnen und Trainern ab November

Die Kurse für Kinder und Jugendliche hält ein Team aus zwei Kinderkrankenpflegekräften oder EEG-Assistentinnen oder -Assistenten. Die Elternkurse werden von einer Ärztin oder einem Arzt sowie einer Psychologin oder einem Psychologen geleitet. „Diese Trainerinnen und Trainer müssen für das kompetente Durchführen der Kurse natürlich besonders geschult werden“, sagt Spiegler. Die Professorin kann sich aus ihrer Zeit an der Universitäts-Kinderklinik in Lübeck auf langjährige Schulungserfahrungen stützen. Deshalb lag es nahe, in Würzburg die derzeit bundesweit einzige Trainerausbildung für das von ihr in den vergangenen zwei Jahren federführend medizinisch überarbeitete Kursprogramm zu installieren. Die erste Trainerschulung findet im November 2022 in den Räumen des SPZ statt.

Uniklinikum Würzburg: Blasenentleerungsstörungen auf den Grund gehen

Die Neuro-Urologische Sprechstunde am Uniklinikum Würzburg ist auf die Diagnostik und Therapie von Blasen- und Beckenbodenfunktionsstörungen spezialisiert, die durch neurologische Erkrankungen oder Traumata bedingt sind. Zum breiten Behandlungsspektrum gehören auch modernste Schrittmachertechnologien.

Würzburg. Die Urologische Klinik des Uniklinikums Würzburg (UKW) bietet seit gut zwei Jahren eine Neuro-Urologische Sprechstunde an. Menschen, die hier vorstellig werden, haben unterschiedliche Beschwerden und Krankheitsbilder: Manche können nur unvollständig oder gar kein Wasser lassen, während andere extrem häufigen Harndrang verspüren und den Urin oft nicht halt können. Weitere sind von immer wiederkehrenden Blaseninfektionen betroffen. „Als Gemeinsamkeit besteht bei unseren Patientinnen und Patienten zumindest die Vermutung, dass hinter der Blasen- oder Beckenfunktionsstörung ein neurologisches Problem steht“, berichtet Dr. Christine Höfling-Streitenfeld, die Leiterin der Sprechstunde. Nach ihren Worten kann dieses Problem zum Beispiel durch eine neurologische Grunderkrankung, eine vorangegangene Operation oder eine Schwangerschaft hervorgerufen worden sein. Gemeinsam ist vielen der Ratsuchenden auch, dass sie bereits einen langen Leidensweg von oft über zwei Jahren sowie diverse Vorbehandlungen hinter sich haben. 

Umfassende Diagnostik, viele Therapiemöglichkeiten

„Um den Ursachen auf den Grund zu gehen, erheben wir in der Sprechstunde eine sorgfältige Anamnese, führen eine gründliche urologische Untersuchung durch und suchen im Ultraschall nach Veränderungen“, sagt Dr. Höfling-Streitenfeld. Bei Bedarf erweitert die auf Inkontinenz, Harnwegsinfekte und Blasensenkung spezialisierte Urologin die Diagnostik um eine urodynamische Untersuchung und eine Blasenspiegelung. Gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der Urologischen Klinik erarbeitet sie anschließend ein Therapiekonzept. Zur Auswahl stehen zum Beispiel Medikamente, physiotherapeutische Maßnahmen, Geräte zur peripheren Blasenstimulation, bei Frauen Pessare, die die Harnröhre und Blase mechanisch stützen, Injektionen mit Botulinumtoxin (Botox) bei einer überaktiven Blase oder operative Eingriffe. 

