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„Entscheidungsrauschen“ ist kein Messfehler

ABNAHME INKONSISTENTER ENTSCHEIDUNGEN VOM JUGEND- ZUM ERWACHSENENALTER VERMITTELT ZUNAHME KOGNITIVER KOMPETENZ

Die Arbeitsgruppe “Kognitive Neurowissenschaften in der Entwicklungspsychiatrie“ des Universitätsklinikums Würzburg stellt in der Fachzeitschrift PLOS Biology erstmals die Entwicklung verrauschter Entscheidungen der Entwicklung spezifischer kognitiver Prozesse gegenüber. Es zeigte sich, dass eine altersabhängige Zunahme spezifischer und komplexer kognitiver Prozesse nicht nur mit einer Abnahme „verrauschter“ inkonsistenter Entscheidungen einhergeht, sondern sogar von dieser Abnahme abhängt.

 

Lorenz Deserno und Vanessa Scholz vor alten Torbogen des Zentrums für Psychische Gesundheit.
Dr. Vanessa Scholz und Prof. Dr. Lorenz Deserno, Leiter der Arbeitsgruppe “Kognitive Neurowissenschaften in der Entwicklungspsychiatrie" an der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW), zeigen in ihrer neuesten Studie, dass die Zunahme der Komplexität von Prozessen und die Abnahme des Entscheidungsrauschens proportional zusammenhängen. © Kirstin Linkamp / UKW
Kinder und Jugendliche treffen oft impulsive und inkonsistente Entscheidungen, zum Beispiel bei der Auswahl einer Eissorte. Erwachsene hingegen entscheiden überlegter. Die Arbeitsgruppe “Kognitive Neurowissenschaften in der Entwicklungspsychiatrie“ des Universitätsklinikums Würzburg fand heraus, dass die Fähigkeit zu überlegtem Entscheiden im Jugendalter zunimmt und impulsive Entscheidungen abnehmen. Diese Entwicklung könnte wichtig für komplexere kognitive Prozesse sein, wie in ihrer Studie in PLOS Biology beschrieben. © UKW

Würzburg. Wer kennt sie nicht, die Qual der Wahl, zum Beispiel in der Eisdiele. Nehme ich meine Lieblingssorte oder probiere ich etwas Neues, vielleicht sogar etwas ganz Exotisches. Gerade bei Kindern und Jugendlichen ist dieses so genannte Entscheidungsrauschen besonders groß. Bei einer Fehlentscheidung oder einem „Igitt!“ reagieren die Eltern meist mit „Das war doch klar. Das hätte ich dir gleich sagen können.“ Eben weil Erwachsene in der Regel überlegter und vorausschauender entscheiden.

Altersabhängige Abnahme inkonsistenter Entscheidungen könnte Voraussetzung für Entwicklung komplexer kognitiver Prozesse sein

Prof. Dr. Lorenz Deserno, Leiter der Arbeitsgruppe “Kognitive Neurowissenschaften in der Entwicklungspsychiatrie" an der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW), bezeichnet diese verrauschten Entscheidungen auch als explorative oder inkonsistente Entscheidungen. Sie nehmen im Übergang vom Jugend- zum Erwachsenenalter kontinuierlich ab, während spezifische und komplexe kognitive Prozesse zunehmen. Neueste Forschungsergebnisse seiner Arbeitsgruppe, die jetzt in der Fachzeitschrift PLOS Biology veröffentlicht wurden, legen sogar nahe, dass die altersabhängige Abnahme inkonsistenter Entscheidungen eine Voraussetzung für die Entwicklung komplexer kognitiver Prozesse sein könnte. 

„Bisherige Studien haben inkonsistente Entscheidungen oft ignoriert und als Messfehler abgetan. Wir haben uns aber die Rauschkomponenten, die sich aus fast allen Verhaltensexperimenten extrahieren lassen, genauer angeschaut“, berichtet Lorenz Deserno. Dazu hat seine Mitarbeiterin Dr. Vanessa Scholz die Daten von 93 Männern und Frauen im Alter von 12 bis 42 Jahren ausgewertet, die am Computer drei verschiedene Aufgaben lösen mussten: spielerische Aufgaben, die die Annäherung an Belohnung und Bestrafung testen sowie Aufgaben zum Umlernen von Entscheidungen und zur Planung von Entscheidungen. „In solchen Experimenten sehen wir, wie die Studienteilnehmenden aufeinander folgende Entscheidungen planen, wie schnell sie sich anpassen, wenn sich der Zusammenhang zwischen Entscheidung und Ereignis plötzlich ändert, und wie die Entscheidungen von positiven und negativen Ereignissen abhängen“, schildert Vanessa Scholz.

„Computational Psychiatry“

Bevor die Psychologin vor vier Jahren nach Würzburg in die Arbeitsgruppe von Lorenz Deserno kam, arbeitete sie als Postdoktorandin in den Niederlanden im Bereich der Verhaltensmodellierung. Dabei geht es darum, menschliches Verhalten und kognitive Prozesse mit Hilfe von mathematischen Modellen und Computersimulationen zu verstehen. Bei der Verhaltensmodellierung ist nicht allein das konkrete Ergebnis ausschlaggebend, also welche Entscheidung getroffen wurde, sondern wie es zu dieser Entscheidung gekommen ist, was psychologisch und biologisch passiert ist, dass ich mich zwischen A und B entschieden habe. „Jedes Modell bildet verschiedene Prozesse ab und stellt eine Hypothese dar. So baue ich aus ganz einfachen Modellen immer komplexere Modelle“, erklärt Vanessa Scholz. Und das sei in der Entwicklungspsychiatrie besonders spannend. „Denn mit den Modellen können wir in unserem Fall ganz konkret verschiedene Entscheidungswege vergleichen und zum Beispiel reflektierte von verrauschten Prozessen trennen.“

„Computational Psychiatry“ ist das Stichwort. Dieser Forschungsansatz, bei dem Methoden der theoretischen Computational Neuroscience direkt mit der Psychiatrie verknüpft werden, ist in der Kinder- und Jugendpsychiatrie relativ neu. Weltweit gibt es nur vereinzelte Arbeitsgruppen, die diesen Forschungsansatz in der Entwicklungspsychiatrie anwenden. „Hier hat Würzburg fast ein Alleinstellungsmerkmal“, betont Lorenz Deserno. Der Mediziner hat sich bereits in London intensiv mit Computational Psychiatry beschäftigt, bevor er nach Würzburg ans Zentrum für Psychische Gesundheit kam.

Das Inkonsistente war bei allen drei Experimenten konsistent

Vanessa Scholz erklärt, was ihre aktuellen Modellierungen ergeben haben: „Das Niveau des Rauschens pro Individuum war über die drei Experimente sehr konsistent. Das zeigt uns, dass das Rauschen keine gezielte Exploration ist, sondern hier noch eine kontextunabhängige Eigenschaft. Diese Eigenschaft sollte im Laufe der Entwicklung abnehmen, weil man ja eigentlich kontextadaptiveres Verhalten erlernen will.“ So können die meisten Erwachsene besser vorausdenken, planen und sich anpassen als Jugendliche, weil ihre kognitiven Fähigkeiten in der Regel ausgereifter sind.

Welche klinische Relevanz hat das Rauschen?

