Aktuelle Pressemitteilungen

Tierschutzpreis für Würzburger Initiative

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat den Händel-Tierschutzpreis 2022 vergeben. Einer der beiden Preisträger ist die „Würzburg Initiative 3R“, die an Alternativmethoden zu Tierversuchen in der Forschung arbeitet.

Die „Würzburg Initiative 3R (WI3R)“ am Fraunhofer-Translationszentrum für Regenerative Therapien sowie der Universität Würzburg und der Mediziner Dr. Michael Karl Melzer von der Universität Ulm teilen sich in diesem Jahr den Ursula M. Händel-Tierschutzpreis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).

Der mit insgesamt 80.000 Euro dotierte Preis wird zum nunmehr neunten Mal an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verliehen, die den Tierschutz in der Forschung im Sinne des 3R-Prinzips verbessern. Die drei R stehen dabei für Replace (Vermeiden), Reduce (Verringern) und Refine (Verbessern).

Gewebemodelle zum Ersatz von Tierversuchen

„Die an der ‚Würzburg Initiative 3R (WI3R)‘ beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entwickeln seit vielen Jahren Gewebemodelle zum Ersatz von Tierversuchen, die sowohl in der Wissenschaft als auch in der pharmazeutischen, chemischen und kosmetischen Industrie Anwendung finden. Der Erfolg des Teams spiegelt sich in einer beeindruckenden Anzahl an Publikationen, Patenten und Projekten“, sagte die Vorsitzende der DFG-Senatskommission für tierexperimentelle Forschung, Professorin Dr. Brigitte Vollmar, die auch Mitglied der Händel-Tierschutzpreis-Jury ist.

Seit über zehn Jahren befasst sich die „Würzburg Initiative 3R (WI3R)“ mit der hochkomplexen Modellierung von Krankheitsprozessen und der Testung von Arzneimittelwirkungen unter Vermeidung von Tierversuchen. Eine gemeinsame inhaltliche Klammer ist das Ziel, Barrierefunktionen des Körpers in vitro nachzuahmen. „Die dabei erzielten Ergebnisse sind von hoher technischer Qualität und Relevanz für die Anwendung, was eine Vielzahl von Publikationen in renommierten internationalen Journalen belegt“, schreibt die Jury in ihrer Begründung.

Sechs Modelle sogenannter Barriere-Organe

Hinter WI3R steht ein etabliertes Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Namentlich sind dies Dr. Antje Appelt-Menzel, Dr. Gudrun Dandekar, Dr. Florian Groeber-Becker, Dr. Christian Lotz, Privatdozent Dr. Marco Metzger, Dr. Maria Steinke und Dr. Daniela Zdzieblo. Das Team hatte für seine Bewerbung die Entwicklung und Anwendung von sechs In-vitro-Modellen der Barriere-Organe Haut, Kornea – also der Hornhaut, der äußersten Schutzhaut des Augapfels vor der Linse, Darm, Blut-Hirn-Schranke und Lunge sowie für solide Tumoren vorgestellt, die dem „Replacement“ des 3R-Konzeptes dienen.

Die Modelle finden beispielsweise in der Infektions- und Krebsforschung sowie bei der Testung von Kosmetika, Nahrungsergänzungsmitteln und medizinischen Produkten wie Medikamenten oder Impfungen bereits jetzt eine breite Anwendung. Mit dem Preisgeld will das Team ein 3R-Netzwerk etablieren, wissenschaftliche Treffen initiieren sowie kleine Projekte fördern.

Preisverleihung am 13. Oktober

Der Preisträger und die Preisträgergruppe wurden unter zwölf Bewerberinnen und Bewerbern ausgewählt. Die Preisverleihung ist für den 13. Oktober im Rahmen eines von der Universität Münster organisierten Tierschutztages geplant.

Der Ursula M. Händel-Tierschutzpreis

Der Ursula M. Händel-Tierschutzpreis geht auf die Initiative seiner gleichnamigen Stifterin zurück. Die Düsseldorferin Ursula M. Händel (1915–2011) setzte sich über Jahrzehnte in vielfältiger Weise für den Tierschutz ein. So gründete sie unter anderem den Bonner Arbeitskreis für Tierschutzrecht und engagierte sich in diesem Rahmen für die Novellierung des Tierschutzgesetzes. Dem Tierschutz in Wissenschaft und Forschung besonders verbunden, stellte Händel der DFG Mittel für den Tierschutzpreis zur Verfügung. Der Preis wird alle zwei Jahre vergeben. Er ist der höchst dotierte Forschungspreis dieser Art in Deutschland.

Pressemitteilung der Pressestelle DFG

Klug designte Nanopartikel sind wie Taxis, die ihre Fahrgäste bis zum gewünschten Ziel transportieren: Sie lassen sich mit Impfstoffen oder Medikamenten beladen und bringen ihre Fracht im Körper zielgenau dorthin, wo sie wirken soll. In solche Partikel ist zum Beispiel die mRNA in den Impfstoffen gegen das Coronavirus verpackt.

Professor Lutz Nuhn (37) entwickelt solche Nanopartikel. Er leitet seit 1. April 2022 den neu geschaffenen Lehrstuhl für Makromolekulare Chemie der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg. Die Nanopartikel, an denen sein Team arbeitet, sind für Immuntherapien gegen Krebs konzipiert und bestehen aus Polymeren.

Nuhns Gruppe konzentriert sich auf Nanopartikel aus Polycarbonaten. Diese langkettigen Moleküle bestehen im Wesentlichen aus Kohlensäurebausteinen. Das hat den Vorteil, dass sie sich im Körper zu Kohlendioxid und Alkoholen abbauen lassen – beides Moleküle, die der Organismus direkt ausscheiden oder gut nutzen kann. Die Monomere zur Polycarbonat-Herstellung können außerdem nicht nur aus Erdöl gewonnen werden, sondern auch aus nachwachsenden pflanzlichen Rohstoffen. Unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit ist das ein weiterer Pluspunkt.

Nanopartikel können noch besser werden

„In der Polymerchemie können wir schon sehr gute Nanopartikel für medizinische Zwecke herstellen, aber einige Hausaufgaben müssen wir noch machen“, sagt der neue Professor.

