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In der Dosis liegt die Wirkung

HEISENBERG-PROFESSUR „MULTIMODALE BILDGEBUNG UND THERANOSTIK“ FÜR DEN PHYSIKER JOHANNES TRAN-GIA

Johannes Tran-Gia, Physiker in der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin des Uniklinikums Würzburg (UKW), ist zum Universitätsprofessor für „Multimodale Bildgebung und Theranostik“ an der Universität Würzburg ernannt worden. Seine Professur wird in den ersten fünf Jahren von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Heisenberg-Programms gefördert. Im Heisenberg-Projekt beschäftigt sich der 40-jährige Physiker mit der „Bildgebungsbasierten Individualisierung der Knochenmarkdosimetrie für Radionuklidtherapien“. Mit neuen bildgebenden Verfahren will er die Strahlenexposition im Knochenmark genauer bestimmen und so die Radionuklidtherapie personalisieren - für maximale Wirkung bei minimalen Nebenwirkungen.

 

Porträt von Johannes Tran-Gia in der Nuklearmedizin
Johannes Tran-Gia, Physiker in der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin des Uniklinikums Würzburg (UKW), erhält von der DFG geförderte Heisenberg-Professur für „Multimodale Bildgebung und Theranostik“. © Daniel Peter / UKW
Johannes Tran-Gia hält in der Hand ein 3D-gedrucktes Modell der Lendenwirbelsäule, zeigt mit der anderen Hand darauf und schaut seine Kollegin links im Bild an.
Durch Messungen an 3D-Modellen wie hier der Lendenwirbelsäule, die Johannes Tran-Gia mit seinem Team im 3D-Drucklabor selbst herstellt, werden die speziellen multimodalen Bildgebungsverfahren validiert. Dazu wird das so genannte Phantom mit radioaktiver Lösung befüllt. © Daniel Peter / UKW
Arbeitsgruppe von Johannes Tran-Gia posiert im Flur des UKW - alle bis auf Tran-Gia tragen weiße Kittel
AG Tran-Gia, v.l.n.r.: Maikol Salas Ramirez, Amelie Gehring, Samira Kamrani, Junnan Bao, Anna-Lena Theisen, Lenka Vávrová, Johannes Tran-Gia. © Daniel Peter / UKW
Johannes Tran-Gia zwischen seinen Kolleginnen vor einem 3D-Druckgerät.
Johannes Tran-Gia mit seinen Mitarbeiterinnen Amelie Gehring (links) und Anna-Lena Theisen im 3D-Drucklabor. © Daniel Peter / UKW
3D-gedruckter Lendenwirbel im Formlabs Cure
In der UV-Kammer härtet der 3D-gedruckte Lendenwirbelkörpers aus. © Daniel Peter / UKW
Hier wird an vier Figuren beschrieben, wie die Radionuklidtherapie funktioniert. Injektion eines Radiopharmakons, Verteilung im Körper, Ausscheidung über Niere und Blase und spezifischer Uptake im Tumor, sowie therapeutische Strahlenexposition (nur der Tumor leuchtet im Körper).

Würzburg. In der Schule fielen ihm vor allem Fächer wie Mathematik und Physik leicht. Auch Journalismus hätte ihn interessiert. Aber da brauche man Ellenbogen, um sich durchzusetzen, wurde er gewarnt. Also studierte Johannes Tran-Gia Physik. „Physiker denken analytisch wie Mathematiker, aber sie sind etwas praktischer und flexibler in der Anwendung. Und in der Physik gehen die Leute insgesamt sehr nett miteinander um“, begründet Johannes Tran-Gia seine Studienwahl. Rund 20 Jahre später hat der Würzburger neben einer eigenen Familie mit zwei Kindern einen Master und ein Diplom in Physik, ist promoviert und Privatdozent und seit kurzem Professor. Die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für fünf Jahre geförderte Heisenberg-Professur trägt den Titel „Multimodale Bildgebung und Theranostik“ und soll den Weg zu einer Lebenszeitprofessur ebnen, sehr zur Freude der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin am Uniklinikum Würzburg (UKW). Denn der Bereich der Theranostik, der durch diese Professur gestärkt wird, hat das Potenzial, die Nuklearmedizin zu revolutionieren und eine präzisere und personalisierte Behandlung von Krebs zu ermöglichen. 

Theranostik – Therapie und Diagnostik: Der Unterschied liegt in der Art der verwendeten Radionuklide und der Dosis 

Unter Theranostik (siehe auch Info-Kasten) versteht man die Kombination diagnostischer und therapeutischer Verfahren. In der Nuklearmedizin werden dazu radioaktiv markierte Arzneimittel sowohl zur Bildgebung als auch zur gezielten Therapie derselben Erkrankung beziehungsweise Pathologie eingesetzt. Der Unterschied liegt in der Art der verwendeten Radionuklide und der Dosis. In der Diagnostik werden kurzlebige Radionuklide genutzt, die eine schwache Strahlung aussenden. Diese Strahlung kann mit speziellen Kameras sichtbar gemacht werden, um damit Stoffwechselvorgänge und Funktionsstörungen im Körper zu visualisieren. In der Therapie hingegen werden langlebigere Radionuklide verwendet, die eine hochenergetische Strahlung aussenden. Diese Strahlung zerstört gezielt erkranktes Gewebe wie Tumorzellen, während das umliegende Gewebe weitgehend geschont wird.

Dosimetrie: Bestimmung und Bewertung der Energiedosis, um Wirksamkeit zu maximieren und Nebenwirkungen zu minimieren

Doch welche Dosierung des radioaktiven Arzneimittels ist die richtige, um eine maximale therapeutische Wirkung bei minimalen Nebenwirkungen zu erzielen? Mit dieser Frage beschäftigt sich die Dosimetrie, ein wesentlicher Bestandteil bei der Einführung neuer Radionuklidtherapien und ein Forschungsschwerpunkt der Würzburger Nuklearmedizin. „Wie hoch kann ich mit der therapeutischen Aktivität gehen? Nachdem zuvor die Radiochemie die Hauptarbeit in der Entwicklung eines Radiopharmakons hatte, kommt hier die Physik ins Spiel“, so Johannes Tran-Gia, der auch im entsprechenden Ausschuss (Dosimetry Committee) der europäischen Fachgesellschaft für Nuklearmedizin (European Association of Nuclear Medicine, EANM) aktiv ist. Er setzt damit das fort, was Prof. Dr. Michael Laßmann während seiner langjährigen Tätigkeit als Leiter der Medizinischen Physik der Würzburger Nuklearmedizin begonnen hat. In seinem Heisenberg-Projekt geht es denn auch konkret um die „bildgebungsbasierte Individualisierung der Knochenmarkdosimetrie für Radionuklidtherapien“. Durch den Einsatz bildgebender Verfahren soll die Energiedosis für jede Patientin und jeden Patienten individuell bestimmt werden. Dadurch soll künftig die Therapieaktivität personalisiert und somit die Therapie noch wirksamer und schonender gestaltet werden. 