High-End-Lösung Blasenschrittmacher

„Für einen Teil der Patientinnen und Patienten bietet sich als hochtechnologische Lösung ferner die Implantation eines sogenannten Blasenschrittmachers an“, schildert Dr. Höfling-Streitenfeld. Experte für diesen Behandlungsweg am UKW ist Prof. Dr. Georgios Gakis. Der Leitende Oberarzt der Urologischen Klinik erläutert: „Beim Blasenschrittmacher implantieren wir eine oder zwei dünne Elektroden durch eine natürliche Öffnung im Kreuzbeinknochen – etwa zehn Zentimeter oberhalb des Steißbeins – an die sogenannten Sakralnerven auf Höhe der dritten und vierten Nervenwurzelaustrittstelle. Diese Nerven steuern die Funktion von Blase und Enddarm. Über die Elektrode oder die Elektroden sendet ein Neurostimulator sanfte Stromimpulse, die die Nerven hilfreich stimulieren.“ 

Die Elektroden verbleiben für eine maximal 60-tägige Testphase im Körper, währenddessen durch ein kleines, batteriebetriebenes Aggregat verschiedene Einstellungen des Schrittmachers ausprobiert werden können. Dabei lässt sich ermitteln, ob die Patientin oder der Patient gut auf die Behandlung anspricht. „Ist dies der Fall, implantieren wir bei einem kurzen Krankenhausaufenthalt den im Körper liegenden Schrittmacher im oberen Gesäßbereich“, beschreibt Prof. Gakis. Nach diesem zweiten Eingriff liegen alle Implantate unter der Haut und sind von außen im Allgemeinen nicht zu erkennen. Einschränkungen beim Gehen oder Sitzen sind nicht zu erwarten. 

Das Komplikationsrisiko des Eingriffes ist äußerst gering. Die Erfolgsrate dieser Therapie liegt je nach Indikation am UKW bei 60 Prozent: In den vergangenen zwei Jahren wurden an der Urologischen Klinik bei 20 Patientinnen und Patienten Blasenschrittmacher getestet. Bei zwölf wurden so positive Effekte erzielt, dass ihnen der Neurostimulator dauerhaft implantiert wurde. 

Alleinstellung in weitem Umkreis

Sowohl die Neuro-Urologische Sprechstunde, wie auch die Blasenschrittmacher-Therapie sind Leistungen, die in weitem Umkreis um Würzburg nur am UKW angeboten werden. „Wir haben Patientinnen und Patienten, die eine Anreise von zwei Stunden auf sich nehmen, um sich von uns untersuchen, beraten und behandeln zu lassen“, verdeutlicht Dr. Höfling-Streitenfeld, die an vier Tagen pro Woche als niedergelassene Urologin in Würzburg eine eigene Praxis in betreibt. Bei der von ihr immer freitags im Zentrum für Operative Medizin des UKW an der Oberdürrbachstraße seit Juli 2020 gehaltenen Neuro-Urologischen Sprechstunde sieht sie im Schnitt jeweils zehn bis zwölf Patientinnen und Patienten.

Informationen zur Anmeldung gibt es unter www.ukw.de/urologie/ambulante-behandlung 

Ausgezeichnete Arbeiten für Schutz vor Meningokokken und SARS-CoV-2

Im Rahmen der 74. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie in Berlin wurde der diesjährige bioMérieux-Diagnostikpreis an Dr. med. Dipl.-Inf. Manuel Krone verliehen.

Das Bild zeigt Manuel Krone bei der Preisverleihung mit Blumen, Scheck und Urkunde.
Manuel Krone erhält im Rahmen der 74. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie den bioMérieux-Diagnostikpreis. V.l.n.r.: Prof. Dr. Volkhard Kempf, Geschäftsführender Vorsitzender des Präsidiums der DGHM-Stiftung und Direktor des Institutes für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene Universitätsklinikum Frankfurt, Alexandre Schneider, Geschäftsführer bioMérieux Deutschland, Preisträger Dr. Manuel Krone vom Uniklinikum Würzburg und Bettina Löffler, Professorin für Medizinische Mikrobiologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. © DGHM

Für die Etablierung wissenschaftlicher Konzepte und Diagnostikverfahren, die für die Prävention von Meningokokken- und SARS-CoV-2-Infektionen eingesetzt werden können, hat Dr. Manuel Krone, stellvertretender Leiter der Einrichtung Krankenhaushygiene und Antimicrobial Stewardship am Universitätsklinikum Würzburg, am 5. September 2022, auf der 74. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) in Berlin den mit 2.500 Euro dotierten bioMérieux-Diagnostikpreis durch die Stiftung der DGHM erhalten.