Erstens: Wenn Nanopartikel aus Polycarbonaten an ihren Zielorten ankommen, etwa in Immunzellen, dann sollen sie das merken und sofort damit anfangen, sich selbst abzubauen und die Wirkstoffe freizusetzen, die sie mit sich tragen. Dazu müssen sie auf Reize reagieren können – etwa auf Temperatur, Licht, pH-Wert oder bestimmte Strukturelemente von Proteinen.

Zweitens: Diejenigen Nanopartikel, die es nicht zu ihren Zielorten schaffen, sollen sich nach einer angemessenen Zeit im Körper von alleine auflösen – dafür sind Polycarbonate hervorragend geeignet.

Drittens: Die Nanopartikel sollen sich möglichst autonom bilden. Im Idealfall sollte es genügen, ihre Grundbausteine mit den jeweiligen medizinischen Wirkstoffen in einer wässrigen Lösung zusammenzubringen, wo sich die Partikel dann selbstständig zur gewünschten Struktur formieren. In der Chemie wird dieser Prozess „self-assembly“ genannt.

Viertens: Nuhns Team hat das Ziel, die autonom entstandenen Nanopartikel durch chemische Modifikationen so zu stabilisieren, dass man die Partikel zu einem Pulver trocknen, bei Raumtemperatur lagern und später wieder mit Wasser lösen kann, ohne dass sie dabei ihre Transportfähigkeit verlieren. Das würde die Handhabung der Partikel in der Praxis erleichtern; das Einhalten von Kühlketten zum Beispiel wäre dann überflüssig.

 Immunzellen als Zielstrukturen

Der Forschungsschwerpunkt des Chemieprofessors liegt auf dem Design von Nanopartikeln, die therapeutische Impfungen und Immuntherapien gegen Krebs ermöglichen sollen. Zielstrukturen sind in erster Linie die Zellen des Immunsystems. Nuhns Team interessiert sich dabei ganz besonders für Immunzellen, die sich in der Mikro-Umgebung von Tumoren aufhalten, dort aber inaktiv sind und dadurch die Tumore für das Immunsystem unsichtbar machen.

„Wir möchten unsere Nanopartikel so designen, dass sie von Immunzellen aufgenommen werden und dann maßgeschneiderte Moleküle freisetzen, welche die Immunzellen gegen den Tumor aktivieren“, sagt der Wissenschaftler. In dem komplexen Netzwerk aus Krebs- und Immunzellen, das die Mikro-Umgebung von Tumoren kennzeichnet, soll dadurch der Schalter von „Ruhe“ auf „Sturm“ umgelegt werden. Wie gut die Nanopartikel die ihnen zugedachte Aufgabe erledigen, erforscht der Chemiker in Kooperation mit Gruppen aus der Immunologie und Medizin.

 Vorlesungen zur Polymerchemie

Für die Studierenden der Chemie und der Funktionswerkstoffe wird Professor Nuhn Lehrveranstaltungen zur Polymerchemie anbieten. Neu entwickelt hat er zum Beispiel den praktischen Kurs Nano4Med, in dem die medizinischen Anwendungen von Polymerstrukturen im Mittelpunkt stehen.

Der neue Lehrstuhl für Makromolekulare Chemie ist Teil des 2020 an der JMU gegründeten Instituts für Funktionsmaterialien und Biofabrikation (IFB). Dem Institut gehören außerdem der Lehrstuhl für Funktionswerkstoffe der Medizin und Zahnheilkunde (Professor Jürgen Groll) und der Lehrstuhl für Chemische Technologie der Materialsynthese (Professor Gerhard Sextl) an.

Lutz Nuhn gehört zur Fakultät für Chemie und Pharmazie; seine Labore und Büros sind zurzeit am Röntgenring 11 untergebracht. Er wird, zusammen mit Gruppen von Jürgen Groll, auf den Hubland-Campus umziehen, sobald dort der Neubau des Center of Polymers for Life bezugsfertig ist.

Lebenslauf des neuen Professors

Lutz Nuhn, Jahrgang 1985, ist in Bad Hersfeld in Osthessen aufgewachsen. Sein Studium der biomedizinischen Chemie an der Universität Mainz schloss er 2010, die Promotion 2014 ab. Auslandsaufenthalte absolvierte er bei führenden Forschern der biomedizinischen Polymerchemie am Massachusetts Institute of Technology und an der Universität Tokyo.

 Als Postdoc forschte er an der Universität Gent in Belgien, im Anschluss übernahm er 2017 die Leitung einer Nachwuchsgruppe am Max-Planck-Institut für Polymerwissenschaften in Mainz. Dort baute er außerdem ab 2019, gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), seine eigene Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe auf.

Pressemitteilung der Uni

Diakonie wird Träger der neuen Kita des Uniklinikums Würzburg

Das Uniklinikum Würzburg plant den Bau einer neuen Kindertagesstätte. In einem Vergabeverfahren wurde jetzt das Diakonische Werk Würzburg als Betreiber der Einrichtung ermittelt.

Würzburg. Das Uniklinikum Würzburg (UKW) benötigt bei der Betreuung der Kinder seiner Beschäftigten weitere Kapazitäten. Deshalb plant es den Neubau einer Kindertageseinrichtung am Hans-Brandmann-Weg im Würzburger Stadtteil Grombühl. Um einen Betreiber für die zukünftige Kita zu finden, führte die Stabstelle Vergabe des Klinikums ein Interessenbekundungsverfahren durch. Dieses wurde vom Referat HR-Entwicklung begleitet und vom Fachbereich Jugend und Familie der Stadt Würzburg unterstützt.

Vergabe anhand eines Punktesystems

Nachdem sich zwei Bieter um die ausgeschriebene Aufgabe beworben hatten, wurde die Vergabe anhand eines Punktesystems entschieden. Dabei fiel die Wahl auf das Diakonische Werk Würzburg. Deren Evangelische Kinder-, Jugend- und Familienhilfe betreibt schon seit vielen Jahren die UKW-Kinderbetreuungsgruppe „Grombühlzwerge“ sowie seit Juni 2021 eine ergänzende Gruppe im Würzburger Stadtteil Oberdürrbach.