Mit neuen bildgebenden Verfahren die Energiedosis im roten Knochenmark genauer bestimmen

Das rote Knochenmark ist eines der Hauptrisikoorgane vieler Radionuklidtherapien, da es aufgrund der hohen Zellteilungsrate besonders strahlenempfindlich ist. Seine Schädigung kann zu schwerwiegenden Nebenwirkungen führen, zum Beispiel Blutarmut durch Mangel an roten Blutkörperchen, Immunschwäche durch Mangel an weißen Blutkörperchen und Blutungsneigung durch Mangel an Blutplättchen. Die Messung der Energiedosis auf das rote Knochenmark ist laut Tran-Gia jedoch besonders schwierig, da nicht die Aktivität im gesamten Knochenmark, sondern gezielt im blutbildenden roten Knochenmark bestimmt werden muss. „Deshalb haben wir spezielle multimodale Bildgebungsverfahren wie dedizierte Magnetresonanztomographie- oder CT-Techniken entwickelt, um den Fett-, Wasser und Knochenanteil im Knochenmark zu bestimmen und so die für die Berechnung der Energiedosis relevante Masse des roten Knochenmarks zu quantifizieren“, sagt Tran-Gia. Validiert werden die Verfahren durch Messungen an 3D-Modellen, die er mit seinem Team im 3D-Drucklabor selbst herstellt. „Mit unseren neuen bildgebenden Verfahren können wir die Verteilung der radioaktiven Substanzen im Körper genauer verfolgen und so die Dosis auf das rote Knochenmark präziser bestimmen“, ergänzt Tran-Gia. Parallel dazu arbeitet er daran, die Bildgebung mit Hilfe von künstlicher Intelligenz zu beschleunigen, um diese in der klinischen Routine effizienter einsetzen zu können. Die Verbesserung dieser Bildgebung war auch das Thema seiner Habilitation. In Zusammenarbeit mit dem National Physics Laboratory in Großbritannien und führenden europäischen Kliniken hat er zudem ein Standardisierungsverfahren für die quantitative Bildgebung in der Dosimetrie entwickelt, um sowohl europaweit als auch weltweit vergleichbare Messergebnisse zu gewährleisten (publiziert in EJNMMI Physics DOI: 10.1186/s40658-021-00397-0).

Prätherapeutische Dosimetrie: Der erste Schritt zur personalisierten Radionuklidtherapie

Auch die Nieren spielen eine wichtige Rolle bei der Dosimetrie, da die meisten radioaktiven Arzneimittel über die Niere ausgeschieden werden und diese daher besonders belastet sind. Derzeit werden die meisten Radionuklidtherapien jedoch mit einer Standarddosierung verabreicht, ohne Rücksicht auf individuelle Unterschiede. „Das bedeutet, dass ein 150 Kilo schwerer Holzfäller die gleiche Therapieaktivität erhält wie eine 50 Kilo leichte zierliche ältere Dame, obwohl ihre Stoffwechsel ganz unterschiedlich sind“, erläutert Johannes Tran-Gia. Das habe zur Konsequenz, dass man das Risiko in Kauf nimmt, neun von zehn Patientinnen und Patienten zu unterdosieren, um eine Person mit einem niedrigeren Stoffwechsel zu schützen. Prätherapeutische Dosimetrie könnte hier Abhilfe schaffen: Durch eine Voruntersuchung ließe sich bestimmen, welcher Strahlenexposition die Nieren des einzelnen Patienten tatsächlich ausgesetzt wären. So könnte die therapeutische Aktivität oder die Anzahl der Therapiezyklen individuell angepasst werden. Diese Voruntersuchungen, die ein erster Schritt auf dem Weg zur personalisierten Radionuklidtherapie wären, werden derzeit jedoch nicht von den Krankenkassen finanziert. 

„Es findet gerade ein großer Umbruch statt, den ich mitgestalten kann“

Die individualisierte Radionuklidtherapie gewinnt zunehmend an Bedeutung – nicht zuletzt angesichts der weltweit steigenden Zahl diagnostizierter Krebserkrankungen und den damit verbundenen gesellschaftlichen Herausforderungen. „Hier werden wir in den nächsten Jahren große Fortschritte sehen“, ist sich Johannes Tran-Gia sicher. Ein besonders relevantes Anwendungsfeld ist das Prostatakarzinom, an dem jeder vierte Mann im Laufe seines Lebens erkrankt. In Deutschland ist es nach Lungenkrebs die zweithäufigste zum Tode führende Krebserkrankung bei Männern. „Das Krankheitsbild hat daher eine enorme Relevanz und einen riesigen Markt“, erklärt Tran-Gia. 

Deutschland nimmt bei der Dosimetrie der Radionuklidtherapie eine führende Rolle ein, da Patientinnen und Patienten aus strahlenschutzrechtlichen Gründen während der Behandlung mindestens zwei Tage stationär bleiben müssen. „In dieser Zeit können wir viele der für die Dosimetrie wichtigen Messungen durchführen. Unser Ziel ist es, die Energiedosis in Risikoorganen wie den Nieren künftig im Arztbrief zu dokumentieren. Dadurch könnten retrospektiv Korrelationen zwischen Energiedosis und Nebenwirkungen hergestellt werden. Im Idealfall kommen dann noch weitere Parameter wie Geschlecht, Lebensstil und klinische Daten hinzu, so dass man eines Tages vielleicht sogar vorhersagen kann, wie empfindlich Menschen mit einer bestimmten Vorgeschichte auf die Strahlung reagieren, beispielsweise ob sie Raucher waren oder übergewichtig,“ erklärt Tran-Gia. Positiv für sein Forschungsfeld bewertet Johannes Tran-Gia auch, dass Deutschland durch das Medizinforschungsbeschleunigungsgesetz die Zulassung von Radionuklidtherapien erleichtern und bürokratische Hürden abbauen will. 

„Es findet gerade ein großer Umbruch statt, den ich mitgestalten kann“, freut sich Tran-Gia. Die Professur in Würzburg sei für ihn wie ein Sechser im Lotto. Er brenne für diese Forschung, die viel Potenzial habe, sehr interdisziplinär sei und zudem sehr nah am Patienten.

Werdegang von Johannes Tran-Gia

Johannes Tran-Gia wurde 1984 in Stuttgart geboren. Nach einer Zwischenstation in Zürich zog seine Familie noch im Kindergartenalter nach Würzburg, wo sein Vater, der 2023 verstorbene Phuoc Tran-Gia, einen Ruf auf den Lehrstuhl für Informatik III „Kommunikationsnetze“ annahm. Phuoc Tran-Gia war ein herausragender, international renommierter Wissenschaftler, der zwei Jahre Dekan der Fakultät für Mathematik und Informatik und drei Jahre Vizepräsident der Julius-Maximilians-Universität Würzburg gewesen war und 2020 zum Ehrenbürger ernannt wurde. Durch dessen Forschungs- und Lehrtätigkeit und zahlreiche Auslandsaufenthalte lernte Johannes Tran-Gia schon früh den Wissenschaftsbetrieb kennen. Er studierte Physik in Würzburg und Edinburgh, machte seinen Master in Schottland und später sein Diplom in Würzburg. Nach einer zehnmonatigen Weltreise promovierte er am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie des UKW mit einem durch die Exzellenzinitiative geförderten Stipendium der Graduate School of Life Sciences (GSLS) zum Thema „Modellbasierte Rekonstruktionsmethoden für die MR-Relaxometrie“. Besonders gefielen ihm die medizinischen und praktischen Aspekte seiner Arbeit. Während seiner Promotionszeit und darüber hinaus baute er am UKW sowie auf zahlreichen Dienstreisen ein breites Netzwerk an Kooperationen auf und forschte unter anderem ein halbes Jahr lang als Postdoc an der Case Western Reserve University in Cleveland, USA. Zurück in Würzburg spezialisierte sich Johannes Tran-Gia als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Nuklearmedizin und schloss die Weiterbildung zum Medizinphysik-Experten (MPE) ab. Anschließend habilitierte er sich in der Arbeitsgruppe „Medizinische Physik“. Mit Wirkung zum 20.12.2024 wurde Johannes Tran-Gia zum W2-Universitätsprofessor für „Multimodale Bildgebung und Theranostik“ an der Universität Würzburg ernannt – zunächst für die Dauer von fünf Jahren.