In allen Experimenten beobachteten die Forschenden eine altersabhängige Zunahme der komplexen kognitiven Prozesse. Der stärkere Effekt war jedoch die Abnahme des Entscheidungsrauschens. Völlig neu an dieser Arbeit ist, dass die Forschenden diese beiden Stränge zusammengeführt haben und zeigen konnten, dass sie proportional zusammenhängen: Die Zunahme der Komplexität von Prozessen scheint von der Abnahme des Entscheidungsrauschens abhängig zu sein. Das Entscheidungsrauschen hätte also eine Bedeutung für die altersabhängige Entwicklung. Lorenz Deserno folgert daraus: „Inkonsistente Entscheidungen könnten der Erkundung oder dem Ausprobieren neuer Verhaltensweisen und Kontexte dienen und damit eine gesunde Entwicklung spezifischer und komplexer kognitiver Prozesse ermöglichen. Wenn Entscheidungen jedoch zu oft inkonsistent bleiben, kann dies die Entwicklung komplexer kognitiver Prozesse und des Gehirns negativ beeinflussen.

Kognitive Kompetenz bei ADHS stärken oder Rauschen reduzieren?

Das könnte zum Beispiel für Menschen mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, kurz ADHS, relevant sein. So untersucht das Team derzeit, ob inkonsistente Entscheidungen bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS eine zentrale Rolle bei der Erkrankung spielen und möglicherweise ein Ansatzpunkt für verbesserte Therapien sein könnten. Ist die etwas reduzierte kognitive Leistung von Kindern mit ADHS eine Folge des Rauschens, oder ist das für Kinder mit ADHS typische sprunghafte eine Folge der reduzierten kognitiven Leistung? Sollte die kognitive Leistung des Kindes gestärkt oder das Rauschen reduziert werden, damit das Kind kognitiv stärker werden kann?

Generell wirft der Entscheidungsprozess, der eine Systemeigenschaft zu sein scheint, viele weitere Fragen auf. Zum Beispiel wäre es interessant, im Längsschnitt zu beobachten, wie schnell und wann genau das Rauschen abnimmt. Sind Menschen, bei denen das Rauschen schneller abnimmt, gesünder als andere oder umgekehrt? Was ist bei Erwachsenen noch Rauschen, was gezielte Exploration oder einfach Neugier, nach dem Motto: „Ich probiere heute ganz bewusst das Knoblaucheis mit Knallzucker“.


Publikation:

Vanessa Scholz, Maria Waltmann, Nadine Herzog, Annette Horstmann, Lorenz Deserno (2024) Decrease in decision noise from adolescence into adulthood mediates an increase in more sophisticated choice behaviors and performance gain. PLoS Biol 22(11): e3002877. https://doi.org/10.1371/journal.pbio.3002877

Kooperation und Förderung: 

Die Studie wurde in Kooperation mit dem Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig durchgeführt und unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). 

Text: Kirstin Linkamp / UKW 

Lorenz Deserno und Vanessa Scholz vor alten Torbogen des Zentrums für Psychische Gesundheit.
Dr. Vanessa Scholz und Prof. Dr. Lorenz Deserno, Leiter der Arbeitsgruppe “Kognitive Neurowissenschaften in der Entwicklungspsychiatrie" an der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW), zeigen in ihrer neuesten Studie, dass die Zunahme der Komplexität von Prozessen und die Abnahme des Entscheidungsrauschens proportional zusammenhängen. © Kirstin Linkamp / UKW
Kinder und Jugendliche treffen oft impulsive und inkonsistente Entscheidungen, zum Beispiel bei der Auswahl einer Eissorte. Erwachsene hingegen entscheiden überlegter. Die Arbeitsgruppe “Kognitive Neurowissenschaften in der Entwicklungspsychiatrie“ des Universitätsklinikums Würzburg fand heraus, dass die Fähigkeit zu überlegtem Entscheiden im Jugendalter zunimmt und impulsive Entscheidungen abnehmen. Diese Entwicklung könnte wichtig für komplexere kognitive Prozesse sein, wie in ihrer Studie in PLOS Biology beschrieben. © UKW

Klinische Genetik wird ausgebaut: Prof. Dr. Anke K. Bergmann neu an der Universitätsmedizin Würzburg

UKW wird Teil des bundesweiten Modellvorhabens zur Genomsequenzierung

Neu an der Universitätsmedizin Würzburg: Prof. Dr. Anke K. Bergmann.
Neu an der Universitätsmedizin Würzburg: Prof. Dr. Anke K. Bergmann. Foto: UKW / Anke K. Bergmann (privat)

Würzburg. Die Universitätsmedizin Würzburg stärkt die Genommedizin mit Professorin Anke Katharina Bergmann. Sie wurde auf die Professur für Klinische Genetik und Genommedizin an die Medizinische Fakultät berufen. Ihre Tätigkeit in Würzburg hat sie im September 2024 aufgenommen.

In der Krankenversorgung ist sie u.a. an das Zentrum für Seltene Erkrankungen (ZESE) des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) angebunden. Zuvor war sie stellvertretende Direktorin des Instituts für Humangenetik der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH).

„Gemeinsam mit den anderen Fachdisziplinen möchte ich die Genommedizin noch stärker in die klinische Diagnostik, Prävention und Therapie integrieren. Durch eine genetische Diagnostik und eine klinische Interpretation der jeweiligen Erbinformationen können wir die Kolleginnen und Kollegen dabei unterstützen, Krankheitsbilder besser zu verstehen und so dazu beitragen, individuelle Therapien einzuleiten und ggf. zielgereichte Präventionsmaßnahmen für die Patienten und deren Angehörige anbieten“. Damit leiste die klinische Genetik wichtige Voraussetzungen für eine personalisierte Medizin und fördert somit die zukunftsorientierte Ausrichtung des Standorts Würzburg. 

Stärkung der personalisierten Medizin

Der Nutzen personalisierter Medizin zeige sich nicht nur bei den sogenannten „Seltenen“ Erkrankungen, sondern auch bei onkologischen Erkrankungen. Prof. Bergmann: „Speziell in der Krebsmedizin hat die Genomik stark an Bedeutung gewonnen.“ In Hannover baute sie u.a. die nationale genetische Referenzdiagnostik für die akute lymphatische Leukämie (ALL) im Kindesalter auf, der häufigsten Krebserkrankung bei Kindern. Diese Referenzdiagnostik wird nun mit Prof. Dr. Bergmann ebenfalls aus Hannover nach Würzburg wechseln. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das EU-Projekt „CAN.HEAL“, das Teil des europäischen Krebsbekämpfungsplans (EBCP) und dessen Koordination Prof. Bergmann in Hannover inne hatte.