Kindgerechte Betreuung zu passende Zeiten

„Wir sind sehr glücklich darüber, mit diesem großen und stabilen Partner auch in der neuen Kita zusammenarbeiten zu können. Die Diakonie steht für Kontinuität und eine hoch qualitative Kinderbetreuung“, kommentiert Michelle Hawks, die Ansprechpartnerin für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie am UKW, die Entscheidung. Und Prof. Dr. Jens Maschmann, der Ärztliche Klinikumsdirektor, präzisiert: „Damit unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ruhe und mit einem guten Gefühl ihrer Arbeit nachgehen können, müssen sie ihren Nachwuchs in guten Händen wissen. Die Diakonie hat bewiesen, dass sie zum einen eine kindgerechte Versorgung sicherstellen kann. Zum anderen ist sie in der Lage, Betreuungszeiten anzubieten, die mit den Krankenhausarbeitszeiten perfekt zusammenpassen.“
Auch beim zukünftigen Betreiber ist man mit der gefundenen Lösung sehr zufrieden. „Wir freuen uns auf diese neue Aufgabe, die pädagogische Förderung der Kinder und die gute Zusammenarbeit mit den Eltern“, unterstreicht Prof. Dr. Gunter Adams, der Leiter der Evangelischen Kinder-, Jugend- und Familienhilfe.

Bis zu 128 Plätze

Das Grundstück der neuen Tagesstätte liegt in der Nähe der Zentren für Operative und Innere Medizin und des Erweiterungsgeländes Nord des UKW. Sie wird in fünf Krippengruppen bis zu 110 Betreuungsplätze bieten. Hinzukommen soll eine Naturgruppe mit 18 Plätzen. Die Inbetriebnahme ist für das Jahr 2025 vorgesehen.

Wissenschaftsminister Blume und Gesundheitsminister Holetschek verkünden den Start des BORN-Projekts am Bayerischen Zentrum für Krebsforschung (BZKF)

Das Bayernweite-Onkologische-Radiologie-Netzwerk – kurz ‚BORN‘ des BZKF nutzt die Chancen der Digitalisierung für die Versorgung von Krebspatientinnen und Krebspatien-ten.

Ziel ist es, bei Tumorerkrankungen die bildgebende Untersuchung in ganz Bayern beginnend an den Universitätskliniken einheitlich durchzuführen, in strukturierter Weise auszuwerten und eine sichere IT-Struktur für die Datenerhebung und den Datenaustausch zu entwickeln. Nach der Erpro-bung an den 6 Universitätskliniken kann die standardisierte Erfassung von Bildgebungsdaten künf-tig in andere Kliniken und Praxen übertragen werden, so dass Patientinnen und Patienten in ganz Bayern profitieren. Im BZKF BORN-Projekt arbeiten die Radiologischen Institute der sechs bayeri-schen Universitätskliniken unter dem Dach des Bayerischen Zentrum für Krebsforschung (BZKF) eng zusammen.Wissenschaftsminister Markus Blume betonte: „Daten sind Rohstoff der Zukunft - in der Onkologie kön-nen sie Leben retten. BORN schafft eine weltweit einmalige Datengrundlage für Diagnose, Behandlung und Therapie von Krebserkrankungen. Die Auswertung der Daten erfolgt KI-gestützt und extrem präzise. Das zeigt: Hightech hilft! Das BORN-Projekt ist ein ‚Gamechanger‘ im Kampf gegen Krebs.“Zukunft der Medizin liegt in der vernetzten Forschung

Gesundheitsminister Klaus Holetschek betonte: „Der Kampf gegen Krebs ist eine der größten gesund-heitspolitischen Herausforderungen unserer Zeit. Die Zahl der Krebsfälle könnte sich laut Prognose der Weltgesundheitsorganisation (WHO) weltweit bis 2040 fast verdoppeln. Wir müssen den beängstigenden Trend umkehren und dafür auch die Chancen der Digitalisierung stärker nutzen. Wir tun das, indem wir Projekte wie ‚BORN‘, von dem ich mir viel verspreche, unterstützen. ‚BORN‘ soll die Behandlung von Krebspatientinnen und Krebspatienten zunächst in den bayerischen Universitätskliniken erheblich ver-bessern. In einem weiteren Schritt könnten die im BZKF ‚BORN‘-Projekt entwickelten Untersuchungsstra-tegien dann auf andere Krankenhäuser und Radiologische Praxen übertragen werden – sodass Patien-tinnen und Patienten in ganz Bayern davon profitieren. Klar ist: Wir müssen insgesamt Gesundheitsdaten besser nutzbar machen – für die bessere Behandlung von Patienten, aber auch für Forschung, Entwick-lung und Politik. Datenschutz und Datennutzung müssen deshalb gemeinsam gedacht werden. Dafür mache ich mich stark.“

 

Prof. Dr. Andreas Mackensen, Direktor des BZKF, bekräftigte: „Das BZKF BORN-Projekt ergänzt das BZKF um eine vernetzende Komponente, welche die gemeinsame Standardisierung, Auswertung und Etablie-rung quantitativer, bildbasierter Biomarker unterstützt. Der Bildgebung kommt bei der Diagnose und Verlaufskontrolle von Tumorerkrankungen eine Schlüsselrolle zu. Eine Harmonisierung bei der Erfassung und Auswertung der Bildgebung soll zu einer einheitlichen Befunderhebung bei Tumorerkrankungen führen. Wir freuen uns, dieses wichtige klinische Projekt zur Verbesserung der Versorgung von Krebspa-tientinnen und Krebspatienten in Bayern mit der Unterstützung des Freistaat Bayerns voranzutreiben.“ Gemeinsam mit dem Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege fördert das BZKF mit dem Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst das BORN-Projekt in der ersten Förderperiode ins-gesamt mit 855.000 Euro.“

Prof. Dr. Thomas Kröncke, einer der Sprecher des BZKF BORN-Projektes sagte: „Als erstes Projekt dieser Größenordnung wird das BORN-Projekt eine weltweit einmalige Datengrundlage zur Entwicklung bild-basierter Biomarker und maschineller Lernverfahren der Künstlichen Intelligenz (KI) schaffen. Die Stärke des Projekts liegt in der bayernweiten Einigung auf Standardisierung und Strukturierung von Bildge-bungs-Daten. Diese stellt die Basis für wissenschaftliche Untersuchungen im BZKF Netzwerk aber auch für Kooperationen mit der Pharmazeutischen Industrie und Medizinprodukteherstellern dar. Bei BORN kooperieren die sechs bayerischen Universitätskliniken, die im Bayerischen Zentrum für Krebsforschung (BZKF) zusammengeschlossen sind, und die Brainlab AG mit deren Tochtergesellschaft Mint Medical GmbH.“Bayerisches Zentrum für Krebsforschung (BZKF)