Was ist Theranostik
Theranostik setzt sich aus den Wörtern Therapie und Diagnostik zusammen. Sie kombiniert die Spezifität der molekularen Zielerkennung mit der therapeutischen Wirksamkeit von Strahlung. Der Unterschied zwischen Diagnostik und Therapie mit radioaktiven Substanzen liegt in der Art der verwendeten Radionuklide. Um festzustellen, wo und wie sich Krebszellen im Körper verteilen, wird ein radioaktives Arzneimittel mit einem Isotop schwach ionisierender Strahlung injiziert. Dieses gibt so genannte Gammastrahlung ab, die den Körper nahezu ungehindert durchdringt und mit bildgebenden Verfahren wie SPECT (Single Photon Emission Computed Tomography) oder PET (Positronen-Emissions-Tomographie) von außen nachgewiesen werden kann. Die radioaktive Substanz wird an ein spezifisches Trägermolekül (Pharmakon) gebunden, das gezielt Krebszellen anhand ihrer charakteristischen Zielstrukturen wie Rezeptoren, Proteinen oder Antigenen erkennt und dort bindet. Nach der Verabreichung des so genannten Tracers verteilt sich das Radiopharmakon im Körper und reichert sich im Tumorgewebe an. Sobald der Tracer zerfällt und ausgeschieden wird, bleibt nur noch der so genannte spezifische Uptake in den Krebszellen sichtbar. Bei der Diagnostik ist die Strahlenexposition sehr gering und laut Johannes Tran-Gia vergleichbar mit der eines Vielfliegers. Bei der Radionuklidtherapie werden die Trägermoleküle mit Radionukliden markiert, die Beta- oder Alphateilchen abgeben. Diese Teilchenstrahlung hat eine sehr geringe Reichweite und induziert lokal Strahlenschäden, wodurch Tumorgewebe gezielt zerstört werden kann, während das umliegende Gewebe weitgehend geschont wird.

Text: KL / Wissenschaftskommunikation 
 

Porträt von Johannes Tran-Gia in der Nuklearmedizin
Johannes Tran-Gia, Physiker in der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin des Uniklinikums Würzburg (UKW), erhält von der DFG geförderte Heisenberg-Professur für „Multimodale Bildgebung und Theranostik“. © Daniel Peter / UKW
Johannes Tran-Gia hält in der Hand ein 3D-gedrucktes Modell der Lendenwirbelsäule, zeigt mit der anderen Hand darauf und schaut seine Kollegin links im Bild an.
Durch Messungen an 3D-Modellen wie hier der Lendenwirbelsäule, die Johannes Tran-Gia mit seinem Team im 3D-Drucklabor selbst herstellt, werden die speziellen multimodalen Bildgebungsverfahren validiert. Dazu wird das so genannte Phantom mit radioaktiver Lösung befüllt. © Daniel Peter / UKW
Arbeitsgruppe von Johannes Tran-Gia posiert im Flur des UKW - alle bis auf Tran-Gia tragen weiße Kittel
AG Tran-Gia, v.l.n.r.: Maikol Salas Ramirez, Amelie Gehring, Samira Kamrani, Junnan Bao, Anna-Lena Theisen, Lenka Vávrová, Johannes Tran-Gia. © Daniel Peter / UKW
Johannes Tran-Gia zwischen seinen Kolleginnen vor einem 3D-Druckgerät.
Johannes Tran-Gia mit seinen Mitarbeiterinnen Amelie Gehring (links) und Anna-Lena Theisen im 3D-Drucklabor. © Daniel Peter / UKW
3D-gedruckter Lendenwirbel im Formlabs Cure
In der UV-Kammer härtet der 3D-gedruckte Lendenwirbelkörpers aus. © Daniel Peter / UKW
Hier wird an vier Figuren beschrieben, wie die Radionuklidtherapie funktioniert. Injektion eines Radiopharmakons, Verteilung im Körper, Ausscheidung über Niere und Blase und spezifischer Uptake im Tumor, sowie therapeutische Strahlenexposition (nur der Tumor leuchtet im Körper).

Anerkennung dessen, was war und sein kann

Würzburger Humanbiologe Maik Luu in Junges Kolleg der Bayerischen Akademie der Wissenschaften aufgenommen

Maik Luu mit grauem Jacket, schwarzer Krawatte und violettem Hemd lehnt an einer Spiegelfassade und lächelt in die Kamera.
Der Humanbiologe Dr. Maik Luu vom Lehrstuhl für Zelluläre Immuntherapie es Uniklinikums Würzburg wurde in das Junge Kolleg der Bayerischen Akademie der Wissenschaften aufgenommen. © Daniel Peter / UKW

Würzburg. „Die Aufnahme in das Junge Kolleg der Bayerischen Akademie der Wissenschaften ist eine große Ehre und eine Anerkennung dessen, was bisher war und was in Zukunft sein kann“, sagt Maik Luu vom Universitätsklinikum Würzburg (UKW). Der promovierte Humanbiologe vom Lehrstuhl für Zelluläre Immuntherapie wurde jetzt zusammen mit vier weiteren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in das Junge Kolleg der Gelehrtengemeinschaft mit Sitz in München aufgenommen. Die im Jahr 1759 gegründete Bayerische Akademie der Wissenschaften (BAdW) ist nicht nur eine der ältesten, sondern auch eine der größten Akademien in Deutschland, die sich als außeruniversitäre Forschungseinrichtung von internationalem Rang versteht. In ihr arbeiten führende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen an großen, oft langfristig angelegten Forschungsvorhaben. Seit 15 Jahren fördert die BAdW mit ihrem Jungen Kolleg explizit auch den herausragenden wissenschaftlichen Nachwuchs in Bayern, indem sie Freiräume für die Forschung und ein Forum für den Austausch bietet. Ein entscheidendes Kriterium für die Aufnahme in das Junge Kolleg ist der innovative und kreative Charakter des Forschungsvorhabens.

Mit Stoffwechselprodukten des Mikrobioms das Immunsystem auf Trab bringen

Maik Luu erforscht mit seinem Team in Würzburg, wie sich Stoffwechselprodukte des Mikrobioms nutzen lassen, um gentechnisch veränderte Immunzellen, so genannte CAR-T-Zellen, in der Krebstherapie noch effektiver zu machen. Die mit einem chimären Antigenrezeptor (CAR) ausgestatteten T-Zellen haben die Behandlung von Blutkrebs bereits revolutioniert, stoßen aber bei soliden Tumoren noch an ihre Grenzen. Das will Maik Luu ändern, der bereits in seiner Doktorarbeit an der Philipps-Universität Marburg untersuchte, wie das Immunsystem auf verschiedene Bakterien der Darmflora und deren Stoffwechselprodukte reagiert. Das Junge Kolleg, das vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst finanziert wird, unterstützt seine Forschung mit einem frei verwendbaren Stipendium in Höhe von 1.000 Euro monatlich für drei Jahre.

Wissenschaftlicher Dialog und fachübergreifender Austausch

Neben der finanziellen Förderung freut sich Maik Luu auf den wissenschaftlichen Dialog und den interdisziplinären Austausch, sowohl mit den Kollegiatinnen und Kollegiaten untereinander als auch mit den etablierten Mitgliedern der Akademie. „In meinem Fall geht es zum Beispiel um ethische Fragen, wie weit die Gentherapie gehen kann und darf, aber auch um den Zugang zur Therapie für eine größere Patientengruppe“, berichtet Maik Luu. Gesellschaftliche Themen sollen aus verschiedenen Perspektiven diskutiert werden. Außerdem sei er gespannt, wie es den anderen Kollegiatinnen und Kollegiaten auf ihrem Karriereweg geht. Welche Ängste und Sorgen haben sie? Wie führen sie ihre Teams? Gibt es ein Erfolgsgeheimnis? Mit Maik Luu wurden eine Chemikerin und ein Chemiker, eine Juristin und ein Theologe in das Junge Kolleg aufgenommen. Sie sind verpflichtet, pro Förderperiode einen Vortrag über ihr Forschungsprojekt zu halten, ein interdisziplinäres Kolloquium zu organisieren und Diskussionsabende zu aktuellen Themen zu veranstalten.