Am UKW stärkt Prof. Bergmann zudem die Teilnahme am bundesweiten Modellvorhaben zur Genomsequenzierung, das ein Ergebnis der Nationalen Strategie für Genommedizin ist. Dabei wird das Erbgut von Patientinnen und Patienten mit Verdacht auf eine Seltene erbliche Erkrankung oder Krebserkrankung sequenziert. Dieses Modellvorhaben ist auf fünf Jahre angelegt, aktuell beteiligen sich 27 Universitätskliniken daran. Prof. Bergmann: „Dadurch wird den Patientinnen und Patientinnen eine hochinnovative Diagnostik ermöglicht, gleichzeitig werden neue Erkenntnisse gewonnen, die dann auch auf weitere Krankheitsbilder übertragen werden können, um perspektivisch die Genomsequenzierung auch in die Regelversorgung zu übertragen. Genau diese Translation auch in die Grundlagenforschung und interdisziplinäre Zusammenarbeit ist für mich eine Stärke der Würzburger Universitätsmedizin.“ Das werde auch einen direkten Einfluss auf die innovative Patientenversorgung haben, so die Genommedizinerin: „Der große Vorteil an der interdisziplinären Verzahnung liegt darin, dass wir so die Sequenzierungsdaten des Erbgutes mit weitere klinischen und diagnostischen Daten zusammenführen können. Das unterstützt die behandelnden Ärztinnen und Ärzte in den Kliniken enorm.“

„Wichtiger Bestandteil der zukünftigen Medizin“

„Mit der Berufung von Prof. Dr. Bergmann und der kommenden Etablierung des Instituts für klinische Genetik und Genommedizin am UKW werden die bestehenden Möglichkeiten der personalisierten Diagnostik und Therapie konsequent ausgebaut. Damit stärkt sie die enorme Innovationskraft am UKW. Eine Genomsequenzierung kann für betroffene Patienten eine klare Diagnose und gegebenenfalls Therapiemöglichkeit ergeben und damit die Versorgungssituation erheblich verbessern“, betont PD Dr. Tim von Oertzen, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender am UKW. Prof. Dr. Matthias Frosch, Dekan der Medizinischen Fakultät in Würzburg, erklärt: „Die klinische Genetik ist ein elementarer Bestandteil für die zukünftige Medizin. Prof. Bergmann wird dieses Fachgebiet hier in Würzburg entscheidend voranbringen. Davon profitieren auch Forschungsprojekte unterschiedlicher Fachdisziplinen. Ebenso wird das Thema mit ihrer Berufung auch in der Lehre enorm gestärkt.“

Zur Person:

Anke Katharina Bergmann war nach ihrem Medizinstudium in Berlin und Paris und ihrer Promotion an der Charité zunächst an der Harvard Universität in Boston, USA, in der Kinderheilkunde tätig. Bereits damals beschäftigte sie sich mit der genetischen Grundlage von Blutkrankheiten. Danach war sie von 2009 bis 2018 am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Kiel in der Kinderheilkunde und der Humangenetik tätig und war in dieser Zeit auch zwischenzeitlich für Forschungsaufenthalte an der Radboud University in Nijmegen, Niederlande.  

Nach ihrer Habilitation und Facharztanerkennung wechselte sie an die Medizinische Hochschule Hannover. Ab 2019 übernahm sie die Leitung des diagnostischen Labors für postnatale (molekulare) Zytogenetik und Molekulargenetik u.a. für Leukämien & Lymphome, insbesondere auch die nationale genetische Referenzdiagnostik für kindliche Blutkrebserkrankungen. Zusätzlich etablierte sie ihre Forschungsgruppe Personalisierte Genomik. Im Jahr 2020 übernahm sie die Leitung des B-Zentrums seltener syndromaler Erkrankungen des Zentrums für seltene Erkrankungen und seit 2021 war sie stellvertretende Direktorin des Instituts für Humangenetik der MHH, eines der größten humangenetischen Institute Deutschlands.
 

Neu an der Universitätsmedizin Würzburg: Prof. Dr. Anke K. Bergmann.
Neu an der Universitätsmedizin Würzburg: Prof. Dr. Anke K. Bergmann. Foto: UKW / Anke K. Bergmann (privat)

Für eine optimierte Versorgung bei Kreislaufstillstand

Bei seinem zweiten interdisziplinären Forum wandte sich das Cardiac Arrest Center des Uniklinikums Würzburg erneut an alle, die Anteil an der Behandlung von Menschen mit Herz-Kreislauf-Stillstand haben. Ziel der Informations- und Netzwerkveranstaltung war es, gemeinsam eine bestmögliche Versorgung dieser kritischen Patientinnen und Patienten sicherzustellen.

Der plötzliche Herz-Kreislauf-Stillstand (englisch Cardiac Arrest) zählt zu den häufigsten Todesursachen in den Industrieländern.
Der plötzliche Herz-Kreislauf-Stillstand (englisch Cardiac Arrest) zählt zu den häufigsten Todesursachen in den Industrieländern. Neben einer erfolgreich durchgeführten Reanimation ist für die Überlebenschancen der Betroffenen eine bestmögliche Weiterbehandlung von zentraler Bedeutung. © Daniel Peter / UKW

Würzburg. Das Uniklinikum Würzburg (UKW) ist seit dem Jahr 2019 als Cardiac Arrest Center (CAC) zertifiziert. Damit wird bestätigt, dass der größte regionale Maximalversorger in Unterfranken für die Weiterbehandlung von Patientinnen und Patienten nach einem plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand besonders spezialisiert ist. Aus dieser Rolle heraus will das Würzburger CAC die Therapie nach stattgefundenem Herz-Kreislauf-Stillstand immer weiter verbessern. Dazu gehört es, sowohl die innerklinische Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Disziplinen, als auch den Kontakt zum Rettungsdienst zu optimieren. Diese Ziele verfolgte auch das „Interdisziplinäre Forum Cardiac Arrest Center“, das am 6. November dieses Jahres zum zweiten Mal stattfand. 

Zwölf Vortragende, 200 Zuhörerinnen und Zuhörer

Rund 200 Teilnehmende aus Rettungsdienst, Ärzteschaft und Pflege kamen dabei im Hörsaal des Zentrums für Operative Medizin des UKW zusammen. Bei der etwa dreistündigen Vortragsveranstaltung breiteten elf Referentinnen und Referenten des UKW sowie ein Kollege des Rhön-Klinikums – Campus Bad Neustadt einen breiten Themenfächer aus. So schuf die Präsentation von aktuellen Fallzahlen und Qualitätsdaten zu inner- und außerklinischen Reanimationen eine wichtige Daten- und Diskussionsbasis. Anschließend beschäftigten sich Vorträge mit Fragen wie: Was können vergleichsweise neue, blutungsstillende Maßnahmen bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand bei Schwerstverletzten, also zum Beispiel nach einer massiven Gefäß- oder Organverletzung, leisten? Oder: Welche Faktoren tragen dazu bei, wie gut sich Patientinnen und Patienten von einem Kreislauf-Stillstand erholen – und wie zuverlässig lässt sich dies voraussagen? Abgerundet wurde die abendliche Informations- und Netzwerkveranstaltung durch die Vorstellung von spannenden und informativen Fällen aus der Praxis – unter anderem mit Aspekten wie telefonangeleitete Laienreanimation, gerätegestützte Reanimationsunterstützung oder auch Kriterien für den Abbruch der Reanimation.

Text: Pressestelle / UKW
 

Der plötzliche Herz-Kreislauf-Stillstand (englisch Cardiac Arrest) zählt zu den häufigsten Todesursachen in den Industrieländern.
Der plötzliche Herz-Kreislauf-Stillstand (englisch Cardiac Arrest) zählt zu den häufigsten Todesursachen in den Industrieländern. Neben einer erfolgreich durchgeführten Reanimation ist für die Überlebenschancen der Betroffenen eine bestmögliche Weiterbehandlung von zentraler Bedeutung. © Daniel Peter / UKW

Erstmals in Unterfranken: Uniklinik Würzburg eröffnet Frauenmilchbank

Angebot der Kinderklinik unterstützt bei der Versorgung von Frühgeborenen / Förderung durch Verein KIWI e.V.