Mit der Gründung des Bayerischen Zentrum für Krebsforschung (BZKF) im November 2019 wird das große Ziel verfolgt, allen Bürgerinnen und Bürgern in Bayern, ganz unabhängig von ihrem Wohnort, Zugang zu bestmöglichen, neusten und innovativen Therapien zu ermöglichen. Mit dem Zusammen-schluss der sechs bayerischen Universitätsklinika in Augsburg, Erlangen, den zwei Standorten in Mün-chen, Regensburg und Würzburg wird nicht nur die Krebsforschung gefördert, sondern auch Kompe-tenzen und Wissen zu den Themen Früherkennung, Therapie und Nachsorge von Tumorerkrankungen gebündelt und zugleich Betroffenen eine flächendeckende und interdisziplinäre Versorgung angeboten. „Wir möchten uns als starkes Konsortium etablieren, das national wie international in der Krebsbekämp-fung eine entscheidende Rolle spielt“, so Prof. Dr. Andreas Mackensen, Direktor des BZKF. Neben der Entwicklung neuer Therapieverfahren gegen Krebs möchte das BZKF auch als Anlaufstelle für alle Bür-gerinnen und Bürger dienen. Das BürgerTelefonKrebs bietet unter der kostenfreien Telefonnummer 0800 85 100 80 eine unkomplizierte Möglichkeit, sich individuell zu allen Fragen bezüglich einer Krebserkran-kung beraten zu lassen.

Pressemeldung des BZKF vom 01.08.2022

Neue Wirkstoffe gegen einen gefährlichen Erreger

Pockenviren stellen für die Menschheit eine ernstzunehmende Bedrohung dar, wie der aktuelle Ausbruch der Affenpocken zeigt. Ein Forschungsteam der Uni Würzburg arbeitet jetzt an der Entwicklung neuer Medikamente.

Die Coronapandemie ist noch lange nicht abgehakt, da sorgt erneut ein Virus für Aufregung: „Internationaler Ausbruch von Affenpocken“ hieß es vor wenigen Wochen in den Medien, und danach folgten tägliche Schlagzeilen nach dem Muster „Erster Fall von Affenpocken in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin …“ Meldungen wie die des Bayerischen Rundfunks – „Studie: Affenpocken-Erreger mutiert schneller als gedacht“ – oder des Spiegel – „Arzt über Affenpocken: ‚Der Zeitpunkt, wo man das Virus noch ganz hätte stoppen können, ist vorbei‘“, trugen danach nicht wirklich zur Beruhigung bei.
Und spätestens seit die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am 23. Juli den Affenpocken-Ausbruch in mehr als 50 Ländern zu einer „Notlage von internationaler Tragweite“ erklärt hat, sollte allen klar sein: Viren können jederzeit Artengrenzen überspringen und beim Menschen neuartige Krankheiten, so genannte Zoonosen, verursachen. Im Extremfall können sie sogar eine erneute Pandemie auslösen.


Innovative Ansätze für die Medikamentenentwicklung

In diesem Zusammenhang erscheint es mehr als passend, dass jetzt an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) ein neues Forschungsprojekt die Arbeit aufnimmt, das sich genau mit diesem Thema beschäftigt. „A structure-based approach to combat zoonotic poxviruses” lautet sein Titel.
Die VolkswagenStiftung finanziert das Projekt mit rund 700.000 Euro, verantwortlich dafür sind Professor Utz Fischer, Inhaber des Lehrstuhls für Biochemie an der JMU, und sein Mitarbeiter Dr. Clemens Grimm. Mit im Boot ist die Intana Bioscience GmbH, ein Biotech-Unternehmen aus der Nähe von München mit dem Schwerpunkt auf der Entwicklung neuer Wirkstoffe. Pockenviren stehen in diesem Projekt im Mittelpunkt.

Pockenviren tragen ein hohes Gefährungspotenzial


„Wir wissen, dass Tiere viele Arten von Viren in ihrem Organismus tragen, die für den Menschen zur Gefahr werden können“, sagt Utz Fischer. Leider lasse sich nicht vorhersagen, welche von ihnen als nächstes zum Sprung über die Artengrenzen ansetzt. Klar ist jedoch, dass einige Viren ein höheres Potenzial besitzen als andere und deshalb für die Menschheit bedrohlicher sind – Pockenviren rangieren in dieser Liste ganz oben. Ziel des Projekts ist es deshalb, neue Ansätze für neuartige Medikamente gegen die Pockenerreger zu entwickeln. Die Wissenschaftler suchen dafür nach Substanzen, die in den Prozess der viralen Transkription eingreifen und so die Viren daran hindern, sich zu vermehren.
Fischer und sein Team können dabei auf Erkenntnisse zurückgreifen, die sie im vergangenen Herbst der Öffentlichkeit vorgestellt haben. „Uns ist es gelungen, die Genexpressionsmaschinerie des Pockenvirus auf atomarer Ebene zu visualisieren“, erklärt der Biochemiker. Wie im Film lässt sich jetzt beobachten, wie die molekularen Maschinen vorgehen, wenn das Virus sich vermehrt. Die Aufnahmen zeigen detailliert die Arbeitsweise der beteiligten Akteure während der frühen Phase der Transkription.

Ein Ansatz, der auch bei der Schweinepest greifen kann


Bei der Suche nach Wirkstoffen, die diese molekularen Maschinen lahmlegen können, kommt dem Team ein besonderer Umstand zugute: Während sich viele Viren in großem Umfang der biochemischen Ausstattung der Wirtszelle bedienen, um sich zu vermehren, kodieren Pockenviren hierfür eine eigene molekulare Maschinerie in ihrem Genom. Wichtige Bestandteile dieser Maschinerie sind zwei Enzyme, die DNA-Polymerase, die die viralen Gene vervielfältigt, und die RNA-Polymerase, die die viralen Gene in mRNA umschreibt.
Diese einzigartige Replikationsstrategie bietet die Chance, nach Hemmstoffen viraler Schlüsselkomplexe und Enzyme zu suchen, die genau an dieser Stelle angreifen und somit die Wirtszellen verschonen – also im Idealfall frei von Nebenwirkungen sind. Sollte es dem Team gelingen, solche Moleküle zu identifizieren und zu designen, könnte es sogar sein, dass es zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt: „Da der Transkriptionsapparat der Pockenviren dem der Asfarviridae-Arten sehr ähnlich ist, wird unsere Forschung auch für die wirtschaftlich hochbedrohliche Schweinepest-Erkrankung von Bedeutung sein“, sagt Fischer.