Die Stipendiatinnen und Stipendiaten sind für die Dauer der Förderung außerordentliche Mitglieder der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und nehmen an den Sitzungen der Gelehrtengemeinschaft teil. Die Dauer der Mitgliedschaft im Jungen Kolleg beträgt in der Regel drei Jahre, kann aber um bis zu drei Jahre verlängert werden. Bei Berufung auf eine Professur oder Übernahme einer anderen unbefristeten Stelle endet die Mitgliedschaft vorzeitig. 

Maik Luu hat bereits eine Tenure-Track-Professur für Translationale Medizin. Bewährt er sich, wird die Juniorprofessur in eine unbefristete Lebenszeitprofessur umgewandelt. 

Allein die Möglichkeit, sich und seine Forschung in der Akademie vorzustellen, war für ihn eine große Ehre. Maik Luu: „Wer hätte gedacht, dass der kleine Junge aus Eschweiler, dessen Eltern einst als Boatpeople nach Deutschland kamen, vor einer Jury aus arrivierten Gelehrten sprechen darf und dann auch noch aufgenommen wird. Das ist ein großer Erfolg für mich persönlich, aber auch für mein Team. Es zeigt, dass wir mit unserer Forschung auf dem richtigen Weg sind.“

Hier geht es Pressemeldung der BAdW.
Hier geht es zur Pressemeldung anlässlich der Juniorprofessur von Dr. Maik Luu.
Hier geht es zur jüngsten Pressemeldung anlässlich des Emerging Investigators EHA-EBMT Joint Fellowship Awards in the Field of Cell Therapy and Immunotherapy.
 

Text: KL / Wissenschaftskommunikation

Maik Luu mit grauem Jacket, schwarzer Krawatte und violettem Hemd lehnt an einer Spiegelfassade und lächelt in die Kamera.
Der Humanbiologe Dr. Maik Luu vom Lehrstuhl für Zelluläre Immuntherapie es Uniklinikums Würzburg wurde in das Junge Kolleg der Bayerischen Akademie der Wissenschaften aufgenommen. © Daniel Peter / UKW

Hochrisikomerkmale beim Multiplen Myelom

KOMBINATION AUS FISH UND SKY92 VERBESSERT DIAGNOSTIK

Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Martin Kortüm, Inhaber des Lehrstuhls für Translationale Myelomforschung am Universitätsklinikum Würzburg (UKW), zeigt, dass eine Kombination von zwei diagnostischen Methoden (FISH und SKY92) hilft, Hochrisikopatientinnen und -patienten mit Multiplem Myelom zu identifizieren. Die in der Fachzeitschrift HemaSpere veröffentlichte Studie ebnet den Weg für gezieltere und wirksamere Behandlungspläne.

 

Die vier Mediziner in weißen Kitteln nebeneinander im Büro von Hermann Einsele.
Vertreter des Studienteams im Würzburger Myelomzentrum v.l.n.r.: Hermann Einsele, Martin Kortüm, Leo Rasche und Erstautor Xiang Zhou. © Kirstin Linkamp / UKW

Würzburg. Das Multiple Myelom ist nach der Leukämie die zweithäufigste Blutkrebserkrankung, bei der verschiedene bösartige Tumorherde im Knochenmark entstehen. In Deutschland erkranken jährlich etwa 7.000 Menschen an dieser Krebsform, die bislang nicht dauerhaft geheilt werden kann. Durch neue Therapiemöglichkeiten hat sich die Prognose für viele Patientinnen und Patienten verbessert. Bei einem Hochrisiko-MM (HR-MM) schreitet die Erkrankung jedoch schneller voran und die Überlebenschancen sind trotz moderner Behandlungsmethoden deutlich schlechter. Umso wichtiger ist eine frühe und genaue Risikoeinschätzung. Denn klinische Studien konnten zeigen, dass eine risikoadaptierte Therapie die Prognose verbessern kann.

Klinische und genetische Hochrisikomerkmale beim Multiplen Myelom

Es gibt klinische Hochrisikomerkmale wie die extramedulläre Erkrankung oder die Plasmazellleukämie, wenn sich die Myelomzellen außerhalb des Knochenmarks ausbreiten oder im Blut zirkulieren. Darüber hinaus gibt es genetische Faktoren, die auf ein hohes Risiko hinweisen. Um Veränderungen im Erbgut der Krebszelle zu erkennen, darunter die Chromosomenveränderungen del(17p), t(4;14) und +1q21, wird die zytogenetische Analyse mittels Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) eingesetzt. Zusätzlich kann eine Genexpressionsanalyse tiefere biologische Einblicke in die Erkrankung geben. Der SKY92-Biomarker besteht aus 92 Genen, deren Aktivität in bösartigen Myelom-Plasmazellen die Aggressivität des Myeloms bestimmen. 

FISH und SKY92: Zwei Methoden zur Risikoeinschätzung kombiniert

Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Martin Kortüm, Inhaber des Lehrstuhls für Translationale Myelomforschung am Uniklinikum Würzburg (UKW), kombinierte in ihrer in der Fachzeitschrift HemaSpere publizierten Studie die diagnostischen Methoden FISH und SKY92 und analysierte, wie effektiv diese Kombination im klinischen Alltag ist, um Patientinnen und Patienten mit hohem Risiko zu identifizieren. Dazu untersuchten sie das Knochenmark von 258 Patientinnen und Patienten mit Multiplem Myelom, davon 109 mit neu diagnostiziertem Multiplem Myelom (NDMM) und 149 mit rezidiviertem/refraktärem Multiplem Myelom (RRMM). 

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Kombination von FISH und SKY92 eine genauere Risikoeinschätzung ermöglicht. SKY92 hilft bei der Identifizierung von Hochrisikoerkrankungen, die mit FISH nicht erkannt werden, sowie bei der Identifizierung von Patienten mit Ultra-Hochrisiko-Merkmalen“, sagt Dr. Xiang Zhou, Assistenzarzt an der Medizinischen Klinik II des UKW unter der Leitung von Prof. Dr. Hermann Einsele und Erstautor der Studie. 

„Unsere Erkenntnisse könnten in Zukunft dazu beitragen, die Behandlung besser auf das individuelle Risiko abzustimmen“, ergänzt Martin Kortüm. „Wenn wir ein erhöhtes Risiko frühzeitig kennen, könnten wir zum Beispiel aggressivere Therapien früher einsetzen oder neue Behandlungsansätze in Studien testen.“

Das Myelomzentrum am UKW ist eines der europaweit führenden Zentren für die Behandlung des Multiplen Myeloms und derzeit der einzige Anbieter des innovativen SKY92-Tests in Deutschland. „Die Anwendung ist allerdings noch experimentell“, erklärt Martin Kortüm. „Wir planen aber weitere Schritte, um unseren Patientinnen und Patienten diesen Test auch in der Regelversorgung anbieten zu können.“

www.ukw.de/myelomzentrum

Text: KL / Wissenschaftskommunikation

Publikation: 
Xiang Zhou, Annika Hofmann, Benedict Engel, Cornelia Vogt, Silvia Nerreter, Yoko Tamamushi, Friederike Schmitt, Maria Leberzammer, Emilia Stanojkovska, Marietta Truger, Xianghui Xiao, Christine Riedhammer, Maximilian J Steinhardt, Mara John, Julia Mersi, Seungbin Han, Umair Munawar, Johannes M Waldschmidt, Claudia Haferlach, Hermann Einsele, Leo Rasche, K Martin Kortüm. Combining SKY92 gene expression profiling and FISH (according to R2-ISS) defines ultra-high-risk Multiple Myeloma. Hemasphere. 2025 Jan 23;9(1):e70078. doi: 10.1002/hem3.70078. PMID: 39850647; PMCID: PMC11754766.
 