Prof. Dr. Christoph Härtel, Direktor der Kinderklinik am UKW, dankte bei der Eröffnung der Frauenmilchbank am UKW allen Beteiligten der Kinderklinik.
Prof. Dr. Christoph Härtel, Direktor der Kinderklinik am UKW, dankte bei der Eröffnung der Frauenmilchbank am UKW allen Beteiligten der Kinderklinik. Foto: UKW / Stefan Dreising
Die gespendete Frauenmilch wird direkt in der Kinderklinik untersucht und dann zunächst eingefroren.
Die gespendete Frauenmilch wird direkt in der Kinderklinik untersucht und dann zunächst eingefroren. Links: Klinikdirektor Prof. Dr. Christoph Härtel, rechts Sylvia Königer, Leiterin der Säuglingsernährung in der Klinik. Foto: UKW / Stefan Dreising
Ein Team aus Ärztinnen, Pflegekräften und Stillberaterinnen der Kinderklinik haben den Start und den Betrieb der Frauenmilchbank am UKW sorgfältig vorbereitet
Ein Team aus Ärztinnen, Pflegekräften und Stillberaterinnen der Kinderklinik haben den Start und den Betrieb der Frauenmilchbank am UKW sorgfältig vorbereitet. Finanzielle Unterstützung gab es vom Verein „KIWI“. Vereinsvorsitzende Ina Schmolke (2.v.r.) und Schatzmeister Franz Balzer (3.v.r.) kamen auch zur offiziellen Eröffnung. Foto: UKW / Stefan Dreising

Würzburg. Premiere in Unterfranken: In der Kinderklinik des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) gibt es jetzt eine eigene Frauenmilchbank. Dort können Frauen ihre Muttermilch spenden, die dann nach strengen Vorgaben für die Versorgung von Frühgeborenen genutzt wird, deren Mütter nicht sofort stillen können. Es ist die erste Frauenmilchbank in der Region.

„Gerade für Frühgeborene ist Muttermilch von unschätzbarem Wert. Sie stärkt u.a. die Immunabwehr, die Organreifung und die Entwicklung des Gehirns. Bei Frühgeborenen sollte möglichst frühzeitig mit der Muttermilchernährung begonnen werden. Es kommt jedoch häufig vor, dass Mütter in der besonderen Situation nach einer Frühgeburt nicht unmittelbar ausreichend Milch haben. Natürlich können wir dann auf spezielle künstliche Nahrungen zurückgreifen, aber Muttermilch ist die erste Wahl. Daher freue ich mich sehr, dass wir unsere Erfahrungen am UKW interdisziplinär nutzen und unser Versorgungsangebot weiter ausbauen können“, erklärt Prof. Dr. Christoph Härtel, Direktor der Kinderklinik am UKW. 

Wichtig für Mutter und Kind / Höchste Versorgungsstufe 

Am UKW werden über 2.000 Neugeborene jährlich versorgt, davon bis zu 400 frühgeborene Kinder, darunter 70 bis 90 sehr kleine Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1.500 Gramm. Die Kinder werden am UKW von einem hochspezialisierten Team betreut. Aufgrund dieser Erfahrung und der entsprechenden Ausstattung ist die Kinderklinik auch als entsprechendes Zentrum der höchsten Versorgungsstufe rund um die Geburt zertifiziert („Perinatalzentrum Level 1“). Das Einzugsgebiet geht weit über Unterfranken hinaus bis in die benachbarten Bundesländer.

Eigene wissenschaftliche Untersuchungen der UKW-Kinderklinik im Rahmen von deutschlandweiten Netzwerkstudien haben wiederholt gezeigt, dass die ausschließliche Ernährung mit humaner Milch zu einer Verringerung des Risikos für Infektionen und Entzündungen bei Frühgeborenen beiträgt und sich zudem längerfristiges Stillen nach Entlassung positiv auf die Langzeitgesundheit von Mutter und Kind auswirkt.

Gespendete Milch wird direkt in der Kinderklinik aufbereitet

Die gespendete Muttermilch wird direkt in der Kinderklinik im Raum der Säuglingsernährung untersucht, pasteurisiert und tiefgefroren, bevor sie genutzt wird. „So bieten wir die höchstmögliche Sicherheit. Dabei gelten besonders strenge Qualitätsvorgaben, ähnlich wie bei einer Blutspende“, erklärt Sylvia Königer, Leiterin der Säuglingsernährung. Alle erforderlichen Vorgaben und Schritte wurden dabei von dem Team aus Ärztinnen, Pflegekräften und Stillberaterinnen vor dem Start sorgfältig ausgearbeitet und werden exakt dokumentiert.

Die Frauenmilchbank ist ein Kooperationsprojekt zwischen der Kinderklinik und der Frauenklinik des UKW. „Es ist ganz normal, dass es gerade bei einer Frühgeburt einige Tage dauern kann, bis eine Mutter Milch gewinnen kann. Wir begleiten und unterstützen die Mütter dabei intensiv“, betont Natalie Seeberger, Stillberaterin am UKW. Zudem gibt es auch seltene Situationen, in denen Mütter gar keine Milch geben können, etwa aufgrund einer schweren Erkrankung. 

Unterstützung durch finanzielle Spenden sichert Projekt

Derzeit können nur Mütter Milch spenden, deren Neugeborene am UKW stationär versorgt werden, so kann die direkt in der Klinik gespendete Milch am UKW aufbereitet und genutzt werden. Die gespendeten Milchproben werden in der Kinderklinik gesammelt. „Die Bereitschaft der Mütter ist groß, auch anderen Kindern helfen zu können. Das freut uns natürlich sehr und stärkt das Gemeinschaftsgefühl der Familien“, so Prof. Härtel. 

Wichtig sei zudem: Den Aufbau und den Betrieb der Frauenmilchbank finanziert das UKW aus eigenen Mitteln und Spenden. Eine große Hilfe leistete auch hier der Verein „KIWI“ (Interessengemeinschaft zur Förderung der Kinder der Würzburger Intensivstation e.V.), der u.a. die Anschaffung des Pasteurisiergerätes und eines Gefrierschrankes mit rund 20.000 Euro unterstützte. Auch finanzielle Einzelspenden an KIWI sind möglich, die zum Betrieb der Frauenmilchbank genutzt werden können. „Eine Mutter hatte z.B. an ihrem eigenen Geburtstag um Spenden gebeten, nachdem sie und ihr Kind hier am UKW versorgt wurden. Das ist natürlich auch eine tolle Anerkennung für das gesamte Team“, so Härtel.

Veranstaltung zum Weltfrühgeborenen-Tag am 15. November

Am Freitag, 15. November, wird es in der Kinderklinik eine feierliche offizielle Eröffnung der Frauenmilchbank mit Kurzvorträgen zum Projekt, mit Musik und geladenen Gästen geben. Am Nachmittag sind zudem alle Familien mit ihren Frühgeborenen in die Kinderklinik des UKW zum Wiedersehen und gegenseitigen Austausch eingeladen. Die Veranstaltung beginnt um 16 Uhr im Foyer der Kinderklinik. Anlass ist der offizielle „Weltfrühgeborenen-Tag“, der jedes Jahr am 17. November stattfindet. Das Motto des Treffens am UKW lautet: „Wir feiern unsere Frühchen schon früher“.

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Spendenkonto KIWI e.V.

Um die Frauenmilchbank der UKW-Kinderklinik finanziell zu unterstützen, sind Spenden an „KIWI e.V.“ willkommen.