Technische Fortschritte helfen der Forschung


Es sind vor allem technische Fortschritte, die den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bei ihrer Arbeit helfen. Einer davon ist eine deutliche Steigerung der Auflösung von kryo-elektronenmikroskopischen Aufnahmen. Bei dieser Technik werden Proben auf Temperaturen von bis zu minus 180 Grad Celsius „schockgefroren“. Sie erst macht es möglich, biologische Moleküle und Komplexe in Lösung zu untersuchen und deren dreidimensionale Struktur in der Größenordnung von Atomen zu rekonstruieren.
Ein entsprechendes Elektronenmikroskop steht seit vielen Jahren an der JMU. „Viele medizinisch relevante Zielmoleküle rücken damit in den Fokus des Wirkstoffdesigns. Wir werden diese Technik zusammen mit etablierten Verfahren nutzen, um solche Moleküle zu identifizieren, die auf spezielle Strukturen der Pockenviren abzielen, und deren Vermehrung stören“, erklärt Clemens Grimm, der die Strukturbiologie-Analysen am Lehrstuhl durchführt.
Tatsächlich sind die beteiligten Wissenschaftler optimistisch, dass es ihnen gelingen wird, in den kommenden Jahren eine Reihe chemischer Verbindungen zu definieren, die als eine Art Leitstruktur für die anschließende Entwicklung eines Arzneimittels dienen können.

Pockenviren sind aus mehreren Gründen eine Bedrohung


Dass das Forschungsteam zeitgleich mit dem Ausbruch der Affenpocken die Arbeit aufnimmt, ist natürlich ein Zufall – der Antrag wurde schließlich schon vor Monaten geschrieben. Kein Zufall ist es allerdings, dass sich die Wissenschaftler auf Pockenviren konzentrieren. Diese stellen nämlich aus verschiedenen Gründen eine potenzielle Bedrohung für die Menschheit dar. Zum einen sind aktuell nur sehr wenig antivirale Medikamente verfügbar – und diese zeigen oft eine sehr begrenzte Wirksamkeit.
Zum anderen gibt es zwar einen wirksamen Schutz vor einer Infektion: die Pockenschutzimpfung. Nachdem jedoch die Weltgesundheitsorganisation WHO die Pocken 1980 für ausgerottet erklärt hat, wurden die entsprechenden Impfprogramme in den folgenden Jahren eingestellt. Seitdem schwindet zusehends die Herdenimmunität gegen Pockenviren beim Menschen. Kein Wunder, dass eine kürzlich durchgeführte Studie das Affenpockenvirus zu einer der bedrohlichsten Virenarten zählt – wegen der Gefahr, dass es Menschen infiziert, durch Mutationen an seinen neuen Wirt anpasst und sich dann exponentiell verbreitet.

Kontakt

Prof. Dr. Utz Fischer, Lehrstuhl für Biochemie, Julius-Maximilians-Universität Würzburg,
T: +49 931 31-84029, utz.fischer@ biozentrum.uni-wuerzburg.de

 

Pressemitteilung der Uni Würzburg

Ukrainische Gaststudierende absolvierten klinisches Praktikum am Uniklinikum Würzburg

Mit hohem Aufwand und großem Erfolg ermöglichte die Würzburger Medizinische Fakultät sieben aus der Ukraine geflüchteten Medizinstudierenden ein einmonatiges klinisches Praktikum am Uniklinikum Würzburg.

Würzburg. Sechs Medizinstudentinnen und ein Medizinstudent aus der ukrainischen Universitätsstadt Lviv hatten in einem bundesweiten Vorreiterprojekt die Chance, am Uniklinikum Würzburg (UKW) vier Wochen lang klinische Abläufe in der Realität kennenzulernen und ihre praktischen Fertigkeiten zu trainieren. Die wegen des Krieges aus ihrem Heimatland geflüchteten jungen Menschen kamen dazu aus dem gesamten Bundesgebiet an den Main.
Organisiert wurde das Sommerpraktikum von Prof. Dr. Sarah König und ihrem Team aus dem Büro für Internationalisierung der Medizinischen Fakultät. Die Leiterin des Instituts für Medizinische Lehre und Ausbildungsforschung am Universitätsklinikum und zugleich Studiendekanin der Medizinischen Fakultät erläutert die Situation der Gaststudierenden: „Sie sind alle an Würzburgs Partneruni Danylo Halytsky Lviv National Medical University eingeschrieben. Ihr Medizinstudium erleben sie derzeit als unter den Kriegsbedingungen recht unbefriedigenden Online-Unterricht. Sie dürsten geradezu nach intensiverer Ausbildung, aber sie in den deutschen Universitätsbetrieb zu integrieren, ist allein schon aus formal-rechtlichen Gründen schwierig.“

Beeindruckt von Wertschätzung und Behandlungsstandards


Um hier dennoch eine Unterstützung zu leisten, entwickelte Prof. König auf Initiative eines ukrainischen Medizinstudenten und in Kooperation mit Studiengangsverantwortlichen aus Lviv das wegweisende Lehrangebot. Zu dem im Juli dieses Jahres durchgeführten Praktikum, das einer deutschen Famulatur ähnelt, gehörte die Mitarbeit in den ärztlichen Teams von fünf Kliniken des UKW. „Hier ist vor allem auch unseren Studierenden im Praktischen Jahr zu danken, die unsere Gäste intensiv betreuten“, unterstreicht Prof. König. Die Ukrainerinnen und der Ukrainer zeigten sich begeistert – sowohl von der ihnen am UKW entgegengebrachten Wertschätzung, wie auch von der hier gebotenen Krankenversorgung. „Ich bin tief beindruckt von den hohen Behandlungsstandards und der Schnelligkeit, mit der die Patientinnen und Patienten gesunden“, kommentierte zum Beispiel die Studentin Diana.