Die vier Mediziner in weißen Kitteln nebeneinander im Büro von Hermann Einsele.
Vertreter des Studienteams im Würzburger Myelomzentrum v.l.n.r.: Hermann Einsele, Martin Kortüm, Leo Rasche und Erstautor Xiang Zhou. © Kirstin Linkamp / UKW

3D-Modell zur Untersuchung von Glioblastomen

RESISTENZEN DES HIRNTUMORS GEGEN CHEMOTHERAPIEN BESSER VERSTEHEN

Mit der Etablierung eines 3D-Zellkulturmodells, das die natürliche Umgebung des Hirntumors und die Wechselwirkungen zwischen den Zellen realistisch nachbildet, lieferte Prof. Dr. Carmen Villmann mit ihrer Arbeitsgruppe in der Klinischen Neurobiologie sowie Partnerinnen und Partnern der Universitätsmedizin Würzburg und des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereichs SFB TRR 225 „Von den Grundlagen der Biofabrikation zu funktionalen Gewebemodellen“ einen wichtigen Baustein in der translationalen Forschung, um die Mechanismen des Tumorwachstums und seiner Eindämmung besser zu verstehen.

 

Andrade Mier hält einen Träger mit den Gerüsten hoch, die Forschenden im Kittel sind unscharf im Hintergrund zu sehen.
Mateo S. Andrade Mier und Carmen Villmann betrachten die Gerüste aus Mikrofasern, die den ultraweichen Biotinten und lebenden Zellen Struktur geben. © Daniel Peter / UKW
Carmen Villmann und Mateo Andrade Mier sitzen vor einem Mikroskop, Carmen Villmann gestikuliert mit Händen.
Mateo S. Andrade Mier ist Doktorand in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Carmen Villmann am Institut für Klinische Neurobiologie am Uniklinikum Würzburg. © Daniel Peter / UKW
Hinterköpfe von Carmen Villmann und Mateo Andrade Mier sind vor einem PC-Monitor zu sehen, der eine mikroskopische Aufnahme der eingefärbten Zell-Zell-Kontakte zeigt.
Carmen Villmann und Mateo S. Andrade Mier analysieren nach 3D Rekonstruktion die Zell-Zell-Kontakte der Tumorzellen mit den umgebenden Neuronen. © Daniel Peter / UKW
Collage aus drei Bildern - oben groß das Gerüst, unten der Vergleich mit einem 1 Cent-Geldstück, rechts eine mikroskopische Aufnahme.
Darstellung der Dimensionen des 3D-Modells. Die Mikrofasergerüste sind im Durchmesser kleiner als eine 1-Cent-Münze. In diesen Gerüsten wachsen die Tumoren im Hydrogel zusammen mit Neuronen und Astrozyten. Der Blick ins Mikroskop verrät die tatsächlichen Interaktionen der Zelltypen (gelb: Neuronen, pink: Tumorzellen). © Carmen Villmann und Daniel Peter / UKW

Würzburg. Das Glioblastom ist der aggressivste bösartige Hirntumor bei Erwachsenen und eine der herausforderndsten Krebserkrankungen der Neurologie und Neurochirurgie. Denn Glioblastome wachsen schnell und infiltrieren das umliegende Hirngewebe, was eine vollständige chirurgische Entfernung nahezu unmöglich macht. Zudem sind diese Tumoren sehr resistent gegen Therapeutika. Glioblastome sind bisher nicht heilbar. Die mittlere Überlebenszeit nach Diagnosestellung beträgt etwa 18 Monate.

Um zu verstehen, warum beispielsweise Chemotherapeutika nicht wirken und wie diese Resistenzen überwunden werden können, entwickelte die Klinische Neurobiologie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) ein translationales 3D-Zellkultursystem, an dem die Interaktionen von Hirntumorzellen (Glioblastom) mit gesunden Gehirnzellen untersucht werden können. Das 3D-Modell basiert auf Neuronen (Nervenzellen), Astrozyten (spezialisierte Gliazellen des zentralen Nervensystems) und Tumorzellen der Maus.

Mechanismen des Tumorwachstums und dessen Eindämmung besser verstehen

„Wir konnten zeigen, dass dieses Glioblastom-Modell die Mikroumgebung des Tumors und die Zell-Zell-Interaktionen, wie wir sie von in vivo Xenograft-Modellen kennen, sehr gut simuliert. Das heißt, unser 3D-Modell bildet die natürliche Umgebung und die Wechselwirkungen zwischen den Zellen realistisch ab, ähnlich wie bei Experimenten mit lebenden Organismen. Mit dem Modell können wir Chemotherapeutika und deren Wirkmechanismus auf das Tumorwachstum untersuchen und manipulieren“, erklärt Mateo S. Andrade Mier. Der Doktorand veröffentlichte sein Forschungsprojekt jetzt als Erstautor in der Fachzeitschrift Advanced Functional Materials.

Prof. Dr. Carmen Villmann, Arbeitsgruppenleiterin am Institut für Klinische Neurobiologie, erläutert die Relevanz: „Mit der Etablierung eines 3D-Zellkulturmodells, das ähnliche Eigenschaften wie die in vivo Situation aufweist, haben wir einen wichtigen Baustein für die translationale Forschung geliefert, um die Mechanismen des Tumorwachstums und dessen Eindämmung besser zu verstehen.“

Spezielle Gerüste aus Mikrofasern wurden mit verschiedenen Zelltypen besiedelt

Auch wenn 3D hier einfach klingt, war das Druckverfahren aufgrund der Ultraweichheit des natürlichen Hirngewebes eine Herausforderung für sich, so Carmen Villmann. Denn derartige ultraweiche Biotinten oder Hydrogele würden sich wie Wasser an der Oberfläche ausbreiten und ließen sich nur schwer formen (siehe Info-Kasten). Um dieses Problem zu lösen, verwendete das interdisziplinäre Team zur Verstärkung des Modells spezielle Gerüste aus Mikrofasern, die mittels Biofabrikation in verschiedenen Formen gedruckt werden können und biokompatibel sind. Die Gerüste wurden mit verschiedenen Zelltypen besiedelt, was Langzeitstudien über mehrere Wochen ermöglichte.

In einem nächsten Schritt soll das 3D-Modell des Glioblastoms in ein rein humanes Modell unter Verwendung von induzierten pluripotenten Stammzellen, humanen Astrozyten, Mikrogliazellen und humanen Glioblastomzellen überführt werden. Dieses Modell kann dann verwendet werden, um die Resistenz dieser Tumoren gegenüber Therapeutika weiter zu untersuchen.

Sonderforschungsbereich SFB TRR 225: Von den Grundlagen der Biofabrikation zu funktionalen Gewebemodellen

Das Projekt ist Teil des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereichs SFB TRR 225 „Von den Grundlagen der Biofabrikation zu funktionalen Gewebemodellen“, in dem Teams aus der Universitätsmedizin in Würzburg, Erlangen und Bayreuth Material-, Grundlagen- und klinische Wissenschaften zusammenführen. Ziel ist es, eigene Hydrogele zu entwickeln und zu charakterisieren sowie mit neuen Methoden Gewebemodelle zu etablieren, die für translationale Ansätze genutzt werden können. Für das 3D-System erstellten PD Dr. Jörg Tessmar und seine Arbeitsgruppe vom Würzburger Lehrstuhl für Funktionswerkstoffe der Medizin und der Zahnheilkunde (FMZ) das Hydrogel, welche auf Hyaluronsäure basiert, einer wesentlichen Komponente der extrazellulären Matrix im Gehirn. Die Physikerin Prof. Dr. Katrin Heinze und ihr Team vom Rudolf-Virchow-Zentrum (RVZ) trugen mit ihren exzellenten bildgebenden Möglichkeiten wesentlich zur Charakterisierung der Zell-Matrix und Zell-Zell-Interaktionen bei. Prof. Dr. Silvia Budday von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) übernahm zusammen mit Dr. Gregor Lang vom FMZ die wesentlichen Untersuchungen auf der Seite der Biomaterialien und der Biofabrikation.