KIWI Interessengemeinschaft zur Förderung der Kinder der Würzburger Intensivstation e.V.
Sparkasse Mainfranken
IBAN DE91 7905 0000 0000 0262 45
BIC BYLADEM1SWU
www.kiwiev.de 

Zum Verein: Die „Interessengemeinschaft zur Förderung der Kinder der Würzburger Intensivstation e.V.“ (KIWI e.V.) hat als Ziel, die kleinen Patienten, deren Eltern und das Personal der Intensivstation in jeder Hinsicht zu unterstützen. Gegründet wurde der Verein 1990. Der Verein unterstützt z.B. die Ausstattung der Klinik oder auch die Finanzierung von z.B. psychotherapeutischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und ergänzt damit die fachmedizinische Versorgung.
 

Prof. Dr. Christoph Härtel, Direktor der Kinderklinik am UKW, dankte bei der Eröffnung der Frauenmilchbank am UKW allen Beteiligten der Kinderklinik.
Prof. Dr. Christoph Härtel, Direktor der Kinderklinik am UKW, dankte bei der Eröffnung der Frauenmilchbank am UKW allen Beteiligten der Kinderklinik. Foto: UKW / Stefan Dreising
Die gespendete Frauenmilch wird direkt in der Kinderklinik untersucht und dann zunächst eingefroren.
Die gespendete Frauenmilch wird direkt in der Kinderklinik untersucht und dann zunächst eingefroren. Links: Klinikdirektor Prof. Dr. Christoph Härtel, rechts Sylvia Königer, Leiterin der Säuglingsernährung in der Klinik. Foto: UKW / Stefan Dreising
Ein Team aus Ärztinnen, Pflegekräften und Stillberaterinnen der Kinderklinik haben den Start und den Betrieb der Frauenmilchbank am UKW sorgfältig vorbereitet
Ein Team aus Ärztinnen, Pflegekräften und Stillberaterinnen der Kinderklinik haben den Start und den Betrieb der Frauenmilchbank am UKW sorgfältig vorbereitet. Finanzielle Unterstützung gab es vom Verein „KIWI“. Vereinsvorsitzende Ina Schmolke (2.v.r.) und Schatzmeister Franz Balzer (3.v.r.) kamen auch zur offiziellen Eröffnung. Foto: UKW / Stefan Dreising

CCC WERA aktiv im Verbund ONCOnnect

PATIENTENBETEILIGUNG STÄRKEN UND VERNETZUNG DER ONKOLOGISCHEN SPITZENZENTREN MIT REGIONALEN KLINIKEN, FACH- UND HAUSÄRZTEN INTENSIVIEREN

Bei der Versorgung von Menschen mit Krebs gibt es nach wie vor große regionale Unterschiede. In den meisten städtischen Gebieten besteht eine sehr gute Versorgungslage, in ländlichen Regionen hingegen ist sie deutlich geringer ausgeprägt. Mit dem Verbundprojekt ONCOnnect wird die Deutsche Krebshilfe die von ihr initiierten und geförderten Onkologischen Spitzenzentren stärker mit regionalen Kliniken, Fach- und Hausärzten vernetzen. Die Comprehensive Cancer Center Allianz WERA ist Teil des Verbundprojekts und setzt sich aktiv für das Ziel einer flächendeckend hohen Versorgungsqualität für Krebspatienten sowie für eine Stärkung der Patientenbeteiligung und -edukation ein.

 

Zahlreiche Mitglieder des Verbunds ONCOnnect posieren mit Logo in Frankfurt am Main für ein Gruppenbild.
Auftakt des Verbundprojekts ONCOnnect an der Universitätsmedizin Frankfurt: Die Projektmitglieder arbeiten gemeinsam an einer flächendeckenden, bestmöglichen Versorgung von Krebsbetroffenen in Deutschland. Foto: Nicolas Det
Teammitglieder aus Würzburg, Erlangen, Regensburg, Augsburg (WERA) posieren für ein Gruppenbild im Flur des Zentrums für Innere Medizin am UKW.
Die Comprehensive Cancer Center Allianz WERA als Onkologisches Spitzenzentrum mit vier CCCs an den Standorten Würzburg, Erlangen, Regensburg und Augsburg setzt sich in ONCOnnect aktiv für eine flächendeckend hohe Versorgungsqualität für Krebspatienten sowie für eine Stärkung der Patientenbeteiligung und -edukation ein. Foto: Jörg Fuchs / UKW

Würzburg. Der Verbund ONCOnnect, bestehend aus 14 von der Deutschen Krebshilfe geförderten Onkologischen Spitzenzentren mit insgesamt 26 universitären Standorten, dem Nationalen Krebspräventionszentrum in Heidelberg und Patientenvertretungen, wird gemeinsam die regionalen Netzwerke der Comprehensive Cancer Center (CCC) weiterentwickeln und die bestmögliche Versorgung von Krebspatienten auch außerhalb der Metropolregionen gewährleisten. CCC WERA als Onkologisches Spitzenzentrum mit vier CCCs an den Standorten Würzburg, Erlangen, Regensburg und Augsburg ist einer der Verbundpartner. 

Versorgung auf Spitzenniveau – in urbanen und ländlichen Regionen

Innerhalb von drei Jahren entwickelt das Projekt patientenzentrierte Best-Practice-Modelle in fünf Handlungsfeldern. Im Anschluss werden diese Konzepte auf alle ONCOnnect-Projektstandorte und ihre Netzwerke übertragen. Ziel ist es, Synergien zu schaffen und einheitliche Strukturen zu etablieren, um einen deutschlandweiten Wissenstransfer zu gewährleisten und die Qualität der Krebsversorgung auf höchstem Niveau sicherzustellen.

Patienten außerhalb der CCCs – in regionalen Krankenhäusern, Fach- und Hausarztpraxen sowie anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens – werden künftig von einem besseren Zugang zu innovativen Krebstherapien, klinischen Studien und Unterstützungsangeboten profitieren. Denn die Realität sieht so aus: Die Mehrzahl der onkologischen Patienten in Deutschland wird nicht in CCCs diagnostiziert und behandelt, sondern in regionalen Krankenhäusern und Praxen, die diese spezialisierten Angebote nicht anbieten können.

Die fünf Handlungsfelder

ONCOnnect setzt sich intensiv dafür ein, gemeinsame Wege der partnerschaftlichen und arbeitsteiligen Vernetzung zwischen den CCCs und ihren regionalen Behandlungspartnern, kurz „Outreach“ genannt, zu finden und deutschlandweit zu harmonisieren. In fünf Task Forces werden Best-Practice-Modelle entwickelt und auf weitere CCCs übertragen:

  1. Prävention und Früherkennung: Hier werden qualitätsgesicherte Informationsmaterialien und Maßnahmen für die Outreach-Partner erstellt sowie spezifische Präventionsprojekte im Arbeitsumfeld umgesetzt. „Krebserkrankungen vorzubeugen und frühzeitig zu erkennen sind die zentralen Anliegen der Task Force Prävention und Früherkennung, welche im Rahmen des ONCOnnect-Verbundantrags eine digitale Plattform mit Präventionsmaßnahmen entwickelt. Durch die Bündelung der Expertise aller Comprehensive Cancer Center im Bereich Prävention und Früherkennung in Form von Projekten, Maßnahmen und Studien wollen wir unsere Outreach-Partner gezielt dabei unterstützen, für alle Bürgerinnen und Bürger die passenden Angebote zu identifizieren und zugänglich zu machen“, sagt Prof. Dr. Björn Hackanson vom Universitätsklinikum Augsburg.
  2. Patientenbeteiligung: Die konsequente Einbeziehung von Patienten und Angehörigen, deren gezieltes Empowerment sowie das strukturierte Aufgreifen und „in die Breite tragen“ ihrer Interessen stehen im Mittelpunkt. „Die vermehrte Einbindung von Patientinnen und Patienten ist ein wichtiger Baustein für die Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen und der gesamten Onkologie. Durch ONCOnnect sollen Patientinnen und Patienten sowie Angehörige geprüfte Informationsquellen, Weiterbildungsprogramme und Zugangswege zu Spitzenmedizin in Deutschland erhalten“, erläutert Prof. Dr. Tobias Pukrop vom Universitätsklinikum Regensburg.
  3. Klinische Studien: Best-Practice-Modelle im Bereich klinischer Studien werden etabliert, um die Studienaktivitäten in den regionalen Netzwerken gezielt zu steigern und den Patienten einen wohnortnahen Zugang zu innovativen klinischen Studien zu ermöglichen. „Entscheidend ist aber, dass die Innovationen tatsächlich beim Patienten ankommen. Wir müssen daher genau analysieren, welche Hürden für die Teilnahme an klinischen Studien bestehen und wie diese abzubauen sind“, erläutert Prof. Dr. Markus Metzler vom Uniklinikum Erlangen. Darüber hinaus sollen Patienten und Outreach-Partner ihre Kompetenzen im Studienkontext erweitern und ausbauen können. „Eine zentrale Maßnahme wird es sein, die Studieninfrastruktur in Praxen, Medizinischen Versorgungszentren und Kliniken des regionalen Netzwerkes zu stärken, so dass Patientinnen und Patienten gerade in größeren und ländlichen Einzugsgebieten – wie das bei CCC WERA der Fall ist – auch heimatnahen Zugang zu klinischen Studien haben. Das CCC Mainfranken führt im Rahmen von ONCOnnect ein entsprechendes Modellvorhaben durch“, so Prof. Dr. Ralf Bargou vom Uniklinikum Würzburg.
  4. Qualitätssicherung: Das Handlungsfeld „Qualitätssicherung“ widmet sich der Verbesserung der Zusammenarbeit der CCCs mit den Landeskrebsregistern und der Weiterentwicklung der Video-Tumorboards. Außerdem wird evaluiert, welche unterstützenden Angebote Krebsbetroffene tatsächlich benötigen.
  5. Digitalisierung: Die Akteure im Handlungsfeld „Digitalisierung des Outreach“ wollen eine Plattform für digitale Instrumente und die sektorenübergreifende Vernetzung im Versorgungskontext entwickeln.

Über ONCOnnect 

ONCOnnect ist ein Verbundprojekt zur Weiterentwicklung regionaler Outreach-Netzwerke der 14 von der Deutschen Krebshilfe geförderten Onkologischen Spitzenzentren unter Beteiligung von 26 Universitätsklinika, dem Nationalen Krebspräventionszentrum in Heidelberg und Patientenvertretungen. Ziel von ONCOnnect ist die engere Vernetzung der Comprehensive Cancer Center (CCCs) mit regionalen Behandlungspartnern – Krankenhäusern, Fach- und Hausarztpraxen und anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens – und eine gemeinsame Entwicklung von Best-Practice-Modellen für eine flächendeckende, bestmögliche und ganzheitliche Versorgung von Krebsbetroffenen in Deutschland. Zentral koordiniert wird das Verbundprojekt durch die ONCOnnect-Geschäftsstelle mit Sitz an der Universitätsmedizin Frankfurt unter Leitung von Sprecher Prof. Dr. med. Christian Brandts, Direktor des Universitären Centrums für Tumorerkrankungen (UCT) Frankfurt. Das Verbundprojekt ONCOnnect wird durch die Stiftung Deutsche Krebshilfe mit insgesamt 13,8 Millionen Euro bis zum Jahr 2027 gefördert. 

Über CCC WERA

Die CCC Allianz WERA ist ein Zusammenschluss der Comprehensive Cancer Center in Würzburg (CCC MF), Erlangen (CCC ER-EMN), Regensburg (CCCO) und Augsburg (CCCA). CCC WERA wird durch die Deutsche Krebshilfe als Onkologisches Spitzenzentrum gefördert und deckt ein Versorgungsgebiet von rund 8 Millionen Menschen ab. Seit 2023 ist die CCC Allianz WERA ein Standort des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT). Das NCT ist eine langfristig angelegte Kooperation zwischen dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), exzellenten Partnern in der Universitätsmedizin und weiteren herausragenden Forschungspartnern an verschiedenen Standorten in Deutschland. Das NCT WERA wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Freistaat Bayern gefördert und hat zum Ziel, die Translation von Ergebnissen aus der Grundlagenforschung in klinische Studien sowie die Versorgung in ländlichen Regionen voranzubringen.

Website CCC WERA

Weitere Informationen

Pressemitteilung Förderung ONCOnnect (Deutsche Krebshilfe)

Pressemitteilung Kick-off-Meeting ONCOnnect (Universitätsmedizin Frankfurt)

Von: Annette Popp, CCC Allianz WERA
 

Zahlreiche Mitglieder des Verbunds ONCOnnect posieren mit Logo in Frankfurt am Main für ein Gruppenbild.
Auftakt des Verbundprojekts ONCOnnect an der Universitätsmedizin Frankfurt: Die Projektmitglieder arbeiten gemeinsam an einer flächendeckenden, bestmöglichen Versorgung von Krebsbetroffenen in Deutschland. Foto: Nicolas Det
Teammitglieder aus Würzburg, Erlangen, Regensburg, Augsburg (WERA) posieren für ein Gruppenbild im Flur des Zentrums für Innere Medizin am UKW.
Die Comprehensive Cancer Center Allianz WERA als Onkologisches Spitzenzentrum mit vier CCCs an den Standorten Würzburg, Erlangen, Regensburg und Augsburg setzt sich in ONCOnnect aktiv für eine flächendeckend hohe Versorgungsqualität für Krebspatienten sowie für eine Stärkung der Patientenbeteiligung und -edukation ein. Foto: Jörg Fuchs / UKW

Waldbaden bei krebsbedingter Fatigue und Depression

Naturräume und Naturerfahrungen wirken sich positiv auf die körperliche und seelische Gesundheit aus. Das Potenzial so genannter „Nature-based Therapies“ rückt daher zunehmend in den Fokus der Medizin. Insbesondere das „Waldbaden“ wird mit guten Ergebnissen erforscht. Ein Problem: Gerade den Patientinnen und Patienten, die besonders davon profitieren würden, fällt der Weg in den Wald schwer, weil sie zum Beispiel unter Erschöpfung oder depressionsbedingter Antriebslosigkeit leiden. Die Carstens-Stiftung fördert deshalb mit rund 750.000 Euro zwei innovative Projekte, die den Wald ein Stück weit zu den Menschen bringen - mit Hilfe von Virtual Reality, Hypnose und Imagination. Das Universitätsklinikum Würzburg ist an der FOREST-Studie beteiligt.

Das Foto zeigt einen Blick nach oben zu den Baumkronen im Laubwald.
Die Wirkung von Waldbaden bei krebsbedingter Fatigue und Depression wird in zwei von der Carstens-Stiftung geförderten Studien untersucht. © Kirstin Linkamp / UKW
Collage mit drei Porträtbildern der Verantwortlichen im Projekt FOREST
v.l.n.r.: PD Dr. med. Claudia Löffler (Foto: Stefan Bausewein), Dr. med. Marcela Winkler (Foto: Schmidt), Prof. Dr. rer. medic. Holger Cramer (Foto: Beate Armbruster, ©Universitätsklinikum Tübingen)

Essen/Würzburg. Vier von fünf Menschen, die eine onkologische Erkrankung überlebt haben, leiden noch Jahre nach Abschluss der Therapie unter den biopsychosozialen Folgen. Zu den häufigsten Symptomen gehört die krebsbedingte Erschöpfung (cancer-related fatigue) mit negativen Auswirkungen auf die Schlafqualität und weiteren direkten Beziehungen zu emotionalen und kognitiven Symptomen. Zu letzteren gehören auch Depressionen. 