Maßgeschneiderter Begleitunterricht


Die Erfahrungen in den Kliniken wurden ergänzt durch einen speziellen, mit den Bedürfnissen der Universität in Lviv abgestimmten Begleitunterricht. Jeweils am Nachmittag vermittelten Dozierende in speziellen Lehrveranstaltungen praktische Fertigkeiten und schulten im Notfallmanagement. Themen der auf Englisch und teilweise auch Russisch abgehaltenen Kurse waren zum Beispiel Nahttechniken, grundlegende lebenserhaltende Maßnahmen, Beatmung und akute Schmerztherapie.
Neben der Gestaltung der fachlichen Inhalte waren für den Erfolg des Sommerpraktikums viele organisatorische und lebenspraktische Fragen zu lösen. Das begann schon beim Auswahlverfahren. „Neben guten Sprachkenntnissen in Englisch legten wir fest, dass die Bewerberinnen und Bewerber vor dem 15. Mai 2022 geflüchtet sein mussten und einen aktuellen Aufenthaltstitel in Deutschland besitzen“, berichtet Prof. König und fährt fort: „Damit wollten wir eine zusätzliche Motivation zur Flucht aus der Ukraine vermeiden, um den eh schon vorhandenen Verlust des Landes an akademischen Kräften nicht noch zu erhöhen.“

Unterbringung bei Fakultätsmitglieder


Für die An- und Abreise nutzten die Studierenden das 9-Euro-Ticket. Vor Ort untergebracht wurde sie bei Gastfamilien. „Hierfür haben sich dankenswerterweise problemlos genug freiwillige Fakultätsmitglieder gefunden“, lobt Prof. König, die selbst auch eine Studentin beherbergte.
Zur Rundum-Versorgung zählten ferner ein kostenloses Essenangebot am UKW, ein Willkommenspaket der Stadt Würzburg, das freien Eintritt zu diversen kommunalen Einrichtungen, wie zum Beispiel Schwimmbädern, ermöglichte sowie ein Sozialprogramm von Fakultät und Fachschaft, unter anderem mit Stadtführung und studentischen Treffen.
„Dass die Hilfsbereitschaft, sich an dem Hilfsprogramm zu beteiligen, bei allen Beteiligten enorm groß war und alle großen Spaß bei der Durchführung hatten, freut mich sehr“, sagt Barbara Moll. Die Mitarbeiterin des International Offices der Medizinischen Fakultät, die an der Organisation des Projekts maßgeblich beteiligt war, ergänzt: „Es verwundert nicht, dass die ukrainischen Gaststudierenden Würzburg rasch in ihr Herz geschlossen haben.“

Große Dankbarkeit und neue Motivation


Bei diesen herrschte am Ende des Praktikums große Dankbarkeit – und wohl auch eine neue Begeisterung für ihre Studienwahl. „Nach den in Würzburg gemachten Erfahrungen bin ich wieder voll motiviert, den Weg zur Ärztin weiterzugehen“, brachte es die Teilnehmerin Diana auf den Punkt. Aussagen wie diese und der insgesamt so erfolgreiche Ablauf des Praktikums bestärken Prof. König und ihr Team darin, dieses Fortbildungsformat fortzusetzen. Die ukrainischen Studierenden werden ihr Online-Studium über Lviv weiterführen und für praktische Ausbildungsphasen gerne wieder nach Würzburg kommen.

Mehr Energie für rote Blutkörperchen

Der Wirkstoff Mitapivat zeigte in einer internationalen Studie mit Würzburger Beteiligung erstmals eine zielgerichtete, medikamentöse Therapie bei einer angeborenen hämatologischen Erkrankung wie dem Pyruvatkinase-Mangel.

Das Bild zeigt Oliver Andres in seinem Büro am Mikroskop
Der Kinderarzt und Privatdozent Dr. Oliver Andres erforscht in der Kinderklinik und Poliklinik am Universitätsklinikum Würzburg Blutzellkrankheiten und hat die Studie ACTIVATE geleitet. Bildnachweis: Anna Wenzl / UKW
Eine Hand mit blauem Handschuh bereitet mit einer Pipette eine Blutprobe vor.
Im Erythrozytenlabor des Universitätsklinikums Würzburg werden die Blutproben für die Messung der Enzymaktivität in roten Blutkörperchen vorbereitet. Bildnachweis: Anna Wenzl / UKW
Auf dem Bild sieht man rote Blutkörperchen neben violett angefärbten Blutplättchen
Formveränderte rote Blutkörperchen bei Pyruvatkinasemangel; neben violett angefärbten kleinen Blutplättchen und einem weißen Blutkörperchen mit dunklem Kern. Bildnachweis: Oliver Andres / UKW

„Unsere Patientinnen und Patienten haben geradezu dafür gebrannt, an der ACTIVATE-Studie teilzunehmen“, berichtet Privatdozent Dr. Oliver Andres, Oberarzt in der Kinderklinik und Poliklinik am Universitätsklinikum Würzburg, Leiter der Studie in Würzburg und Koordinator für Deutschland. Das Leid mit einem Pyruvatkinase-Mangel sei so groß, da greifen die Betroffenen zu jedem Strohhalm, der ihnen Unterstützung geben könnte. Und das Medikament Mitapivat hat das Potential dazu, wie die Auswertungen der Studie zeigen, die kürzlich im international renommierten New England Journal of Medicine veröffentlicht wurden (Al-Samkari H et al., NEJM 2022; doi: 10.1056/NEJMoa2116634).

Rote Blutkörperchen erreichen ihre normale Lebensdauer nicht

Der Pyruvatkinase-Mangel ist ein angeborener Enzymdefekt. Durch eine Mutation im PKLR-Gen – über 300 Mutationen allein auf diesem Gen sind inzwischen bekannt – kommt es zu einer Störung im Energiestoffwechsel der roten Blutkörperchen, der sogenannten Erythrozyten. „Diese schwellen an, verändern ihre Struktur und können sich nicht mehr verformen, was jedoch wichtig für den Blutfluss in den kleinsten Gefäßen und die Sauerstoffabgabe an das Gewebe ist“, erklärt der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin und Erythrozyten-Experte Oliver Andres am Mikroskop. „Der Defekt, der sich schon im Neugeborenenalter oder sogar vor der Geburt zeigen kann, verkürzt zudem die Lebensdauer der roten Blutkörperchen; sie werden frühzeitig in der Milz abgebaut.“ Die Folgen sind Gelbsucht und Blutarmut, in der Fachsprache als hämolytische Anämie bezeichnet. Durch die Blutarmut wird der Körper alarmiert; er lagert hierdurch und durch die vielen therapeutisch nötigen Bluttransfusionen vermehrt Eisen ein, was wiederum die Organe belastet und zu Funktionsstörungen führt. Die Erkrankung ist nur bei 3,5 bis 8,2 von einer Million Menschen sicher diagnostiziert, Oliver Andres geht neueren Schätzungen zufolge von einer deutlichen Dunkelziffer mit einer realen Häufigkeit in Mitteleuropa von bis zu einer Erkrankung auf 20.000 Einwohner aus. Der Pyruvatkinase-Mangel sei damit sicher unterdiagnostiziert.