Was ist 3D-Bioprinting
3D-Bioprinting ist eine innovative Technologie, bei der lebende Zellen mit Hilfe spezieller Biotinten und Hydrogele in präzise Gewebestrukturen gedruckt werden. So bieten Hydrogele mit ihren wasserreichen Polymeren eine ideale biochemische Umgebung, die das Zellwachstum fördert. Biotinten sind eine Mischung aus lebenden Zellen und Hydrogel-Materialien. Sie müssen flüssig genug sein, um durch die Druckdüse zu fließen, aber nach dem Druck stabil bleiben. In der medizinischen Forschung wird 3D-Bioprinting eingesetzt, um realistische Modelle menschlicher Gewebe und Organe für Medikamententests, Krankheitsstudien und regenerative Therapien herzustellen. Insbesondere in der Krebsforschung ermöglicht 3D-Bioprinting die Nachbildung der Tumormikroumgebung, um personalisierte Therapieansätze zu entwickeln. Die Technologie bietet eine vielversprechende Alternative zu Tierversuchen und klassischen Zellkulturen, da sie biologisch relevantere Ergebnisse liefert.

Publikation
Mateo S. Andrade Mier, Esra Türker, Jessica Faber, Mike Friedrich, Zan Lamberger, Jeannette Weigelt, Panthipa Suwannakot, Benedikt Gantert, Abhinav Singh, Vanessa Moessler, Annemarie Sodmann, Nicoletta Murenu, Joachim Schenk, Natascha Schaefer, Torsten Blunk, Aldo R. Boccaccini, Tessa C. Lühmann, Jörg Tessmar, Jeremy M. Crook, Eva Tomaskovic-Crook, Paul D. Dalton, Gregor Lang, Robert Blum, Reiner Strick, Silvia Budday, Katrin G. Heinze, Carmen Villmann. 3D In Vitro Glioma-Neuron-Astrocyte Biomimetic Composites Recapitulate Key Molecular Mechanisms Linked to Glioblastoma Multiforme Pathophysiology. Advanced Functional Materials. First published: 23 January 2025, doi.org/10.1002/adfm.202419211

Text: KL / Wissenschaftsredaktion
 

Andrade Mier hält einen Träger mit den Gerüsten hoch, die Forschenden im Kittel sind unscharf im Hintergrund zu sehen.
Mateo S. Andrade Mier und Carmen Villmann betrachten die Gerüste aus Mikrofasern, die den ultraweichen Biotinten und lebenden Zellen Struktur geben. © Daniel Peter / UKW
Carmen Villmann und Mateo Andrade Mier sitzen vor einem Mikroskop, Carmen Villmann gestikuliert mit Händen.
Mateo S. Andrade Mier ist Doktorand in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Carmen Villmann am Institut für Klinische Neurobiologie am Uniklinikum Würzburg. © Daniel Peter / UKW
Hinterköpfe von Carmen Villmann und Mateo Andrade Mier sind vor einem PC-Monitor zu sehen, der eine mikroskopische Aufnahme der eingefärbten Zell-Zell-Kontakte zeigt.
Carmen Villmann und Mateo S. Andrade Mier analysieren nach 3D Rekonstruktion die Zell-Zell-Kontakte der Tumorzellen mit den umgebenden Neuronen. © Daniel Peter / UKW
Collage aus drei Bildern - oben groß das Gerüst, unten der Vergleich mit einem 1 Cent-Geldstück, rechts eine mikroskopische Aufnahme.
Darstellung der Dimensionen des 3D-Modells. Die Mikrofasergerüste sind im Durchmesser kleiner als eine 1-Cent-Münze. In diesen Gerüsten wachsen die Tumoren im Hydrogel zusammen mit Neuronen und Astrozyten. Der Blick ins Mikroskop verrät die tatsächlichen Interaktionen der Zelltypen (gelb: Neuronen, pink: Tumorzellen). © Carmen Villmann und Daniel Peter / UKW

11.600 Euro aus der Gaming-Szene

Die gemeinnützigen Initiativen Letsplay4Charity und „Gaming gegen Krebs“ überreichten von ihnen zusammengetragene Spenden an den Würzburger Verein „Hilfe im Kampf gegen Krebs“. Dieser nutzt das Geld, um zwei wichtige Projekte am Uniklinikum Würzburg weiter voranzubringen.

Bei der Spendenübergabe am Uniklinikum Würzburg (von links): Marco Saeed (Gaming gegen Krebs), Gabriele Nelkenstock (Hilfe im Kampf gegen Krebs e.V.), Dennis Henson (Letsplay4Charity e.V.) und Prof. Dr. Martin Kortüm (UKW). Bild Susanne Just / UKW
Bei der Spendenübergabe am Uniklinikum Würzburg (von links): Marco Saeed (Gaming gegen Krebs), Gabriele Nelkenstock (Hilfe im Kampf gegen Krebs e.V.), Dennis Henson (Letsplay4Charity e.V.) und Prof. Dr. Martin Kortüm (UKW). Bild Susanne Just / Uniklinik Würzburg

Würzburg. Am 26. Februar dieses Jahres waren Dennis Henson, Vorsitzender des Vereins Letsplay4Charity, und Marco Saeed, Initiator der Community „Gaming gegen Krebs“, zu Gast am Uniklinikum Würzburg (UKW). Mit dabei hatten sie symbolische Spendenschecks über 10.000 Euro beziehungsweise 1.600 Euro, die sie an Gabriele Nelkenstock von „Hilfe im Kampf gegen Krebs e.V. überreichten. Die Vereinsvorsitzende bedankte sich herzlich und nannte auch gleich die Versorgungsangebote, die mit dem Geld unterstützt werden sollen: „Die 10.000 Euro nehmen wir für die Finanzierung und den Unterhalt unserer Angehörigenwohnungen, während die 1.600 Euro in das Projekt Kleeblatt fließen werden.“ 

Für Angehörigenwohnungen und die Beratung von Familien

Das Wohnungsangebot richtet sich vornehmlich an am UKW längerfristig behandelte Krebserkrankte und deren Angehörige, die aus größerer Entfernung nach Würzburg zur Therapie kommen. Jüngst wurde dieser Service um ein hochattraktives Appartement im Exerzitienhaus Himmelspforten in Würzburg erweitert. „Gerade bei längeren Krankenhausaufenthalten, wie sie bei manchen Krebstherapien leider erforderlich sind, kann die Begleitung von Angehörigen spürbar zum seelischen Wohlbefinden und zur Genesung beitragen. Wenn die Wohnung dann auch noch so ruhig und naturnah ist, wie das neue Appartement im ehemaligen Kloster, haben die Patientinnen und Patienten beste Voraussetzungen, um gemeinsam mit ihren Lieben neue Kraft zu schöpfen“, erläuterte Prof. Dr. Martin Kortüm, Oberarzt an der Medizinischen Klinik II des UKW, bei der Spendenübergabe.

Das Projekt Kleeblatt wiederum ist ein psychoonkologisches Beratungsangebot des UKW, das sich an Familien richtet, bei denen ein Elternteil an Krebs erkrankt ist. Die Idee dahinter: Durch eine gezielte Begleitung können Eltern besser mit der Krankheit umgehen, was langfristig die mentale Gesundheit der Kinder positiv beeinflusst.