Prävention invasiver Meningokokkeninfektionen

Der Informatiker und Mediziner Manuel Krone beschäftigt sich seit dem Jahr 2017 am Nationalen Referenzzentrum für Meningokokken und Haemophilus influenzae, das am Institut für Hygiene und Mikrobiologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg angesiedelt ist, mit der Epidemiologie und Prävention invasiver Meningokokkeninfektionen. In seinen Arbeiten deckte er dabei die europäische Dimension der Verbreitung eines hypervirulenten Meningokokkenstamms der Serogruppe W auf. Er enthüllte, dass im Gegensatz zu vielen anderen Infektionserkrankungen das Risiko nach einer überlebten Meningokokkeninfektion für eine erneute Infektion nicht etwa geringer ist, sondern um mehr als 50-fach erhöht. Krone konnte zudem zeigen, dass sich zur sogenannten Postexpositionsprophylaxe (PEP), also als Vorbeugemaßnahme nach engem Kontakt zu erkrankten Personen, das Antibiotikum Azithromycin eignet. Azithromycin als PEP ist mittlerweile auch Teil der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut geworden ist

Eindämmung der Corona-Pandemie

Herausragend sind auch Krones wissenschaftlichen Präventionskonzepte und Diagnostikverfahren zur Eindämmung der SARS-CoV-2-Pandemie. Er konnte schon sehr früh darlegen, dass auch asymptomatische Reihenuntersuchungen in die Ausbruchsuntersuchungen in Pflegeheimen einbezogen werden sollten. Zudem belegte er wissenschaftlich die Effektivität von PCR-Eingangsuntersuchungen zur Prävention von so genannten nosokomialen Infektionen, also um Ansteckungen im Zusammenhang mit einer Behandlung in Krankenhäusern, ambulanten Praxen oder Pflegeeinrichtungen vorzubeugen. Seine aktuellste Publikation ist die bislang weltweit größte Laborevaluation verschiedener SARS-CoV-2-Antigenschnelltests. Zwischen November 2020 und Januar 2022 wurden am Uniklinikum Würzburg bei 26 940 Personen 35 479 Parallel-Proben entnommen. Von 426 SARS-CoV-2-positiven PCR-Proben waren im Antigenschnelltest nur 164 positiv. Das entspricht einer Sensitivität von lediglich 38,50 Prozent. Bei der derzeit vorherrschenden Omikron-Variante schlugen sogar nur 33,67 Prozent an. Mit abnehmender Viruslast nahm auch die Sensitivität der Tests ab.

Insgesamt hat Manuel Krone 22 Veröffentlichungen verfasst, davon sechs als Erstautor und vier als Letztautor. Darüber hinaus ist er als Sprecher der AG „Vernetzung“ bei jungen DGHM aktiv.

Das Bild zeigt Manuel Krone bei der Preisverleihung mit Blumen, Scheck und Urkunde.
Manuel Krone erhält im Rahmen der 74. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie den bioMérieux-Diagnostikpreis. V.l.n.r.: Prof. Dr. Volkhard Kempf, Geschäftsführender Vorsitzender des Präsidiums der DGHM-Stiftung und Direktor des Institutes für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene Universitätsklinikum Frankfurt, Alexandre Schneider, Geschäftsführer bioMérieux Deutschland, Preisträger Dr. Manuel Krone vom Uniklinikum Würzburg und Bettina Löffler, Professorin für Medizinische Mikrobiologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. © DGHM