Wirkstoff Mitapivat aktiviert das Enzym Pyruvatkinase

Bei den Betroffenen vergrößert sich die Milz, es drohen Gallensteine, Osteoporose, Blutgerinnsel und andere Begleiterscheinungen, sie fühlen sich chronisch müde und wenig belastbar. Die einzige Behandlung bestand bislang aus regelmäßigen Bluttransfusionen, einer Entfernung der Milz und aus Medikamenten, die das Zuviel an Eisen im Körper ausschleusen. Die Stammzelltransplantation mit einer Familien- oder Fremdspende ist Andres zufolge zu riskant, um als gängige Therapieoption zu dienen. Doch das Medikament Mitapivat macht nun Hoffnung und könnte für viele Betroffene ein Durchbruch in der Behandlung sein. Denn es verbessert die Aktivität der Pyruvatkinase in den Erythrozyten und macht die roten Blutkörperchen gewissermaßen wieder flexibel und fit.

Gezielte Therapie nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip

In der internationalen, randomisierten, doppelt verblindeten, placebo-kontrollierten Phase-III-Studie ACTIVATE zeigten die Patientinnen und Patienten, die ein halbes Jahr lang mit dem oral einzunehmenden Medikament Mitapivat behandelt wurden, eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität im Vergleich zu denen, die ein Placebo erhielten. In den ersten zwölf Wochen der Behandlung wurde die Dosis optimiert, einige Betroffene benötigten nur zweimal täglich 5 Milligramm, andere zweimal 20 oder gar 50 Milligramm. In weiteren zwölf Wochen wurde das Ansprechen beobachtet. „Einige konnten wieder Fahrrad fahren oder sogar joggen“, schildert der Oliver Andres die verbesserte Leistungsfähigkeit. Und 40 Prozent der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer, die Mitapivat erhielten, erreichten den vorab definierten primären Zielpunkt der Studie. Ihr Hämoglobinwert, ein indirektes Maß der Anzahl an roten Blutkörperchen, stieg um mindestens 1,5 g/dL (Gramm pro Deziliter).

„Das klingt für Laien möglicherweise nicht so beeindruckend“, meint Oliver Andres, der als Co-Autor an den Studienergebnissen beteiligt ist. „Aber selbst, diejenigen, deren Wert „nur“ um einen Punkt stieg, haben enorm profitiert. Mit Mitapivat haben wir erstmals einen Wirkstoff bei hämatologischen Erkrankungen, der dort ansetzt, wo das Problem liegt. Es bindet an das Enzym Pyruvatkinase und steigert seine Aktivität, damit in den roten Blutkörperchen mehr Energiebausteine zur Verfügung gestellt werden. Voraussetzung ist natürlich, dass das Enzym nur in seiner Struktur verändert ist und nicht vollständig fehlt.“ Diese Tatsache treffe aber für die meisten Defekte in Deutschland und weltweit zu, erklärt der auf Blut- und Krebserkrankungen sowie Neugeborenenmedizin spezialisierte Kinderarzt. „Wir haben dies vor zwei Jahren in einer anderen großen internationalen Studie belegen können.“ (Bianchi P et al., Am J Hematol 2020; doi: 10.1002/ajh.25753).

Würzburg hält die Flagge hoch, um die chronisch schwerkranken Patienten zu unterstützen

Das Uniklinikum ist mit fünf gescreenten und vier randomisierten Patientinnen und Patienten nach Boston, Paris und Kopenhagen das viertgrößte Studienzentrum weltweit und fungierte als nationales Koordinationszentrum in der Studie. Die Charité in Berlin hat ebenfalls einen Probanden rekrutiert, München, Heidelberg und Freiburg haben ihre Patienten über Würzburg betreuen lassen. Finanziert wurde die multizentrische Studie von der Firma Agios Pharmaceuticals mit Sitz in Cambridge nahe Boston (USA), wo sich mit dem Massachusetts General Hospital (MGH) das größte Studienzentrum befindet. Im ältesten und größten Lehrkrankenhaus der Medizinischen Fakultät der Harvard-Universität wurde die Krankheit 1961 entdeckt und 1962 genauer beschrieben, fand dann jedoch lange Zeit kein bis wenig Interesse. „Es gibt nur wenige Zentren, die dieser gutartigen Erkrankung Aufmerksamkeit schenken. Doch es ist wichtig, hier die Flagge hochzuhalten, um die Krankheit zu diagnostizieren und die chronisch schwerkranken Patientinnen und Patienten zu unterstützen“, betont Oliver Andres. Der Experte für den Pyruvatkinase-Mangel hat daher auch den Anstoß für den Aufbau einer Selbsthilfegruppe gegeben, die betroffene Erwachsene und Kinder untereinander vernetzt.

Benefit für Placebo-Gruppe

Nun könnte der Pyruvatkinase-Mangel und die neu entdeckte krankheitsmodifizierende Therapie mit Mitapivat auch wegweisend für andere Anämien wie die Sichelzellanämie oder Thalassämie sein. „Energie ist das A und O für rote Blutkörperchen“, so Hanny Al-Samkari, Hämatologe am MGH und Erstautor der Studie. Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat aufgrund der hervorragenden Zwischenergebnisse der Studie das Medikament bereits für die Behandlung von Erwachsenen mit Pyruvatkinase-Mangel zugelassen. Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA prüft derzeit die Zulassung für Europa. Diejenigen, die im Rahmen der Studie ein Placebo erhielten, dürfen jetzt an einer erweiterten sogenannten Open-Label Extension Study teilnehmen und erhalten das Medikament noch vor der Zulassung in Europa. Damit werden weitere Daten zur Wirksamkeit und Verträglichkeit gesammelt. Ob Mitapivat auch bei Kindern mit Pyruvatkinase-Mangel hilft, das wird in einer folgenden Studie untersucht, die voraussichtlich Ende 2022 startet — und wieder mit Würzburger Beteiligung.