Wie kam das Spendengeld zusammen? Letsplay4Charity e. V. war im vergangenen Jahr zum wiederholten Male offizieller Charity-Partner des Salzburger Gaming- und eSports-Festivals Level up. Die Spenden wurden dort über verschiedene Twitch-Kanäle sowie direkt vor Ort gesammelt. „Gaming gegen Krebs“ veranstaltete im November 2024 ein einmonatiges Charity-Event, bei dem über die anerkannte Spendenseite Betterplace.org gespendet werden konnte. 

 

Wer die Arbeit des Vereins „Hilfe im Kampf gegen Krebs“ unterstützen möchte, kann dies tun unter Spendenkonto:
Hilfe im Kampf gegen Krebs e.V.
Castell Bank Würzburg
IBAN: DE74 7903 0001 0000 0092 45
www.kampfgegenkrebs.de

Text: Pressestelle / UKW

Bei der Spendenübergabe am Uniklinikum Würzburg (von links): Marco Saeed (Gaming gegen Krebs), Gabriele Nelkenstock (Hilfe im Kampf gegen Krebs e.V.), Dennis Henson (Letsplay4Charity e.V.) und Prof. Dr. Martin Kortüm (UKW). Bild Susanne Just / UKW
Bei der Spendenübergabe am Uniklinikum Würzburg (von links): Marco Saeed (Gaming gegen Krebs), Gabriele Nelkenstock (Hilfe im Kampf gegen Krebs e.V.), Dennis Henson (Letsplay4Charity e.V.) und Prof. Dr. Martin Kortüm (UKW). Bild Susanne Just / Uniklinik Würzburg

Eisenmangel und Blutarmut: Ein Teufelskreis fürs Herz

Eine im European Heart Journal veröffentlichte gemeinsame Studie des Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz am Universitätsklinikum Würzburg und der Atherothrombosis Research Unit des Mount Sinai Hospitals in New York zeigt, dass bei Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz eine gestörte Struktur und Funktion des Herzmuskels, Blutarmut (Anämie) und eine verminderte körperliche Leistungsfähigkeit eng mit Eisenmangel verknüpft sind. Anämie erwies sich als Marker für eine signifikante Verringerung des Eisengehaltes in den Herzmuskelzellen. Die Studie legt nahe, dass dem sympathischen Nervensystem eine Schlüsselrolle bei der Regulation des Gleichgewichts zwischen zellulärem und zirkulierendem Eisen zukommt und dass viele günstige therapeutische Effekte von SGLT2-Hemmern wie Empagliflozin wesentlich auf ihre sympatholytische Wirkung zurückzuführen sind.

Forschende stehen in einem Büro vor einem Regal mit Bechern in der Hand.
Bild von links nach rechts: Juan J Badimon, Georg Ertl, Christiane Angermann, Carlos G Santos-Gallego, Juan Antonio Requena-Ibanez. © privat
Bild vom mehrstöckigen modernen Gebäude des Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz
Das Uniklinikum Würzburg mit dem Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz und der Medizinischen Klinik und Poliklinik I war wesentlich beteiligt an den Studien zum Sodium-Glukose-Transporter 2 (SGLT-2)-Hemmer bei Herzinsuffizienz, zur Wirkung der Gliflozine auf den Eisenstoffwechsel und aktuell zu den Effekten auf das sympathische Nervensystem. © Daniel Oppelt / UKW

Würzburg. Herzinsuffizienz ist eine Systemerkrankung. Sie geht mit zahlreichen Symptomen und Begleiterkrankungen wie Muskelschwäche und Blutarmut (Anämie) einher. Eine gemeinsame Studie des Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz Würzburg (DZHI) und der Atherothrombosis Research Unit des Mount Sinai Hospitals in New York zeigte nun, dass eine Anämie bei Herzinsuffizienz* ein Marker für einen gestörten Eisenstoffwechsel sein kann. Dabei kann nicht mehr genügend Eisen in Gewebe wie das blutbildende System, die Skelettmuskulatur oder den Herzmuskel aufgenommen werden. Die Forschenden um Prof. Christiane Angermann und Prof. Juan J. Badimon beleuchten in ihrer im European Heart Journal veröffentlichten Untersuchung, dass dieser durch konventionelle Blutuntersuchungen nicht nachweisbare Mangelzustand der Zellen mit einer vermehrten Aktivität des sympathischen Nervensystems zusammenhängen könnte. Das sympathische Nervensystem spielt somit eine Schlüsselrolle im Krankheitsverlauf der Herzinsuffizienz. Die Studie zeigt auch, dass die komplexen Vorteile einer Therapie mit SGLT2-Inhibitoren (Gliflozinen) mit sympathikolytischen Effekten dieser Substanzklasse in Verbindung stehen könnten. Durch Verminderung der sympathischen Aktivität wird die Eisenaufnahme in verschiedene Gewebe zumindest teilweise wieder hergestellt. 

Eisen – Motor des Lebens

Eisen ist essentiell für die Bildung von Enzymen, Fetten und Proteinen sowie für viele Prozesse der Energiegewinnung, des Sauerstofftransports und der Sauerstoffspeicherung. Besonders wichtig ist Eisen für Zellen mit hoher Teilungsaktivität wie zum Beispiel blutbildende und Immunzellen und für Zellen mit hohem Energiebedarf wie Herz- und Skelettmuskelzellen. In der neuen Analyse der EMPATROPISM-FE-Studie konnte mittels Kernspintomographie signifikant weniger Eisen im Herzmuskel von Patientinnen und Patienten mit Anämie im Vergleich zu Patientinnen und Patienten ohne Anämie nachgewiesen werden. Gleichzeitig zeigte sich ein enger Zusammenhang zwischen Eisengehalt, Stresshormonspiegeln, schlechterer Pumpfunktion und maximaler körperlicher Belastbarkeit. Umgekehrt korrelierte ein höherer Eisengehalt im Herzmuskel mit mehr Hämoglobin und besserer Leistungsfähigkeit. Zusammengenommen unterstützen die Ergebnisse das Konzept, dass es ein übergreifendes Regulationsprinzip für die zelluläre Eisenaufnahme/-verfügbarkeit in verschiedenen Geweben wie Herzmuskel, Skelettmuskel und blutbildendem System gibt, das zentral über das sympathische Nervensystem gesteuert wird. 

Neues Wirkprinzip von SGLT2-Hemmern entdeckt: Empagliflozin zeigt positive Effekte auf Stresshormone, Eisenverfügbarkeit in Zellen und Herzfunktion 

In früheren klinischen Studien konnten SGLT2-Hemmer die Morbidität und Mortalität bei Herzinsuffizienz senken und die Lebensqualität verbessern. In der aktuellen Analyse der EMPATROPISM-FE-Studie reduzierte eine sechsmonatige Behandlung mit Empagliflozin im Vergleich zu Placebo bei Patientinnen und Patienten mit und ohne Anämie das Stresshormon Noradrenalin im Blut, was mit einer verbesserten Eisenaufnahme in die Zellen einherging. Dabei nahmen Herzfunktion, Blutbildung und körperliche Belastbarkeit zu, während sich das im Blut messbare zirkulierende Eisen drastisch verminderte. Die enge Beziehung zwischen Eisen im Herzmuskel und Noradrenalin im Blut deutet darauf hin, dass therapeutische Effekte auf Wechselwirkungen zwischen dem sympathischen Nervensystem und SGLT2-Regulierung viele der günstigen Wirkungen von SGLT2-Hemmer erklären könnten. 