Waldbaden als vielversprechender Therapieansatz

Auf der Suche nach nicht-pharmakologischen Behandlungsansätzen kristallisieren sich zunehmend naturheilkundliche Therapien, insbesondere das Waldbaden, als vielversprechend heraus. Erste positive Effekte konnten u.a. auf Schlafstörungen, Fatigue, Depressivität, Ängstlichkeit, Konzentrationsstörungen, Stressempfinden und Lebensqualität nachgewiesen werden. Dabei scheinen der Ort und die Sinneswahrnehmungen eine entscheidende Rolle zu spielen. 

Menschen mit krebsbedingter Fatigue oder Depression würden also vermutlich in hohem Maße vom Waldbaden profitieren - allerdings fällt der Weg in den Wald gerade wegen der Erschöpfung und Antriebslosigkeit auch besonders schwer, ganz zu schweigen von den räumlichen Entfernungen in einem städtisch geprägten Umfeld. Mit finanzieller Unterstützung der gemeinnützigen Karl und Veronica Carstens-Stiftung nehmen sich nun zwei innovative Projekte genau dieser Problematik an. Die Stiftung des ehemaligen Bundespräsidenten und seiner Frau setzt sich seit mehr als 40 Jahren für die Verankerung von Naturheilverfahren und Komplementärmedizin in der medizinischen Forschung und Patientenversorgung ein. 

FOREST – Studie zum Waldbaden bei krebsbedingter Fatigue

Naturheilverfahren in der Onkologie sind ein Thema, mit dem sich Privatdozentin Dr. Claudia Löffler am Uniklinikum Würzburg intensiv beschäftigt. Die Oberärztin leitet am Comprehensive Cancer Center Mainfranken (CCC MF) seit 2016 den Schwerpunkt Komplementäre Onkologie Integrativ (KOI). Unter dem Akronym FOREST führt sie nun gemeinsam mit Dr. Marcela Winkler (Robert Bosch Centrum für Integrative Medizin und Gesundheit, Stuttgart) und Prof. Dr. Holger Cramer (Universitätsklinikum Tübingen) und ihren Teams an den Standorten Würzburg und Stuttgart eine randomisierte kontrollierte Studie zum Waldbaden bei krebsbedingter Fatigue durch.

Es sind vier Arme geplant. Insgesamt werden 172 Patientinnen und Patienten randomisiert, d.h. durch einen Zufallsmechanismus einer von drei Interventionsgruppen oder einer Wartekontrollgruppe zugeteilt. Verglichen werden reales Waldbaden (Arm 1), mittels Virtual-Reality-Brille simuliertes Waldbaden (Arm 2), imaginiertes Waldbaden (Arm 3) und keine Intervention (Arm 4). Die Studienteilnehmenden von Arm 1 werden sich in Laubmischwäldern aufhalten, für die Arme 2 und 3 wird eine eigene Mischung ätherischer Öle entsprechend der Baumarten zusammengestellt, um eine bessere Vergleichbarkeit des Erlebnisses zu erreichen. Die Applikation erfolgt während der VR-Simulation bzw. Imagination über Aromazerstäuber. Die Interventionen sollen jeweils 30 Minuten dauern und einmal wöchentlich über einen Zeitraum von acht Wochen durchgeführt werden.

Der primäre Zielparameter ist die Symptomreduktion im Hinblick auf ein Cluster aus krebsbedingter Fatigue und den assoziierten Variablen Schlaf, Depressivität und Konzentration, die mittels multivariabler Varianzanalyse untersucht werden. Es wird vier Messzeitpunkte geben: Vor der Intervention, nach der Hälfte der Intervention, nach der Intervention und zwei Monate nach Ende der Intervention. Neben validierten Fragebögen werden Blutuntersuchungen und so genannte Wearables zur Erfassung von Vitalparametern eingesetzt.

NatureDeep - naturfokussierte Achtsamkeitsübungen und Hypnose bei Depression

Im zweiten Projekt NatureDeep konzentriert sich ein Team der Charité - Universitätsmedizin Berlin auf die Wirkung von naturfokussierten Achtsamkeitsübungen und Hypnose bei Depressionen.135 Patientinnen und Patienten mit leichten bis mittelschweren Depressionen werden in drei Gruppen randomisiert. Die erste Gruppe führt naturfokussierte Achtsamkeitsübungen im Berliner Stadtwald durch, die zweite Gruppe imaginiert unter Hypnose eine vergleichbare Natur und führt die gleichen Achtsamkeitsübungen in einem Trancezustand durch. In beiden Gruppen erhalten die Teilnehmenden weiterhin ihre bestehende Routineversorgung wie Psychotherapie und/oder antidepressive Medikamente. Für beide Interventionen sind wöchentliche Gruppensitzungen von jeweils 90 Minuten Dauer über einen Zeitraum von insgesamt acht Wochen vorgesehen. Zusätzlich werden die Teilnehmenden angehalten, die Übungen mindestens dreimal pro Woche für jeweils 30 Minuten selbständig durchzuführen. Die dritte Gruppe dient als Kontrolle und wird lediglich die Routineversorgung fortführen, jedoch keine naturheilkundliche Intervention erhalten.

Ergebnisse aus beiden Projekten werden in drei Jahren erwartet

Mit der Auswahl und Zusammenstellung der Interventionen soll eine Brücke zwischen traditionellen Verfahren, Mind-Body-basierten Interventionen und modernsten Technologien geschlagen werden. Ziel ist es, mittelfristig möglichst vielen Patientinnen und Patienten ein auf ihre individuelle Situation zugeschnittenes, effektives Werkzeug für die eigene Gesundheit an die Hand geben zu können. Die Ergebnisse beider Projekte werden in drei Jahren erwartet.

Zur ausführlichen Pressemeldung der Carstens-Stiftung.

Das Foto zeigt einen Blick nach oben zu den Baumkronen im Laubwald.
Die Wirkung von Waldbaden bei krebsbedingter Fatigue und Depression wird in zwei von der Carstens-Stiftung geförderten Studien untersucht. © Kirstin Linkamp / UKW
Collage mit drei Porträtbildern der Verantwortlichen im Projekt FOREST
v.l.n.r.: PD Dr. med. Claudia Löffler (Foto: Stefan Bausewein), Dr. med. Marcela Winkler (Foto: Schmidt), Prof. Dr. rer. medic. Holger Cramer (Foto: Beate Armbruster, ©Universitätsklinikum Tübingen)

Computer Vision-Technologien: Revolution für Diagnose und Verlaufsbeurteilung der Parkinson-Krankheit?

Dr. Maximilian U. Friedrich, Assistenzarzt und Wissenschaftler an der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Uniklinikums Würzburg (UKW), erhält auf dem Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) in Berlin den mit 50.000 Euro dotierten „NeuroTech-Innovationspreis“ der Manfred und Ursula Müller-Stiftung und der DGN. Ausgezeichnet werden seine Forschungsarbeiten zur KI-basierten Videoanalyse in der Neurologie, insbesondere bei Bewegungsstörungen wie der Parkinson-Krankheit.