Zusatzinformation:

Mehr als 5.000 Blutproben im Erythrozytenlabor untersucht

Oliver Andres hat sich in seiner Habilitationsschrift mit „Blut als ganz besond‘ren Saft“ beschäftigt und etliche Arbeiten zu angeborenen Blutzellerkrankungen in internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht. Neben verbesserten Verfahren zur Diagnosestellung von angeborenen Erkrankungen der roten Butkörperchen und Blutplättchen liegt ein Forschungsschwerpunkt von Andres auf Besonderheiten dieser Blutzellen bei Früh- und Neugeborenen und ihrer Auseinandersetzung mit Entzündungsreaktionen oder Tranfusionen. Am Uniklinikum Würzburg fand er mit Prof. Dr. Christian Speer, dem ehemaligen Direktor der Kinderklinik, einen großen Förderer, der die Gründung eines Erythrozytenlabors im Jahr 2010 maßgeblich unterstützt hat. Das Speziallabor, dessen Portfolio unter dem jetzigen Direktor der Kinderklinik, Prof. Dr. Christoph Härtel, weiter ausgebaut wird, hat inzwischen mehr als 5.000 Blutproben aus ganz Deutschland auf Defekte der Membran, des Stoffwechsels und des roten Blutfarbstoffs von Erythrozyten untersucht. „Die häufigste Form der hämolytischen Anämie ist die Kugelzellanämie“, weiß Oliver Andres, der an dieser Stelle auf die enge Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Stefan Eber aus München hinweist. „Mit unserem Speziallabor haben wir dazu beigetragen, bei Kindern oder Erwachsenen die Diagnose zu stellen, die zuvor völlig unklar war. Wir haben Verfahren entwickelt, mit denen wir sogar bei Kindern, bei denen beispielsweise ein Pyruvatkinase-Mangel bereits ausgeschlossen worden war, diesen Defekt diagnostizieren konnten. Selbst wenn das Enzym scheinbar normal arbeitet, wissen wir, dass es im Stoffwechsel Besonderheiten gibt, die selbst einem geschulten Auge den Defekt übersehen lassen.“ Wichtig sei es, die Proben mit besonderer Kenntnis dieses Problems zu analysieren, in unklaren Fällen die Eltern zu screenen und eine molekulargenetische Untersuchung einzuleiten, welche auch an unserem Zentrum angeboten wird. Der Pyruvatkinase-Mangel wird autosomal-rezessiv vererbt. Das heißt, die jeweilige Erkrankung tritt nur auf, wenn das krankhaft veränderte Gen sowohl vom Vater als auch der Mutter an deren Nachwuchs weitergegeben wird oder neu entstanden ist. Heute überblickt das Team von Oliver Andres etwa 50 Kinder und Erwachsene aus Deutschland, die an einem Pyruvatkinase-Mangel leiden.

Zentrum für angeborene Blutzellerkrankungen im ERN EuroBloodNet

Durch die Initiative von Privatdozent Dr. Oliver Andres, der neben seiner Fachkenntnis bei roten Blutkörperchen auch Experte für Blutplättchen, sogenannte Thrombozyten, ist, sind die Spezialambulanzen und -labore inzwischen Teil des Zentrums für angeborene Blutzellerkrankungen, welches im Jahr 2018 unter dem Dach des Zentrums für Seltene Erkrankungen. Referenzzentrum Nordbayern (ZESE) am Universitätsklinikum Würzburg gegründet wurde und dem der Kinder-Hämatologe als Sprecher voransteht. Seit Januar 2022 gehört das B-Zentrum nun auch dem Europäischen Referenznetzwerk ERN für Bluterkrankungen (ERN EuroBloodNet) an, und das in zwei wichtigen Unternetzwerken – für Erkrankungen der Erythrozyten und Thrombozyten. „Als Haupteffekt unserer Beteiligung können unsere Patientinnen und Patienten von der in den Netzwerken vereinigten, internationalen Fachkompetenz profitieren. Die Aufnahme in diese Struktur drückt eine besondere, europaweite Anerkennung unserer eigenen Expertise aus“, kommentiert Professor Helge Hebestreit, stellvertretender Direktor der Würzburger Universitäts-Kinderklinik und Direktor des ZESE. Hebestreit hat Andres auch bei der Vorbereitung und Durchführung der ACTIVATE-Studie unterstützt. „Wir haben die Studie gewissermaßen im Tandem durchgeführt, wofür ich ihm sehr dankbar bin“, sagt Andres. Generell sei die Zusammenarbeit am Forschungscampus großartig gewesen. Von Professor Hermann Einsele und Professor Stefan Knop kam die internistische Expertise, in der Nuklearmedizin bei Professor Andreas Buck wurde die Knochendichte der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer gemessen, und im Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie von Professor Thorsten Bley konnte der Eisengehalt in der Leber mit einem speziellen MRT-Verfahren analysiert werden. Diese Vernetzung am Universitätsklinikum und an der Universität Würzburg spiegelt auch das Behandlungsspektrum und die Kernkompetenz des Zentrums für angeborene Blutzellerkrankungen wider: Eine patientenzentrierte Betreuung von der korrekten Diagnosestellung der zugrundeliegenden Krankheit über die umfassende, interdisziplinäre medizinische Behandlung von Patientinnen und Patienten jeden Alters bis zur Erprobung von hochmodernen neuen Therapieverfahren in eigenen Studienambulanzen für Kinder und Erwachsene.

Das Bild zeigt Oliver Andres in seinem Büro am Mikroskop
Der Kinderarzt und Privatdozent Dr. Oliver Andres erforscht in der Kinderklinik und Poliklinik am Universitätsklinikum Würzburg Blutzellkrankheiten und hat die Studie ACTIVATE geleitet. Bildnachweis: Anna Wenzl / UKW
Eine Hand mit blauem Handschuh bereitet mit einer Pipette eine Blutprobe vor.
Im Erythrozytenlabor des Universitätsklinikums Würzburg werden die Blutproben für die Messung der Enzymaktivität in roten Blutkörperchen vorbereitet. Bildnachweis: Anna Wenzl / UKW
Auf dem Bild sieht man rote Blutkörperchen neben violett angefärbten Blutplättchen
Formveränderte rote Blutkörperchen bei Pyruvatkinasemangel; neben violett angefärbten kleinen Blutplättchen und einem weißen Blutkörperchen mit dunklem Kern. Bildnachweis: Oliver Andres / UKW