„Unsere Analyse legt nahe, dass Sympathikolyse ein zentraler Wirkmechanismus von SGLT2-Hemmern ist“, sagt Prof. Dr. Christiane Angermann, Seniorprofessorin am DZHI und Leiterin der Studie. „Diese neuen Ergebnisse liefern gute Argumente dafür, SGLT2-Hemmer und Eisenersatztherapie bei Patienten mit Herzinsuffizienz und möglichem Eisenmangel zu kombinieren, unabhängig vom Bestehen einer Anämie, um damit den therapeutischen Gewinn zu optimieren.“ 

Die grundsätzliche Bedeutung der Studie unterstreicht auch das Editorial von Samira Lakhal-Littleton im European Heart Journal mit dem Titel „Anaemia, neurohormonal activation, and myocardial iron depletion in heart failure: can this vicious circle be broken?“

*definiert als ein Hämoglobinwert von < 13 [12] g% bei Männern [Frauen]

Publikationen
Christiane E Angermann, Susanne Sehner, Louisa M S Gerhardt, Carlos G Santos-Gallego, Juan Antonio Requena-Ibanez, Tanja Zeller, Christoph Maack, Javier Sanz, Stefan Frantz, Georg Ertl, Juan J Badimon, Anaemia predicts iron homoeostasis dysregulation and modulates the response to empagliflozin in heart failure with reduced ejection fraction: the EMPATROPISM-FE trial, European Heart Journal, 2025; ehae917, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehae917
Samira Lakhal-Littleton, Anaemia, neurohormonal activation, and myocardial iron depletion in heart failure: can this vicious circle be broken?, European Heart Journal, 2025; ehae798, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehae798
 

Forschende stehen in einem Büro vor einem Regal mit Bechern in der Hand.
Bild von links nach rechts: Juan J Badimon, Georg Ertl, Christiane Angermann, Carlos G Santos-Gallego, Juan Antonio Requena-Ibanez. © privat
Bild vom mehrstöckigen modernen Gebäude des Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz
Das Uniklinikum Würzburg mit dem Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz und der Medizinischen Klinik und Poliklinik I war wesentlich beteiligt an den Studien zum Sodium-Glukose-Transporter 2 (SGLT-2)-Hemmer bei Herzinsuffizienz, zur Wirkung der Gliflozine auf den Eisenstoffwechsel und aktuell zu den Effekten auf das sympathische Nervensystem. © Daniel Oppelt / UKW

Kinder und Jugendliche mit Seltenen Erkrankungen besser versorgen

Die neue Versorgungsform „B(e) NAMSE“ soll die Versorgungssituation von jungen Menschen mit Seltenen Erkrankungen optimieren. Erprobt wird sie unter anderem am Uniklinikum Würzburg.

Beim Kick-Off-Treffen von „B(e) NAMSE“ kamen Vertreterinnen und Vertreter aller Projektpartner in Bochum zusammen
Beim Kick-Off-Treffen von „B(e) NAMSE“ kamen Vertreterinnen und Vertreter aller Projektpartner in Bochum zusammen – unter ihnen auch Prof. Dr. Helge Hebestreit (Zweiter von links), Paula Wessels (Dritte von links) und Lisa Pfister (Fünfte von links) vom Würzburger Zentrum für Seltene Erkrankungen. © Martin Munteanu

Würzburg. In Deutschland sind rund vier Millionen Menschen von einer Seltenen Erkrankung betroffen. Obwohl der Anteil von Kindern und Jugendlichen in dieser Gruppe stetig zunimmt, ist die Versorgungssituation der jungen Menschen oft unzureichend. Abhilfe soll hier die neue Versorgungsform „B(e) NAMSE – Telemedizinunterstützte, interdisziplinäre, multiprofessionelle und altersübergreifende Versorgung von jungen Menschen mit Seltenen Erkrankungen durch NAMSE-B-Zentrums-Cluster“ schaffen. An der Erprobung des neuen Konzepts beteiligt sind die Uniklinika in Augsburg, Bochum, Dresden, Witten/Herdecke und Würzburg. Der Innovationsausschuss des Gemeinsamen Bundesausschusses fördert das Vorhaben über 3,5 Jahre mit rund neun Millionen Euro. Von diesen Mitteln gehen mehr als eine Million Euro ans Uniklinikum Würzburg (UKW).

Die Ausgangslage

Die mehr als 6.000 bekannten Seltenen Erkrankungen sind häufig wenig erforscht und spezifische Behandlungsmöglichkeiten fehlen. Für betroffene Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene stellen sich besondere Fragen bei Behandlung und Versorgung wie auch beim Blick in die Zukunft. Zudem gibt es viele unterschiedliche Behandelnde, Einrichtungen, Ansprechpersonen und Anlaufstellen, die möglichst optimal koordiniert sein müssen.

Prozesse besser verzahnen

Das Projekt „B(e) NAMSE“ will die Versorgungsqualität durch eine engere Verzahnung von Prozessen spür- und messbar steigern. „Die Betreuung der Betroffenen und ihrer Familien ist anspruchsvoll und muss viele Aspekte berücksichtigen. Wir freuen uns, dass wir hier die Weiterentwicklung der Versorgung mitgestalten können“, kommentiert Prof. Dr. Helge Hebestreit, der Leiter des Zentrums für Seltene Erkrankungen (ZESE) am UKW. 

Die neuen Ansätze werden wissenschaftlich begleitet: Die Universität Witten/Herdecke und das gemeinnützige Forschungsunternehmen PedScience aus Datteln untersuchen, ob sich die Qualität der Versorgung durch die neue Herangehensweise verbessert. Prüfen werden sie auch, wie die Familien und die Versorgenden die neue Versorgungsform erleben und wie viel sie kostet.
Weitere Projektpartner von „B(e) NAMSE“ sind die Techniker Krankenkasse, die Barmer, die AOK Bayern und das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Die Perspektive der Patientinnen und Patienten bringt die Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE) e.V. ein. 

Das Projekt startete mit einem zweitägigen Kick-off-Treffen Ende Januar dieses Jahres in der Universitätskinderklinik in Bochum.

Das Zentrum für Seltene Erkrankungen – Referenzzentrum Nordbayern (ZESE)

Das ZESE ist das erste zertifizierte Zentrum für Seltene Erkrankungen in Deutschland und bietet neben einer Sprechstunde für unklare Diagnosen eine hochspezialisierte Betreuung in seinen 22 krankheits(gruppen)spezifischen Typ B- bzw. Fach-Zentren für ein großes Spektrum Seltener Erkrankungen an. Das ZESE ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der Zentren für Seltene Erkrankungen, mehrere seiner Fachzentren sind an BMBF- und EU-Netzwerken einschließlich der European Reference Networks beteiligt. Jährlich werden weit mehr als 5.000 Patientinnen und Patienten aus dem In- und Ausland im ZESE und seinen angegliederten Fach-Zentren betreut.

Das ZESE arbeitet seit vielen Jahren im Rahmen verschiedener Projekte an der Verbesserung der Versorgungssituation von Menschen mit Seltenen Erkrankungen. Beispiele sind hier das erfolgreich abgeschlossene Innovationsfondprojekt ZSE-DUO und die Entwicklung des BASE-Netz, einer Portal-Software zur Kommunikation mit Patientinnen und Patienten sowie mit den betreuenden Ärztinnen und Ärzten.


Text: Pressestelle/UKW

Beim Kick-Off-Treffen von „B(e) NAMSE“ kamen Vertreterinnen und Vertreter aller Projektpartner in Bochum zusammen
Beim Kick-Off-Treffen von „B(e) NAMSE“ kamen Vertreterinnen und Vertreter aller Projektpartner in Bochum zusammen – unter ihnen auch Prof. Dr. Helge Hebestreit (Zweiter von links), Paula Wessels (Dritte von links) und Lisa Pfister (Fünfte von links) vom Würzburger Zentrum für Seltene Erkrankungen. © Martin Munteanu