Maximilian Friedrich posiert vor blauer Wand mit DGN-Logos und hält seine Urkunde in die Kamera.
Dr. Maximilian U. Friedrich, Assistenzarzt und Wissenschaftler an der Neurologischen Klinik und Poliklinik des UKW, erhielt auf dem Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) in Berlin den mit 50.000 Euro dotierten „NeuroTech-Innovationspreis“ der Manfred und Ursula Müller-Stiftung und der DGN. © DGN/Claudius Pflug
Preisträger und Verleihende posieren vor DGN-Werbewand
Verleihung des NeuroTech-Innovationspreises, v.l.n.r. DGN-Präsident Prof. Dr. Lars Timmermann, Kuratoriumsmitglied Katja Engelbert, Preisträger Dr. Maximilian Friedrich, Stifterin Ursula Müller und Dr. Laura Hausmann vom Deutschen Stiftungszentrum. © DGN/Claudius Pflug
Maximilian Friedrich hält den Daumen hoch, auf der Hand leuchten zahlreiche Analysemarker in grün, die mit roten Strichen verbunden sind.d
Dr. Maximilian U. Friedrich hat seine Hand mit Computer Vision Analysemarkern überlagert, wie er sie auch in dem Projekt nutzt, für das er den NeuroTech-Innovationspreis erhalten hat. Foto: Helen Friedrich

Würzburg. Sie ermöglicht autonomes Fahren und die automatische Gesichtserkennung beim Entsperren des Smartphones, sie erleichtert industrielle Inspektionen wie die Qualitätskontrolle, aber auch die medizinische Bildanalyse. Die Rede ist von der Computer Vision Algorithmik - einer Sammlung von Algorithmen, die es Computern ermöglicht „zu sehen“ und visuelle Informationen zu verstehen. Ein Team um Dr. Maximilian Friedrich von der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Uniklinikums Würzburg (UKW) hat sich die Technologien des maschinellen Sehens zu eigen gemacht, um die Diagnose und Verlaufsbeurteilung der Parkinson-Krankheit zu revolutionieren, an der weltweit mehr als elf Millionen Menschen leiden.

Für sein Forschungsprojekt mit dem Titel „Nutzung von Computer Vision Algorithmik zur präzisen Charakterisierung der Schwere der Parkinsonerkrankung sowie ihres Ansprechens auf die medikamentöse und Hirnstimulationstherapie“ wurde Maximilian Friedrich beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft (DGN) im November 2024 in Berlin mit dem „NeuroTech-Innovationspreis“ ausgezeichnet. Der mit 50.000 Euro dotierte Preis wurde erstmals von der Manfred und Ursula Müller-Stiftung gemeinsam mit der DGN vergeben und soll künftig alle zwei Jahre junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auszeichnen, die an der Entwicklung unkonventioneller, innovativer und kollaborativer KI-Technologien für klinische und translationale Anwendungen arbeiten.

Smartphone-basierter Symptomtracker und videogestütztes System zur schnellen und präzisen Feineinstellung der Tiefen Hirnstimulation

„Bisher basierte die Beurteilung von Parkinson-Symptomen wie Zittern und verlangsamten Bewegungen vor allem auf subjektiven und bestenfalls semi-quantitativen Beobachtungen von Neurologinnen und Neurologen“, berichtet Maximilian Friedrich. „Durch den Einsatz von KI-Algorithmen zur Videoanalyse können wir nun die motorischen Symptome unserer Patientinnen und Patienten deutlich präziser und objektiver erfassen.“ 

Zur Erfassung der motorischen Bewegungen werden lediglich handelsübliche Geräte wie Smartphones benötigt. Die Technologie erlaubt es, automatisch Bewegungsmuster in Videoaufnahmen zu erkennen, die sich manchmal auch der gewöhnlichen Beobachtung durch Expertinnen und Experten entziehen können. Durch die genauere Zustandsbeschreibung lässt sich nicht nur der Schweregrad der Erkrankung besser messen, sondern auch der Erfolg von medikamentösen Therapien und der Tiefen Hirnstimulation genauer beurteilen, was insbesondere für personalisierte Behandlungsansätze wegweisend sein könnte. „Ein KI-gestütztes System hat das Potenzial, die klinische Praxis zu verbessern, Diagnosen zu präzisieren und die Erforschung neurologischer Erkrankungen entscheidend voranzubringen“, resümiert Friedrich, der die Methode in den nächsten Schritten bis zur Erprobung im klinischen Alltag weiterentwickeln will. Das Preisgeld soll ihm dabei helfen, eine eigene Arbeitsgruppe zu den Themen KI und digitale Anwendungen in der Neurologie zu etablieren.

Internationale multidisziplinäre Kollaborationsstruktur

Das multidisziplinäre Projekt wird eng eingebettet in das rasch wachsende Forschungsumfeld der Neurologischen Klinik des UKW unter der Leitung von Professor Dr. Jens Volkmann und vereint lokale Partner aus der Würzburger Universitätsmedizin (u. a. die Arbeitsgruppen von Dr. Robert Peach, Prof. Dr. Daniel Zeller, Prof. Dr. Rüdiger Pryss) mit internationalen Kollaborationen. Zu diesen zählen Experten aus der angewandten Mathematik und Computerwissenschaft (Profs. David Wong und Samuel Relton, University of Leeds), der klinischen Softwareentwicklung (u. a. Prof. Dr. Jane Alty, University of Tasmania, Australien, und Prof. Ryan Roemmich, Johns Hopkins University, USA) sowie der Neurodegenerationsforschung (u. a. Prof. Vikram Khurana, Brigham and Women’s Hospital, Boston, USA).

Links:

Pressemitteilung zu vorhergehenden Publikationen

Publikation im Journal of Neurology: Smartphone video nystagmography using vonvolutional neural networks: ConVNG

Publikationen im npj Digital Medicine: Validation and application of computer vision algorithms for video-based tremor analysis und Head movement dynamics in dystonia: a multi-centre retrospective study using visual perceptive deep learning

Text: Kirstin Linkamp / UKW
 

Maximilian Friedrich posiert vor blauer Wand mit DGN-Logos und hält seine Urkunde in die Kamera.
Dr. Maximilian U. Friedrich, Assistenzarzt und Wissenschaftler an der Neurologischen Klinik und Poliklinik des UKW, erhielt auf dem Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) in Berlin den mit 50.000 Euro dotierten „NeuroTech-Innovationspreis“ der Manfred und Ursula Müller-Stiftung und der DGN. © DGN/Claudius Pflug
Preisträger und Verleihende posieren vor DGN-Werbewand
Verleihung des NeuroTech-Innovationspreises, v.l.n.r. DGN-Präsident Prof. Dr. Lars Timmermann, Kuratoriumsmitglied Katja Engelbert, Preisträger Dr. Maximilian Friedrich, Stifterin Ursula Müller und Dr. Laura Hausmann vom Deutschen Stiftungszentrum. © DGN/Claudius Pflug
Maximilian Friedrich hält den Daumen hoch, auf der Hand leuchten zahlreiche Analysemarker in grün, die mit roten Strichen verbunden sind.d
Dr. Maximilian U. Friedrich hat seine Hand mit Computer Vision Analysemarkern überlagert, wie er sie auch in dem Projekt nutzt, für das er den NeuroTech-Innovationspreis erhalten hat. Foto: Helen Friedrich